Fasnachts-Traditionalisten wollen Partymeile bändigen
Die laute Musik und der fehlende Respekt zwischen den Wagenbesitzern sorgen bei den traditionellen Fasnächtlern für rote Köpfe. Besonders an der Bahnhofstrasse sind die Missstände gross. Ein neuer Verein will nun für Ordnung sorgen und Kleinformationen mehr Raum bieten. Gelingt es, die schwarzen Schafe unter Kontrolle zu bringen?
Am 23. Februar ist SchmuDo und die Vorfreude bei den Fasnächtlern ist gross. Die fünfte Jahreszeit wird wie immer tausende Menschen in die Luzerner Innenstadt locken. Aber es gibt auch Zankherde: Die zahlreichen Elektro- und andere laute Musikwagen an der Bahnhofstrasse sind vielen Guggenmusigen und Sujetgruppen ein Dorn im Auge.
Die Fasnachtsorganisationen, Polizei und Stadt Luzern wünschen sich seit ein paar Jahren mehr Respekt und weniger Chaos an der Bahnhofstrasse während der Fasnacht. Reto Küttel ist der Initiator und neue Präsident der IG Bahnhofstrasse, der Verein wurde im September gegründet. 27 Fasnachtsgruppen, die rund um die Bahnhofstrasse auftreten, haben sich laut Küttel bereits dem Verein angeschlossen oder Interesse gezeigt. Alle der IG angeschlossenen Gruppierungen machen als Wagenbauer, Sujetgruppen oder Guggenmusigen etwas für die Fasnacht. Küttels Herz schlägt für die Fasnächtler, die sich etwas einfallen lassen und teilweise Monate an ihren Masken arbeiten.
«Es kann doch nicht sein, dass am Schmutzigen Donnerstag bereits Stunden vor dem Urknall in voller Lautstärke Musik aufgelegt wird.»
Reto Küttel, Präsident IG Bahnhofstrasse
«Die Fasnacht gehört allen und niemandem.»
«Kameradschaft und Respekt sind den Vereinsmitgliedern sehr wichtig.» Die vermisst Küttel während der Fasnacht rund um die Bahnhofstrasse. Er ist sich bewusst, dass die Fasnacht sich stark verändert hat in den letzten Jahren: «Die Fasnacht gehört allen und gleichzeitig niemandem.» Die «Kaffeewagen» mit dem immer gleichen Look und die Wagengruppen, die ohne Rücksicht auf andere laute Musik abspielen, missfallen dem Verein sehr. Sie sind in der IG Bahnhofstrasse nicht willkommen.
Es dürfe nicht sein, dass kleine Guggen unter der Egg nicht mehr gehört werden, weil am anderen Reussufer die Bässe dröhnen. «Es kann doch nicht sein, dass am Schmutzigen Donnerstag bereits Stunden vor dem Urknall in voller Lautstärke Musik aufgelegt wird.»
«Die Musik ist extrem laut und mit Fasnachtskultur haben diese Raver gar nichts mehr zu tun. Mir fehlt der gemeinsame Konsens.»
Linus Jäck, Präsident der Vereinigten Guggenmusigen Luzern
Vereinigte unterstützen Initiative
Auch für Linus Jäck, Präsident der Vereinigten Guggenmusigen Luzern, ist das Gebaren der Techno-Leute auf der Bahnhofstrasse ein grosses Problem. «Die Musik ist extrem laut und mit Fasnachtskultur haben diese Raver gar nichts mehr zu tun. Mir fehlt der gemeinsame Konsens.» Oftmals würden die Technowagen die Regler noch weiter nach oben schieben, wenn eine Gugge vorbeiläuft. Das gelte auch für laute Wagen mit anderem musikalischen Stil wie Schlager oder Rock.
Die Idee einer IG für Fasnachtswagen ist nicht neu. Ähnliche Gruppierungen für andere Hot Spots der Luzerner Fasnacht gibt es bereits. Reto Küttel ist neben der IG Bahnhofstrasse auch noch Interimspräsident der IG Jesuitenplatz. Vor der Gründung der IG Jesuitenplatz 2010 herrschten laut Küttel «katastrophale Zustände». Es kam zu Machtkämpfen, Unstimmmigkeiten und sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen den Fasnächtlern. Die Vereinigung der Fasnachtswagen auf dem Jesuitenplatz hat dem ein Ende gesetzt.
Für Küttel geht es auch darum, Plätze für die traditionellen Fasnachtswagen zu schützen. Der Verein stelle sicher, dass seine Mitglieder einen Platz zur Verfügung haben. Die IG habe sich bewährt, darum versuche man dasselbe auf der Bahnhofstrasse. Geplant ist ausserdem eine Miniatur-Guggerbühne für Kleinformationen und Musiken mit nur wenigen Mitgliedern. Auch vonseiten der Zünfte und der Kulturfasnächtler wird die IG unterstützt.
«Die IGs sind eine gute Plattform, um Konflikte zu lösen und miteinander ins Gespräch zu kommen.»
Bruno Spörri, Medienchef des Lozärner Fasnachtskomitees
Fehlendes Bewusstsein für Guggenmusigen
Der Medienchef des Lozärner Fasnachtskomitees LFK, Bruno Spörri, findet die Gründung der IG Bahnhofstrasse eine gute Sache und verweist auf den Erfolg der bestehenden Vereine auf den anderen Plätzen. Er plädiert für ein respektvolles Nebeneinander der verschieden Fasnachtsgruppen. Für ihn fehlt es bei den Techno-Leuten nicht unbedingt am Respekt, eher am Bewusstsein für die Bedürfnisse der Guggenmusigen und Sujetgruppen. «Die IGs sind eine gute Plattform, um Konflikte zu lösen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Wenn man mit den Betroffenen redet, stellen die auch die Musik leiser, wenn eine Guggenmusig vorbeiläuft.»
Auch der Präsident der Vereinigten Guggenmusigen, Linus Jäck, findet, die IG Bahnhofstrasse gehe den richtigen Weg, weil sich dann die verschiedenen Akteure untereinander vernetzen und gegenseitig unterstützen könnten. Das habe auch einen Vorteil in der Kommunikation mit der Stadt Luzern. Mit der IG sei eine klare Ansprechperson vorhanden. Die Interessensgemeinschaft könne viel besser Druck auf die schwarzen Schafe ausüben und diese zum Einlenken bewegen.
«Respektvoller Informations- und Meinungsaustausch zwischen der Stadt und den IGs»
Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Entwicklungen
Stadt Luzern sind die Hände gebunden
Die Stadt Luzern hat in Zusammenarbeit mit dem LFK, den Kult-Ur-Fasnächtlern und den Vereinigten Guggenmusigen eine Wegleitung verfasst. Darin wird zur gegenseitigen Rücksichtnahme aufgerufen, insbesondere gegenüber Musikformationen und Gruppierungen, welche eine Darbietung oder ein Theater einstudiert haben – inklusive Abschaltung der Musikanlage während der Vorstellung.
Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen, bestätigt den «respektvollen Informations- und Meinungsaustausch zwischen der Stadt und den IGs». Mehr als Empfehlungen und Apelle an die Techno-Fans liegen aber nicht drin: Da die Fasnacht weitestgehend bewilligungsfrei ist, könne auf bestehende Kriterien, Auflagen und Bedingungen nicht Bezug genommen werden.
Es liegt also vor allem in der Verantwortung der Teilnehmer selbst, für eine rüüdige Fasnacht zu sorgen.
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