Gerhard Polt und die Well-Brüder in Cham

Der Mensch ist dideldum – und Thomas Aeschi Teil der Satire

Gehobene Unterhaltung mit humanitärem Beigeschmack wurde am Sonntagabend im Chamer Lorzensaal von Gerhard Polt und den Well-Brüdern geboten. 

(Bild: Aus dem Buch «Ekzem Homo»)

Gerhard Polt trat am Sonntagabend in Cham auf. Mit 74 Jahren hat der Altmeister des Kabaretts an Intensität und Ausdrucksstärke gewonnen, ob er nun den Alkoholsportler verkörpert oder den Landrat aus Bayern, der ein Asylantenhotel eröffnen wird. Ganz ging der Abend auch an einem Zuger SVP-Nationalrat nicht vorbei.

Die Frage, die sich Gerhard Polt stellt, ist einfach und doch so kompliziert, dass sie locker zu einem abendfüllenden Programm wird. Es ist die Frage: Was ist der Mensch?

Der Lorzensaal mit seinen 680 Plätzen war fast ausverkauft, und das nicht mehr ganz junge Publikum liess sich von Gerhard Polts geistreicher Wortkunst sowie den musikalisch ironischen Kühnheiten der Well-Brüder mitreissen.

Was ist der Mensch?

Gut war Polt schon immer. Wenn er früher in seinen Rollen gerne den einfachen Mann verkörperte, den bodenständigen Bayer, der für sein Wohlbefinden Bier, Wurst und ein Mädl braucht, sind seine Figuren heute ernster, reifer, weniger gekünstelt.

Gerhard Polt ist heute ernster, reifer, weniger gekünstelt.

Der Bürger von einst, der sich oft am Rande der Verzweiflung bewegte, in seiner Beschränktheit ausholte, um seine Gedanken in Worte zu fassen, und dann, wenn das Entscheidende hätte kommen müssen, von sprachlichen und anderen Hemmungen blockiert wurde, scheint jetzt zu seiner Sprache gefunden zu haben.

Damit hat Polts Charaktersatire an Aussagekraft gewonnen, an Intensität zugelegt. Das sind keine billigen Pointen, die sich wohl dosiert über das Publikum ergiessen, kein beissender Spott. Zu Beginn etwa spricht er bloss als Rentner zum Publikum und schlüpft dann langsam in seine Rolle als Grossvater.

Als Grossvater seines hinlänglich bekannten Bubi, der Erziehungsaufgaben wahrnimmt und sich mit allerhand neuzeitlichen Problemen wie gewissen Intoleranzen oder dem rätselhaften ADHS konfrontiert sieht. Und dann kommen eindringliche Worte, da wird klar, dass sich die Verzweiflung, die Sprachlosigkeit von früher in Klarheit gewandelt hat. Was er sagt ist einfach: Schaut zu euren Kindern, lasst sie nicht alleine. Oder: Das wichtigste im Leben sind Beziehungen. Das mag banal klingen, ist es aber nicht. 

Politisch, sozial und schweizerisch

Es gibt alternde Künstler, von denen man sich wünscht, sie würden die Bühne für immer hinter sich lassen. Gerhard Polt und die Well-Brüder gehören definitiv nicht zu diesen.

Im Gegenteil, wenn sich Polt früher in seinen Rollen gelegentlich im Grotesken verlor, steht heute sein soziales Engagement im Vordergrund: «Das ist mein Charakter», sagt Polt in der Rolle als Landrat dazu und ruft zum «Change» auf. Somit nicht verwunderlich ist also, dass der Abend mit politisch klaren Botschaften durchzogen war.

Schnell war klar: diese Truppe hatte sich auf ihr Schweizer Publikum vorbereitet, wobei sich vor allem die Gebrüder Well in ihren satirisch musikalischen Einlagen über Persönlichkeiten aus dem politisch rechten Lager ausliessen. Namen wie Roger Köppel, Thomas Aeschi, Albert Rösti und andere wurden in schnitzelkbankartige Liedertexte hineingearbeitet, was teilweise jedoch etwas plakativ wirkte. 

Beachtenswert aber war die musikalische Leistung und Vielseitigkeit dieses Trios. Besonders begeisterte der starke Auftritt von Christoph Well als rappender Jungfarmer. Als Vertreter des Bundes Deutscher Milcherzeuger (BDM) legte er einen Protestsong für einen höheren Milchpreis in der typischen Rapperaufmachung und Gestik hin.

Alte Weggefährten aus Europa und der Schweiz

Gerhard Polt und die drei Well-Brüder sind alte Weggefährten. Ihre Zusammenarbeit begann 1980, zahlreiche Auftritte haben sie hinter sich, zahlreiche Preise gewonnen. Ein alter Weggefährte ist aber auch der Organisator des Anlasses, der Zürcher Verlag Kein und Aber.

Alle haben sich dem intelligenten Sprachwitz, dem ironischen Humor verschrieben. Ihr Fach ist die hohe Sprachkunst, ihr gründlich einstudierter Gegenstand: der Mensch. Bevor der Vorhang fiel und die vier Wortkünstler wieder heim «nach Europa reisen würden», beantworteten sie die grosse Frage des Abends auf die für sie passende Weise: «Der Mensch ist dideldum.»

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