Steuern: Warum alle den billigen Jakob geben

Zug auf der Jagd nach neuen Firmen – so stark ist die Konkurrenz wirklich

Dublin, Zug, Singapur – Orte mit mildem Steuerklima.

(Bild: flickr/zentralplus)

«Unser Kanton muss wettbewerbsfähig bleiben.» Bei jeder Steuervorlage und Abstimmung über Finanzen hört man das gleiche Mantra. So will der Kanton Zug wegen dem Wegfall von Steuerprivilegien seine Gewinnsteuer per 2019 voraussichtlich auf 12 Prozent senken. Doch: Sitzt uns die Konkurrenz wirklich so stark im Nacken?

«Steuern sind ganz klar der Türöffner», sagt Bernhard Neidhart, der Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit im Kanton Zug. Wenn eine Firma überlegt, sich im Kanton Zug anzusiedeln, dann sei das milde Steuerklima das beste Argument, um mit den Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen.

Sie purzeln immer weiter nach unten: Gewinnsteuersätze in den Schweizer Kantonen 2016.

Sie purzeln immer weiter nach unten: Gewinnsteuersätze in den Schweizer Kantonen 2016.

(Bild: KPMG Schweiz)

«Aber wichtig ist nicht nur, dass wir in die engere Auswahl als Standort kommen», sagt Neidhart. «Wichtig ist, den Zuschlag zu erhalten.» Da wirds Zeit für eine Übersicht. Mit wem steht der Kanton Zug im Wettbewerb?

Die ganze Zentralschweiz ist eine Oase

Wie das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG in seinem «Swiss Tax Report 2016» zeigt, hat Zug zwar niedrige Unternehmenssteuern, aber keineswegs die niedrigste Belastung: Alle anderen Zentralschweizer Kantone schröpfen ihre Firmen (in den Hauptorten) noch weniger als Zug.

Letztes Jahr war Luzern mit 12,3 Prozent am billigsten, gefolgt von Ob- und Nidwalden. Zug notierte bei 14,6 Prozent. Am teuersten in der Zentralschweiz war Schwyz (15,7 Prozent), im ganzen Land ist es Genf mit 24,4 Prozent.

Doch die wahre Konkurrenz sitzt im Ausland: International sind gemäss KPMG die Kanalinseln günstiger als Zug, ebenso wie einige Länder in Ost- und Südeuropa. Hauptkonkurrent der Schweizer Tiefsteuerorte ist aber Irland mit einem ordentlichen Gewinnsteuersatz von 12,5 Prozent. In dieser Liga kann momentan einzig Luzern mithalten, Zug will dort aber ebenfalls bald mitspielen.

Zurzeit liegt der ordentliche Satz bei 14,6 Prozent, steuerlich privilegierte Gesellschaften bezahlen allerdings nur 8 bis 11 Prozent. Wir sehen: Bei den sogenannten Statusgesellschaften ist Zug im Moment bei den absoluten Top-Discountern mit dabei – vergleichbar mit Montenegro, das lediglich 9 Prozent Gewinnsteuern einfordert. Einzig die Kanalinseln und ein paar exotische Destinationen sind unschlagbar – die wollen gar nichts.

Neuer Steuerwettbewerb bricht aus

Im kommenden Februar wird über die  Unternehmenssteuerreform III abgestimmt. Diese schafft zwar neue Möglichkeiten für Steuererleichterungen (für Lizenzen, Patente, Forschungsgelder und Zinsen). Sie räumt aber vor allem mit den alten kantonalen Privilegien bei den Gewinnsteuern auf. Sagt das Volk an der Urne Ja, müssen Domizil-, Holding und gemischte Gesellschaften ab 2019 den gleichen Steuersatz zahlen wie alle andern Unternehmen.

«Steuern sind ein Türöffner.»

Bernhard Neidhart, Amt für Wirtschaft und Arbeit

Da zahlreiche Kantone durch den Wegfall der Privilegien einen Wegzug von Firmen befürchten, denken nun viele daran, vorbeugend den Gewinnsteuersatz zu senken. Die Waadt – wie Zug ein Kanton mit vielen steuerbegünstigten Firmen – hat bereits beschlossen, den Steuersatz massiv auf einheitliche 13,8 Prozent zu senken.

In Zug strebt Finanzdirektor Heinz Tännler mit der Umsetzung der USR III einen einheitlichen Steuersatz von «rund 12 Prozent» an. (zentralplus berichtete).

Hong Kong ist günstiger, Dublin und Singapur teurer

Diese in Zukunft geplanten 12 Prozent Gewinnsteuern für Unternehmen entsprechen dem derzeitigen tatsächlichen Durchschnittssteuersatz (effective average tax rate). Das Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Basel verwendet diese Kennzahl in seiner Studie «BAK Taxation 2016» um darzustellen, wie stark die Steuern ordentlich besteuerte Unternehmen effektiv belasten.

Dafür wird eine gewichtete Mischrechnung angestellt, bei der neben Gewinnsteuern auch allfällige Kapital- und Grundsteuern mit einfliessen. So lassen sich aussagekräftige internationale Vergleiche anstellen.

Die Ökonomen von BAK Basel berücksichtigen dabei auch Regeln zur Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, zum Beispiel zu Abschreibungen und Vorratshaltung. Die Abschreiberegelungen sind in der Schweiz oft sehr grosszügig, deshalb kommt Zug auch auf 12 Prozent Steuerbelastung, obwohl der Gewinnsteuersatz bei 14,6 Prozent liegt.

Effektive Steuerbelastung für Unternehmen: In Zug niedrig, in Metropolen oft ganz schön hoch.

Effektive Steuerbelastung für Unternehmen: In Zug niedrig, in Metropolen oft ganz schön hoch.

(Bild: BAK Basel Economics)

Es zeigt sich, dass verschiedene Standorte günstiger sind, als der Gewinnsteuersatz allein vermuten liesse. Im internationalen Vergleich ist, gemäss BAK Basel, Hong Kong (9,9 Prozent) günstiger als Zug (12 Prozent). Die oft genannten Billigkonkurrenten Irland (Dublin 13,8 Prozent) und Singapur (15,6 Prozent) belasten ihre Unternehmen geringfügig stärker.

Firmen wollen wissen, woran sie sind

Die Firmen, die nach Annahme der Unternehmenssteuerreform III mehr Steuern bezahlen müssten, sind für Zug immens wichtig: Sie liefern über die Hälfte aller Unternehmensteuern ab. Die Domizilgesellschaften – oft «Briefkastenfirmen» – und die Holdinggesellschaften sind von untergeordneter Bedeutung. Aber die sogenannten «gemischten Firmen» schenken so richtig ein. Das sind 1800 internationale Firmen wie Johnson & Johnson oder Biogen, die teils sehr attraktive Arbeitsplätze bieten und die über 80 Prozent ihres Ertrags im Ausland erwirtschaften.

 

 

«Wir vom Kanton Zug besuchen jährlich über 130 Unternehmen und tauschen uns aus», sagt Bernhard Neidhart. Natürlich seien Steuern ein Thema. «Wichtig sind für Unternehmen aber Planungs- und Rechtssicherheit.» Ins gleiche Horn stösst Bruno Aeschlimann, der Präsident der Zuger Treuhändervereinigung. «Deswegen wollen wir die Unternehmenssteuerreform III unbedingt.»

Arbeitskräfte sind gefragt

Allerdings sind Steuern nicht das allein entscheidende Kriterium, warum sich ein Unternehmen im Kanton Zug ansiedelt: «Zentral ist die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften», erklärt Neidhart. Dafür brauche es gut ausgebildete Leute vor Ort – aber auch gute Verkehrsanbindungen für Pendler. «35 bis 40 Prozent der Arbeitsplätze im Kanton Zug sind von Zupendlern belegt.» Schliesslich sei es für Firmen auch wichtig, dass benötigte Arbeitskräfte aus dem Ausland zuziehen könnten.

Weitere Standortfaktoren wie Lebensqualität, Natur oder leistungsfähige Behörden fallen für Zug günstig aus. «Wir belegen bei Rankings regelmässig einen Spitzenplatz», sagt Neidhart.

Unternehmensberatung empfiehlt mehr Tagesstätten und Kinderkrippen

Eine Untersuchung der Unternehmensberatungsfirma Arthur D. Little  aus dem Jahr 2009 – laut Neidhart «immer noch sehr relevant» – benennt auch das Verbesserungspotenzial für Schweizer Standorte: Neben niedrigen Steuern wird mehr Flexibilität im Schweizer Arbeitsmarkt angemahnt – obwohl die vergleichsweise schon sehr hoch ist. Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften ist ebenso Thema wie die hohen Immobilienpreise. Und wo die Stadt Zug ein Vorreiterin ist, aber man andernorts noch viel verbessern könnte: «Die ausserfamiliäre Kinderbetreuung wird generell als ungenügend betrachtet.»

In Wilmington ist Verschwiegenheit Trumpf 

Für steuerbegünstigste Zuger Firmen ist nicht nur der Wegfall ihrer Privilegien per 2019 ein Thema. Für einige «Briefkastenfirmen» ist es auch der Automatische Informationsaustausch, den die Schweiz 2017 einführt. Firmenvehikel, in denen noch unversteuertes Geld liegt, suchen Verschwiegenheit. Zwar könnten sie auch in Länder wie Libanon oder Liberia abwandern, in denen immer noch ein striktes Bankgeheimnis gilt. Doch der grösste Standort, der nicht am Automatischen Informationsaustausch teilnimmt, ist die USA. «Ich habe in letzter Zeit aus zweiter Hand nur von vereinzelten Verlagerungen nach Wilmington, Delaware, gehört», sagt Bruno Aeschlimann, der Präsident der Zuger Treuhändervereinigung. Andere Destinationen seien ihm nicht bekannt.

 

Wilmington ist die grösste Stadt des US-Bundesstaats Delaware. Sie hat rund 70’000  Einwohner, doch beherbergt sie mehr juristische als natürliche Personen. Wilmington ist die grösste Steueroase der USA und bezeichnet sich selbst als Unternehmenshauptstadt des Landes. Neben der Diskretion, mit denen ausländische Investoren rechnen können, herrscht mit 8,7 Prozent Gewinnsteuer ein sehr günstiges Steuerklima. Holdings, die Geschäfte im Ausland machen, sind gänzlich steuerbefreit. Daneben gibt es eine moderne Infrastruktur und sehr dienstleistungorientierte Behörden – so wie in Zug.

Trotz der amerikanischen Konkurrenz begrüsst die Zuger Treuhändervereinigung den Automatischen Informationsaustausch.  «Die allermeisten Kunden – Handwerksbetriebe, KMU oder Dienstleistungsfirmen – sind an einer geregelten Situation interessiert», sagt Bruno Aeschlimann. Sie wollten vor allem Rechtssicherheit und Planbarkeit. «Deswegen unterstützen wir auch die Unternehmenssteuerreform III.»

Aeschlimann ist überzeugt, dass reine Briefkastenfirmen ein Auslaufmodell sind: «Der Trend geht klar zu Firmen, die steuerlich gesehen Substanz vorweisen können – also über einen Arbeitsplatz und Angestellte verfügen.»

 

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 29.11.2016, 00:09 Uhr

    Wo führt diese Steuersenkungspolitik hin? In den gesellschaftlichen Abgrund, wo immer mehr Leute ihre Lebenskosten nicht mehr aufbringen können, gleichzeitig einige wenige mit ihren Maseratis und Porsches täglich ihre Kaufkraft demonstrieren. Dazu die staatlich geförderte Paranoia, dass die Goldeier legenden Hühner wegziehen könnten, wenn wir ihnen nicht noch mehr zum Fressen geben.

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