Viele Wähler, wenig Gemeinderäte – SVP hadert

SVP-Chef: «Wir brauchen zwingend mehr gemässigte Leute»

Noch scheint das SVP-Sünneli nicht überall durch. So tut sich die Partei bei Majorzwahlen schwer.

(Bild: fotolia.com/Montage zentralplus)

Diesen Sonntag wird es schon wieder passieren. Schon wieder wird kein SVPler in den Stadtrat gewählt. Und auch im Kampf um die Gemeinderatssitze in den anderen 82 Luzerner Gemeinden kommt die Partei nur harzig voran. Auf Spurensuche mit drei SVP-Grössen. Und einem, der der Volkspartei den Spiegel vorhält.

Nach der überraschenden Wahl von Donald Trump als US-Präsident sollten speziell Journalisten vorsichtiger sein mit Prognosen. Trotzdem: Es würde an ein Wunder grenzen, wenn es diesen Sonntag der SVP-Kandidat Thomas Schärli in den Stadtrat schaffen würde. Zu stark ist die haushohe CVP-Kronfavoritin Franziska Bitzi Staub, zu schwach sind ihre Gegner – nebst Schärli ist dies der parteilose Rudolf Schweizer.

Nur sieben Prozent der Gemeinderatssitze

Einmal mehr also wird die SVP vergebens versuchen, erstmals in ihrer Geschichte einen Sitz in der Stadtluzerner Exekutive zu erobern. Trotz einiger Erfolge tut sich die Volkspartei auch in den Gemeinden schwer. Zwar konnte sie bei den Wahlen diesen Frühling um 4 auf 28 Sitze zulegen. Im Vergleich zur CVP mit 190 von 395 Gemeinderatssitzen oder der FDP mit 111 ist das aber noch sehr wenig. Speziell, wenn man bedenkt, dass die SVP bei den nationalen Wahlen letzten Herbst einen Wähleranteil von gut 28 Prozent erreicht hat und damit stärkste Partei im Kanton Luzern geworden ist. Ihr Anteil an Gemeinderatssitzen liegt jedoch nur bei gut sieben Prozent.

 

Schwer tut sich die Partei auch in den grossen Gemeinden/Städten. So stellt sie nur in Emmen (30’000 Einwohner, mit Urs Dickerhof) und Horw (13’000, mit Robert Odermatt) einen Gemeinderat. In Kriens (27’000), Ebikon (13’000), Meggen (7000), Sursee (9000) und Willisau (7700) rannte die SVP zuletzt vergebens an. Am stärksten ist die Partei noch im Wahlkreis Entlebuch, wo sie sieben von 41 Gemeinderatssitzen besetzt.

«Hier sind andere Wesenszüge gefragt»

Woran liegt’s? Franz Grüter leitet seit 2012 als Präsident die Geschicke der kantonalen SVP. Er sagt: «Bei Majorzwahlen braucht es Personen, die über die Parteigrenzen hinweg akzeptiert und mehrheitsfähig sind. Hier sind andere Wesenszüge gefragt als bei Legislativpolitikern.» Exekutivpolitiker müssten gemässigter, leiser auftreten und weniger auf Konfrontation gehen.

SVP-Präsident Franz Grüter ist froh darüber, gibt es die SVP, die das «Asylchaos» zum Thema macht.

SVP-Präsident Franz Grüter ist froh darüber, gibt es die SVP, die das «Asylchaos» zum Thema macht.

(Bild: zvg)

Bestes Beispiel dafür sei Paul Winiker, der letztes Jahr zur Überraschung vieler auf Kosten der SP in die Luzerner Regierung gewählt wurde. Winiker war davor Kantonsrat und Gemeindepräsident in Kriens – nun ist er der prominenteste SVP-Vertreter in einer Luzerner Exekutive. Grüter zu den Gründen: «Nebst seinem guten Leistungsausweis war Paul Winiker als Politiker breitestens über die Parteigrenzen hinaus akzeptiert.» Winiker selbst nimmt dazu auf Anfrage von zentralplus keine Stellung. Als Regierungsrat halte er sich aus parteistrategischen Diskussionen raus.

Historischer Kampf gegen die Roten und Schwarzen

Für die harzige Entwicklung in den Gemeinden – die SVP hatte sich vor den Wahlen 2016 doppelt so viele Sitzgewinne erhofft – macht Grüter aber noch andere Gründe geltend. «Die Roten und die Schwarzen, also CVP und FDP, haben sich die letzten 150 Jahre die Macht geteilt und gesichert.» Das sei lange in den Köpfen der Bevölkerung verankert gewesen. «Nun ist vor 25 Jahren die SVP gestartet und hat bereits fast einen Drittel der Stimmen geholt. Den Leuten wird dadurch immer mehr bewusst, dass wir das alte Schema aufgebrochen haben.» Bis sich dieses Bewusstsein richtig gesetzt habe und die SVP auch gemäss ihrem Wähleranteil in den Exekutiven vertreten sei, dauere es aber wohl noch eine Generation.

«Wir brauchen zwingend mehr Leute, die gemässigter auftreten.»

Franz Grüter, Präsident SVP Luzern

Grüter räumt jedoch ein: «Früher war die SVP eine absolute Protestpartei, unsere Legislativpolitiker führten einen harten Kurs – waren dadurch aber oft nicht mehrheitsfähig. Nun brauchen wir zwingend mehr Leute, die gemässigter auftreten und dadurch Chancen bei Majorzwahlen haben.» Durch den Erfolg der letzten Jahre sowie die Gründung von mittlerweile 72 Ortsparteien kommen laut Grüter immer mehr solcher Personen auf die Partei zu.

Dickerhof: Gewählt trotz Polteri-Image

Der zweitbekannteste «SVP-Promi» in Luzern ist Urs Dickerhof. Seit 12 Jahren sitzt er im Emmer Gemeinderat. Drei Mal wurde er seither an der Urne bestätigt – wenn auch stets mit einem schlechten Resultat. 2011 scheiterte er grandios als Regierungsratskandidat, 2013 wurde er immerhin als Kantonsratspräsident gewählt. Das spannende an ihm: Er war vor seiner Wahl in den Gemeinderat ein richtiger Polteri und entsprach damit überhaupt nicht dem von Grüter umschriebenen Idealtypus eines gemässigten Exekutivkandidaten. Zudem wurde er bei der Ersatzwahl vor 12 Jahren von keiner anderen Partei unterstützt.

Der Emmer SVP-Gemeinderat Urs Dickerhof.

Der Emmer SVP-Gemeinderat Urs Dickerhof.

(Bild: zVg)

Dickerhof sagt selbst: «Ich habe als Emmer Einwohnerrat stets mit dem Zweihänder argumentiert. Ich war kein Leiser.» Warum er trotzdem gewählt wurde, erklärt er sich so: «Die Wähler haben den Bock, also mich, zum Gärtner gemacht. Die haben sich gesagt: Wenn er doch alles besser weiss, soll er es auch beweisen.» Es sei einfach der richtige Moment gewesen. Dickerhof widerspricht deshalb Franz Grüter teilweise: «Hardliner haben bei uns sicher keine Chance. Aber in den Gemeinden, wo die SVP bereits stark ist, haben je nach Ausgangslage auch pointiertere Kandidaten eine Chance, gewählt zu werden.»

Stadt ist hartes Pflaster für SVP

Zurück in die Stadt Luzern. Peter With präsidiert die städtische SVP seit 2012, ein Jahr zuvor konnte er ins Stadtparlament nachrutschen. Diesen Frühling kandidierte er bei den Gesamterneuerungswahlen gleich selbst für den Stadtrat, hatte allerdings keine Chance. Diesen Sonntag geht’s «nur» noch um die Ersatzwahl des zurückgetretenen Stadtpräsidenten Stefan Roth, und da lässt With den jungen Thomas Schärli anrennen. In der Stadt kommt die SVP kaum vom Fleck und konnte im Frühling auch keinen zusätzlichen Sitz im Parlament erobern. Aktuell sitzen dort bloss auf sieben von 48 Stühlen SVPler.

Peter With (SVP, am Mikrofon) forderte, dass die Stadt auch mit dem Auto gut erreichbar bleibe. Daneben Beat Züsli (SP).

Peter With (SVP, am Mikrofon) forderte, dass die Stadt auch mit dem Auto gut erreichbar bleibe. Daneben Beat Züsli (SP).

(Bild: Jakob Ineichen)

Wie Grüter ist auch With überzeugt, dass die SVP für Majorzwahlen auf konsensfähige Kandidaten mit gutem Leistungsausweis setzen muss. Allerdings sei das nicht eben einfach: «Speziell in der Stadt, wo die Bürgerlichen keine 50 Prozent Stimmen machen.» Sehr schwierig sei zudem, ganz gezielt geeignete Kandidaten aufzubauen. «Diese Leute führen oft ein eigenes Unternehmen und tragen dadurch eine Verantwortung. Diese Personen kann man nicht einfach über ein paar Jahre hinweg aufbauen – und dann klappt es mit der Wahl eventuell doch nicht.» With beschränkt seine Suche deshalb vorwiegend auf Kantons- oder Stadtparlamentarier.

Stadtratskandidat passt nicht ins Bild

Wie Grüter und With schätzt auch der Luzerner Politologe Olivier Dolder von Interface Politikstudien die Situation ein: «Bei Majorzwahlen brauchen speziell Polparteien wie die SP oder die SVP Stimmen aus anderen politischen Lagern, sprich aus der Mitte. Das schaffen sie in der Regel nur mit gemässigten Kräften.» Dolder sieht darin auch die Schwierigkeit der SVP. «Deren Erfolg besteht darin, sehr pointiert Oppositionspolitik zu betreiben. Das steht im Widerspruch zu dem, was es für Exekutivmitglieder braucht.» Trotzdem geht Dolder davon aus, dass die SVP auch in den nächsten Jahren an Gemeinde- oder Stadtratsmitgliedern wird weiter zulegen können.

Ironie der Geschichte: Die beiden SVP-Präsidenten sind sich über den idealen SVP-Kandidaten für ein Exekutivamt einig. Dass der diesen Sonntag zur Wahl stehende Thomas Schärli diesem Bild bei Weitem nicht entspricht, können sie nicht in Abrede stellen. «Das haben unsere Mitglieder entschieden», sagt With knapp. «Wählen heisst auswählen! Insofern begrüsse ich die SVP-Kandidatur in der Stadt», gibt sich Grüter professionell pragmatisch.

Mit ähnlich grober Personalnot hatte letztes Jahr auch die Krienser SVP zu kämpfen. Nach der Wegwahl von SVP-Gemeindepräsident Paul Winiker in die Luzerner Regierung blamierte sich die Ortspartei, indem sie gleich zwei nicht mehrheitsfähige Kandidaten portierte. Und die Bevölkerung dann prompt mit Franco Faé lieber auf einen zweiten CVP-Vertreter setzte und die SVP aus dem Gemeinderat warf.

Dazu passt die Aussage von Politologe Olivier Dolder (der über Schärli schon in einem früheren Interview gesagt hat: «Stadtrat wird man so nicht»). Dolder bilanziert: «Die SVP ist in den letzten Jahren stark gewachsen – an geeigneten Kandidaten für Majorzwahlen fehlt es ihr aber oft noch, wie die Nomination von Schärli zeigt.»

Hinweis: Hier finden Sie unsere drei grossen Wahl-Interviews mit

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