Schuldenbremse soll angepasst werden

Trotz gelockerter Schuldenbremse – Kanton will weitere 120 Millionen sparen

Marcel Schwerzmann (links) und Philipp Stadelmann (Abteilungsleiter Controllingdienste) informieren die Medien.

(Bild: lwo)

Die Luzerner Regierung will auch dann in Projekte wie die Zentralisierung der Verwaltung investieren, wenn es die aktuelle Schuldenbremse nicht mehr erlaubt. Sie will deshalb die Regeln anpassen. Der Finanzdirektor hält höhere Schulden unter gewissen Voraussetzungen für vertretbar. Und er macht sich bereits ans nächste Sparpaket.

Im Kanton Luzern ist seit 2011 das Gesetz über die Steuerung der Finanzen und Leistungen (FLG) in Kraft. Dieses Gesetz regelt auch, wie viele Schulden gemacht werden dürfen. Vereinfacht gesagt gilt: Über fünf Jahre hinweg darf der Kanton nicht mehr ausgeben, als er einnimmt.

Doch diese Schuldenbremse blockiert laut der Regierung sinnvolle Investitionen. Einige davon könnten wegen der Schuldenbremse nicht forciert werden, obwohl sie den Kanton mittel- bis langfristig finanziell entlasten würden. Dazu gehört etwa die Zentralisierung der kantonalen Verwaltung am Seetalplatz bis 2023. Dieses Projekt kostet rund 160 Millionen Franken. Erhoffte Entlastung durch Synergiegewinne: 7 Millionen Franken pro Jahr. «Viel leichter lässt sich solch ein Betrag nicht einsparen», weibelt Schwerzmann für das Projekt.

Von 2,5 Milliarden auf 250 Millionen Franken Schulden

Um künftig auch investieren zu können, wenn es die aktuelle Schuldenbremse eigentlich nicht mehr erlauben würde, schlägt die Regierung eine Anpassung dieses finanzpolitisch wichtigen Instruments vor. Dazu hat die Regierung durch Experten von der Uni St. Gallen eine Evaluation vornehmen lassen. Diesen Montagnachmittag hat Finanzdirektor Marcel Schwerzmann über die Ergebnisse und die Haltung der Regierung informiert.

«Das Korsett der Schuldenbremse darf nicht so eng geschnürt sein, dass sich der Staat darin kaum mehr bewegen und entwickeln kann.»

Marcel Schwerzmann, Finanzdirektor

Schwerzmann erinnerte zuerst daran, dass die Schuldenbremse zu einer Zeit eingeführt wurde, als es dem Kanton finanziell sehr schlecht ging. «1991 hatte der Kanton Nettoschulden von 1,2 Milliarden Franken. Ums Jahr 2000 rum waren es sogar 2,5 Milliarden – nun sind es noch 300 Millionen.» Zudem konnte der Kanton ab 2005 erstmals seit vielen Jahren wieder damit beginnen, Eigenkapital anzuäufnen. Jetzt, wo man sich von der Schuldenwirtschaft und der hohen Steuerbelastung verabschiedet habe, könne man sich die Anpassung an der restriktiven Schuldenbremse erlauben. «Das Korsett der Schuldenbremse darf nicht so eng geschnürt sein, dass sich der Staat darin kaum mehr bewegen und entwickeln kann.»

Marcel Schwerzmann (links) und Philipp Stadelmann (Abteilungsleiter Controllingdienste) informieren die Medien.

Marcel Schwerzmann (links) und Philipp Stadelmann (Abteilungsleiter Controllingdienste) informieren die Medien.

(Bild: lwo)

Ziel: «Tragbares Schuldenniveau»

Als grösste Änderung ist geplant: Neu ist nicht mehr die generelle Vermeidung neuer Schulden das Ziel. Sondern ein «tragbares Schuldenniveau», wie es Schwerzmann ausdrückt. Die künftige Schuldengrenze soll sich neu nach der Wirtschaftskraft des Kantons richten. Vereinfacht gesagt: So schnell wie die kantonale Steuerkraft wächst, so schnell dürfen auch die Nettoschulden wachsen. Wenn also der Kanton jährlich drei Prozent mehr Steuern einnimmt, dürfen auch die Nettoschulden um drei Prozent steigen. Schwerzmann ist überzeugt: «Diese Anpassung ermöglicht notwendige Investitionen in die Infrastruktur.»

«Es besteht kein Zweifel, dass ein prosperierender Kanton eine höhere Verschuldung gut verkraften kann.»

Marcel Schwerzmann, Finanzdirektor

Folglich kann der Schuldenberg des Kantons immer dann noch höher werden, wenn der Motor brummt. Mehr Schulden heisst aber auch mehr Zinsen, die der Kanton dafür den Banken zahlen muss. Um die 25 Millionen Franken jährlich könnte das in den nächsten Jahren bedeuten. Das sei vertretbar, findet Schwerzmann, solange in sinnvolle Projekte wie die Zentralisierung am Seetalplatz investiert werde. Schwerzmann verspricht: «Es besteht kein Zweifel, dass ein prosperierender Kanton eine höhere Verschuldung auch gut verkraften kann.» Das sei genau gleich wie bei einem privaten Haushalt: «Wer langfristig mehr verdient, für den ist auch eine höhere Hypothek gut tragbar.»

Heute rangiert Luzern schweizweit bezüglich Verschuldung im Mittelfeld. Würde der Kanton durch die neue Regelung mehr Schulden machen, könnte er bis zwei Plätze nach hinten rutschen.

Heute rangiert Luzern schweizweit bezüglich Verschuldung im Mittelfeld. Würde der Kanton durch die neue Regelung mehr Schulden machen, könnte er bis zwei Plätze nach hinten rutschen.

(Bild: Kanton Luzern)

Schulden besser im Auge behalten

Um Konsumschulden – also reguläre Ausgaben ohne die Investitionen in wichtige Projekte – auch weiterhin zu vermeiden, ist folgender Mechanismus vorgesehen: Der Ausgleich der Erfolgsrechnung soll neu fortwährend und nicht mehr wie bislang rollend über fünf Jahre sichergestellt werden. Um dies zu erreichen, sollen die Jahresergebnisse der konsolidierten Erfolgsrechnung einem statistischen, also fiktiven, Ausgleichskonto zugewiesen werden. Diese Schwankungsreserve darf in der Summe keinen Aufwandüberschuss aufweisen.

Für dieses statistische Ausgleichskonto soll ein Startsaldo von 100 Millionen Franken festgesetzt werden. Diese Notreserve ist laut Schwerzmann zum temporären Auffangen unerwarteter Budgetabweichungen bestimmt. Korrekturmassnahmen zur Einhaltung der Schuldenbremse sollen durch die Vierjahresplanung im Rahmen des Aufgaben- und Finanzplans (AFP) als auch vorneweg aufgrund der Ergebnisse der Jahresrechnung ausgelöst werden können. Falls rückblickend eine Verletzung der Schuldenbremse festgestellt würde, müsste ein Sanierungsprogramm ausgelöst werden.

Marcel Schwerzmann gibt den Journalisten Auskunft über die geplanten Änderungen.

Marcel Schwerzmann gibt den Journalisten Auskunft über die geplanten Änderungen.

(Bild: lwo)

Schwerzmann macht Druck

Der Kantonsrat entscheide voraussichtlich im 1. Quartal 2017 über die notwendigen Gesetzesänderungen. Diese sollen erstmals im Jahr 2017 wirksam werden, und zwar für die Erarbeitung des Aufgaben- und Finanzplanes 2018 bis 2021. Schwerzmann setzte diesen Montag vor den Medien den Kantonsräten schon gehörig Druck auf: Sollte es zu Verzögerungen kommen, mahnte der Schatzkanzler, könnten wichtige Projekte wie die Zentralisierung der Verwaltung oder jene zum Schutz vor Überschwemmungen nicht wie geplant realisiert werden.

Kanton muss 120 Millionen sparen

Doch diesbezüglich gibt es eh noch ein Problem. Und zwar ein 120 Millionen Franken schweres, wie Schwerzmann erklärte. Weil der Kantonsrat in der November-Session einige Sparmassnahmen aus dem Entlastungspaket KP17 abgelehnt hat, belastet dies nun die Schuldenbremse mit knapp 120 Millionen Franken. Die Folgen sind: Diese 120 Millionen Schulden kumuliert mit jenen, die durch die Seetalplatz-Zentralisierung sowie die Hochwasserschutzmassnahmen anfallen würden, überschreiten die Schuldenbremse. «Deshalb müssen wir diesen Betrag im AFP 2018 bis 2021 wieder kompensieren», sagt Schwerzmann. Kompensieren heisst: einsparen. Von einem neuen Sparpaket namens «KP18» will der parteilose Regierungsrat jedoch nichts wissen. 120 Millionen Franken innert drei Jahren einzusparen, sei weitaus einfacher zu bewerkstelligen als das aktuelle 520-Millionen-Paket KP17. Über dieses debattiert der Kantonsrat nächsten Montag/Dienstag.

Ausblick auf den AFP 2018-2021. Rot eingezeichnet sind die knapp 120 Millionen, die der Kantonsrat aus dem KP17 gestrichen hat. Damit kann die Schuldengrenze (blaue Linie) nicht eingehalten werden. Projekte wie der Hochwasserschutz oder die Zentralisierung können so nicht finanziert werden.

Ausblick auf den AFP 2018–2021. Rot eingezeichnet sind die knapp 120 Millionen, die der Kantonsrat aus dem KP17 gestrichen hat. Damit kann die Schuldengrenze (blaue Linie) nicht eingehalten werden. Projekte wie der Hochwasserschutz oder die Zentralisierung können so nicht finanziert werden.

Eigentlich, so Schwerzmann, müssten die Kantonsräte aufzeigen, wie dieser Betrag gespart werden könne. Doch das sei leider kaum realistisch, weshalb nun bis nächsten November die Regierung Vorschläge machen werde. Erneut an die Adresse des Kantonsrates adressiert mahnte Schwerzmann: «Um die Schuldenbremse einzuhalten, braucht es eine hohe politische Disziplin.»

SVP befürchtet lascheren Umgang mit Ausgaben

Ausser der SVP haben sich im Rahmen der Vernehmlassung alle Parteien grundsätzlich positiv zum Vorschlag der Regierung geäussert. Nur die SVP erachtet den Zeitpunkt für die Anpassung als sehr ungünstig. Die Folge sei, dass in Krisenzeiten nicht das Problem der hohen Ausgaben angegangen werde. Sondern dass das Problem mittels Gesetzesänderungen wegdefiniert werde. Die Arbeiten an dieser Gesetzesrevision seien deshalb einzustellen, bis die Finanzen wieder im Lot seien. Davon will die Regierung aber nichts wissen.

SVP-Fraktionschef Guido Müller sagt: «Wir werden die Budgetberatung nächste Woche abwarten und dann eine Gesamtschau machen. Ob wir das Referendum gegen das neue Gesetz ergreifen werden, wird die Beratung in der Kommission und dem Kantonsrat zeigen.» Heikel am neuen Gesetz seien Begriffe wie «sinnvolle Projekte». Müller fragt: «Was heisst das genau, ab wann ist etwas sinnvoll? Wir werden später in der Beratung des Gesetzes versuchen, dieses zu verbessern. Grundsätzlich aber wird sich an unserer ablehnenden Haltung wohl kaum etwas ändern.»

Der Luzerner Kantonsrat hat bereits dieses Jahr an der Schuldenbremse geschraubt. Er hat im Sommer entschieden, dass diese für 2017 ausser Kraft gesetzt werden soll. Auf diese Weise kann der Kanton aufgrund der aktuellen «Notlage» (Stichwort: KP17) mehr Schulden machen und muss weniger sparen.

Regierung nimmt Spital und Uni separat in Pflicht

Nicht ins Korsett der angepassten Schuldenbremse werden kantonale Organisationen wie das Luzerner Kantonsspital oder die Uni gesteckt. Obschon das ursprünglich so vorgesehen war. Nun aber sei man zum Schluss gekommen, dass es dafür andere Mittel brauche. Die Verschuldung dieser Institutionen wird nun im Rahmen der jeweiligen Eignerstrategie festgelegt. «Wir werden diesen Institutionen vorschreiben, wie viele Schulden sie machen dürfen», kündigt Schwerzmann an.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hubi
    Hubi, 06.12.2016, 23:36 Uhr

    Das ist die neue Generationensolidarität: Die künftigen Generationen dürfen unsere Ausgaben bzw. unsere Schulden bezahlen.

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