Gestylt, geschminkt und nach Kuhmist stinkend
Rickenbach hat dieser Tage ungewöhnlichen Besuch. Mitten im idyllischen Niemandsland versuchen sich werdende Missen im Traktorfahren und Küheputzen. Die «RS für die Missen» soll die Miss-Earth-Schweiz-Kandidatinnen auf eine mögliche Wahl vorbereiten. Dabei profitiert der Bauer vom Scheinwerferlicht und die «Mädchen» vom Kuhmist.
Cléa, Jessica, Sarah. Nein, das sind nicht die Kühe im Stall von Bauer Fritz, sondern die Namen einiger Miss-Earth-Schweiz-Kandidatinnen, die sich am nebligen Montagnachmittag im Aufenthaltsraum ebendieses Bauern den Medien stellen.
Das Missen-Camp auf dem Bauernhof
In Rickenbach, weit oberhalb des Sempachersees, sind die zehn aktuellen Miss-Earth-Schweiz-Kandidatinnen im Vorbereitungscamp. Und zwar nicht im mondänen Luxushotel, sondern auf dem Biohof von Fritz Neuenschwander – genannt Bauer Fritz.
Die jungen Frauen – eine schöner als die andere, das muss man ihnen lassen – werden auf dem Hof für das möglicherweise bald anstehende Missen-Jahr fit getrimmt. Das bedeutet: Schulungen für öffentliches Auftreten und Persönlichkeitsentwicklung oder Catwalk-Trainings. Dennoch ist hier einiges anders als bei konventionellen Miss-Wahlen.
90-60-90 und noch mehr?
So helfen die Kandidatinnen Bauer Fritz auch beim Äpfelauflesen, Küheputzen oder seiner Frau in der Küche. «Eine Art RS für die Miss», sagt Andreas Allenspach, Geschäftsführer des Agrotourismus Schweiz, lachend. Denn die Miss Earth Schweiz soll mehr sein als bloss 90-60-90. Oder wie es die Organisatoren auf ihrer Homepage schreiben: «Die Miss Earth Schweiz stellt ihre Schönheit und ihre Ausstrahlung in den Dienst ihrer Mitmenschen und der Umwelt.» Und zwar nicht aufgrund von Mode oder Trends, sondern aus Überzeugung.
«Wenn bei allen Kandidatinnen in allen elf Jahren lediglich fünf Prozent des vermittelten Wissens hängen bleiben, dann haben wir das Ziel erreicht.»
Tanja Marcic, die Leiterin der Miss Earth Schweiz Organisation GmbH
Noble Zwecke, aber noch keine Pläne
Klingt ganz gut, ist aber auch ganz schön unkonkret. Ähnlich ist es bei den Miss-Earth-Schweiz-Kandidatinnen. Sie alle haben einen Grund, warum sie die Wahl gewinnen wollen: Yoëlle aus Fribourg will die Organspende bekannter machen, Ariana aus Sursee will den bewussten Fleischkonsum fördern (Bio und im Mass) und Alexandra aus dem Wallis will sich persönlich mehr für die Menschheit einsetzen.
Noble Zwecke, welche die Missen mit ihrer Wahl erfüllen wollen. Wie sie das konkret machen wollen, wissen aber alle drei noch nicht so genau. Zugegeben, einfach umzusetzen ist es nicht. Sicher sind sie sich dennoch: Sie werden mehr Medienaufmerksamkeit bekommen und diese dafür einsetzen.
Überrumpelte Missen
Ob es die Medienaufmerksamkeit ist oder der gute Zweck, der die Kandidatinnen zum Mitmachen bewegt, kann wohl nicht pauschal gesagt werden, ohne jemandem Unrecht zu tun. Tanja Marcic, die Leiterin der Miss Earth Schweiz Organisation GmbH, geht es um die Zeichen, die mit der Wahl gesetzt werden. Sie sagt es so: «Wenn bei allen Kandidatinnen in allen elf Jahren lediglich fünf Prozent hängen bleiben von dem, was wir ihnen hier vermitteln – soziale und ökologische Werte –, dann haben wir das Ziel erreicht.»
Dennoch löst der Anblick eines Kameramannes, der die Kandidatinnen dabei filmt, wie sie in engen Jeans, Mantel und Stiefeln wahlweise die Ziegen oder die Esel füttern (siehe Video), kognitive Dissonanzen aus. Nur schon, weil kein Bauer mit rot lackierten Fingernägeln im Stall steht. Oder weil die Missen zu schön frisiert und geschminkt wirken, als dass es ihnen egal wäre, gleichzeitig nach Ziege zu riechen.
So tummeln sich auf dem Hof munter die Gegensätze: Nebst der bodenständig freundlichen Bäuerin Janine werkeln perfekt aussehende Visagistinnen und Stylistinnen, zur Bauernlehrtochter gesellen sich Journalisten und mittendrin: die ein bisschen überrumpelten Missen («War das jetzt ein Interview?»).
Kühe im Scheinwerferlicht
Trotzdem ist man gegenseitig voll des Lobes. Bauer Fritz jedenfalls rühmt seine Gäste nach dem ersten Tag. «Es ist eine spannende Erfahrung und Berührungsängste haben die jungen Frauen keine.» Und Tanja Marcic rühmt die Bäuerin für die tolle Küche und den Hofherrn für seine Windräder, Solarzellen und Bioprodukte.
«Das ist die beste Werbung, die wir haben können.»
Bauer Fritz
Die Einzigen, die dem Spektakel misstrauisch zuschauen, sind die Kühe, die den ganzen Nachmittag ins Scheinwerferlicht blinzelten. Doch das tut nicht viel zur Sache, denn der Bauer Fritz bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: «Das ist die beste Werbung, die wir haben können.»
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