Anet Corti gastierte mit «Optimum» in Zug

Wenn die Parodie Realität wird

Anet Corti gastierte am Samstagabend in der Zuger Shedhalle. In ihrem Bühnenprogramm Optimum hielt sie dem modernen Menschen den Spiegel vor. Tausendsassa Corti tut in ihrer Show vieles und beeindruckt auch im Umgang mit der Technik. Dennoch drängt sich die Frage auf, ob weniger nicht mehr gewesen wäre.

In «Optimum – bis zum bitteren Maximum» persifliert Anet Corti unsere medienverseuchte Leistungsgesellschaft. Mit diesem Programm gastierte sie zuletzt gleich an zwei Abenden in der Shedhalle Zug in post-industriellem Ambiente. 

Der Kampf mit dem leeren Blatt Papier

Corti eröffnet die erste Halbzeit ihrer Show als futuristische Superheldin Optima, die Tanz und den Anklang von Martial Arts miteinander verbindet. Optima will den Weg in eine optimierte Zukunft weisen, und die Komödiantin beweist gleich zu Beginn vor allem eines: Sie ist bewundernswert fit und fegt wie ein Wirbelwind über die Bühne.

Was die Vision der Superheldin anbelangt, wird bald darauf aber klar: Der Alltag von Cortis Hauptfigur, einer Version ihrer selbst, ist vom Ideal weit entfernt. Sie sitzt ideenlos vor Papier und Laptop-Bildschirm und tut, was man in solchen Situation eben so tut: Aufräumen, To-Do-Listen schreiben – alles, ausser arbeiten.

Dieser Geschichtsstrang liefert den Rahmen für Cortis gesamtes Programm. Sie webt Sketche, musikalische Einlagen, Figuren, einen Roboter, ein Hoverboard und Video-Sequenzen darin ein und verbindet sie zu einem grossen Ganzen. Optimum, wie ihre vorhergehenden Programme, hat daher auch deutlichen Theater-Charakter, die Kabarettistin und Komödiantin bewegt sich in ihrer Erzählung von A nach B.

Über Perfektion

Anet Corti widmet sich fortan der Frage, was vermeintliche Perfektion ist, warum wir danach streben und was sie uns schlussendlich kosten mag. So erklären etwa Video-Collagen alles, vom perfekten Mann bis zum perfekten Künstler, ganz neutral und ganz satirisch.

Ein Dreh- und Angelpunkt in der Suche nach der Antwort auf das grosse Warum? ist Flurina. Cortis beste Freundin, eine Ikone der Lebensoptimierung, sei es in Bezug auf sich selbst oder auf ihren hochbegabten, frühgeförderten, Bio-gefütterten Sohn.

Die Figur der Flurina, die zu Beginn als Mahnmal für die ineffiziente und selbstbelügende Komödiantin mit Schreibblockade fungiert, wird im Verlauf der Show stetig demaskiert und dekonstruiert. Sie steht für all das, was Corti kritisch seziert: Lebensausrichtung nach Zeitoptimierungsplaner, Kindererziehung nach dem Hochleistungsprinzip und Fitnessprogramm nach Kalorienzähler, alles zum Zweck der Selbstvermarktung und der Dominanz über jene, die in diesen Bereichen hinterherhumpeln. 

Ein persönlicher Roboter als Lösung für alles?

Die zweite Hälfte von Optimum geht in demselben Stil weiter, führt aber interaktive, technische Requisiten ein, womit Corti ihrem Programm eine weitere Dimension hinzufügt. So konversiert sie mit sich selbst (als Flurina) via Skype, manövriert (als Verkörperung von Big Data) gekonnt auf einem Hoverboard und musiziert mit ihren Bühnenfiguren in Bild und Ton. Dann stürzt sie sich in ein Zerwürfnis mit einem Roboter, der ihr Leben in Ordnung bringen soll, sich dann aber doch nicht als das Gelbe vom Ei entpuppt.

Ihre Bühnensicherheit – das sei an dieser Stelle gesagt – ist, besonders im Umgang mit den oben genannten technischen Spielereien, beeindruckend. Ebenfalls spürbar ist ihre Routine bei Sketchen, die sie aus vorhergehenden Programmen wiederverwertet und in abgeänderter Form in Optimum einbringt.

Ihre Bühnensicherheit im Umgang mit technischen Spielereien ist beeindruckend.

In der zweiten Hälfte der Show schafft es Corti denn auch, das Publikum stärker einzubeziehen. So sprach sie zunächst mehrere fiktive Zuschauer in den Reihen an, anstelle echte mit einzubeziehen, wohingegen sie später in einen tatsächlichen Dialog mit den Anwesenden trat und so die Stimmung deutlich auflockerte.

Musical-Keynote-Technik-Videokunst-Kabarett-Theater

Anet Corti tut in ihrer Show vieles. Sie turnt, sie singt, sie musiziert, sie spielt, sie schreibt. Man muss vor ihrer Vielseitigkeit den Hut ziehen. Es drängt sich jedoch die Frage auf, ob sie zu viel tut und der Einbringung ihrer tausend Talente die Zielgenauigkeit ihrer Satire opfert.

So waren die Zuschauerränge in Zug sowohl nicht ganz voll als auch nicht ganz begeistert: Corti brillierte mit wortgewaltigen Sprechgesangeinlagen und der mühelosen Ausführung von mehrdimensionalen, multimedialen Sketchen, wo jeder andere längst das Handtuch geworfen hätte – an anderen Stellen mochte ihr die Ablieferung einer Pointe nicht gelingen; zu gross ihr Streben nach Perfektion, so schien es. Dabei war es doch genau das, was sie parodierte.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Ueli Meier
    Ueli Meier, 13.12.2016, 15:38 Uhr

    Ich empfand das genau anders. Anet Corti hatte eine kreative, andere Performance hingelegt die man seines gleichen lange in der Schweiz suchen muss. Der Auftritt am Sonntag war sicher gut besucht und das Publikum war auch recht zufrieden.

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