Zug: Aufregung wegen übertünchter Jesusbilder

«Man macht aus einem Umbauprojekt eine Religionsdebatte»

Die Kapelle des alten Kantonsspitals vor der Malaktion. Der Schweizer Maler Fritz Pauli hatte sie 1938 mit sechs Szenen aus der Leidensgeschichte Christi vollständig ausgemalt.

(Bild: PD/Alois Ottiger)

Im alten Zuger Kantonsspital, wo momentan Asylbewerber leben, hat das Hochbauamt christliche Bilder übermalen lassen. Dies führte im Kantonsrat zu einer emotionalen Debatte (zentralplus berichtete). Verantwortlich ist die Baudirektion und damit deren Chef Urs Hürlimann (FDP). Er finde die Debatte aber etwas konstruiert.

In der Kapelle des alten Kantonsspitals, das als Asylunterkunft zwischengenutzt wird und abgebrochen werden soll, zierte ein sechsteiliger Bilderzyklus zur Passion Christi die Wände. Gemalt 1938 vom Schweizer Maler Fritz Pauli. Laut Denkmalpflege jedoch nicht schützenswert. Weil die Bilder wegen der Asyl-Zwischennutzung mit weisser Farbe übertüncht wurden, ist ein Politikum daraus geworden.

«Aufschrei in Zug: Jesusbilder in Asylheim übermalt», titelte der «Blick» in grossen Lettern. Es gab viele Leserkommentare. Die einen befürchten eine «schleichende Islamisierung». Andere finden die Debatte absurd, da das Spital ja sowieso abgerissen werde. «Fakten sind out, Hetze und Angstmacherei in», schreibt ein Luzerner. Ein Zuger meint, er vermisse den grossen Aufschrei bei der Umnutzung von Kirchen zu anderen Zwecken.

GLP und CVP verlangten Auskunft

Auslöser der emotionalen Debatte war eine Interpellation von Daniel Stadlin (GLP) und Richard Rüegg (CVP) an den Regierungsrat. So wollten sie wissen, ob die Bilder übermalt wurden, «weil der Raum jetzt vor allem für Personen aus anderen Religionen genutzt wird». Warum diesen Personen christliche Inhalte nicht zuzumuten seien. Und warum man die Bilder nicht mit Tüchern abgedeckt oder fachgerecht abgelöst habe (statt sie zu zerstören).

Stadlin fand im Kantonsrat, die regierungsrätlichen Antworten seien «völlig inhaltsleer». Der FDP-Baudirektor Urs Hürlimann musste an der Kantonsratssitzung vom Donnerstag den Kopf hinhalten und erklären, wie das Ganze gelaufen ist. Der Grund: Laut Hürlimann wollte man den Raum mit der Aktion heller machen.

 

Der Zuger Baudirektor Urs Hürlimann.

Der Zuger Baudirektor Urs Hürlimann.

(Bild: zvg)

Hitzige «Werte»-Debatte im Kantonsrat

Im Rat entspann sich daraufhin eine hitzige Debatte um den Umgang mit christlichem Kulturgut. Die CVP sprach von einer «Nacht-und-Nebel-Aktion», in der die Bilder übermalt worden seien. Für die SVP ist das Übermalen der Passion ein «exemplarisches Beispiel, das zeigt, wie man mit unserem Erbe umgeht». Und die ALG fand das Vorgehen der Regierung wie auch der Interpellanten unsensibel. Es wirke so, als ob Asylbewerbenden christliche Symbole unzumutbar wären.

Der Raum nach der Übertünchung des Bilderzyklus mit weisser Farbe.

Der Raum nach der Übertünchung des Bilderzyklus mit weisser Farbe.

(Bild: PD/Alois Ottiger)

Daniel Stadlin: «Gefährliche Entwicklung»

Einen Tag später, nachdem der Pulverdampf weg ist, hat zentralplus bei den Involvierten nachgehakt. Ist GLP-Kantonsrat Daniel Stadlin ein strenggläubiger Christ, dass ihm dies so nahe geht, wollten wir wissen. «Nein», sagt er auf Anfrage, «ich bin zwar katholisch, aber nicht praktizierend und gehe vielleicht zwei Mal im Jahr in die Kirche. Ich sehe mich in erster Linie als einen Christen.» Es gehe nicht darum. «Ich finde es bedenklich und auch gefährlich, dass wir selber unsere auf dem Christentum basierende Kultur auslöschen und uns damit von ihr entfernen.» Die Sache mit der Kapelle sei ihm von jemandem zugetragen worden, erklärt Stadlin.

Daniel Stadlin meint, das Argument der schlechten Beleuchtungsverhältnisse in der Kapelle sei für ihn «fadenscheinig». «Ich gehe vielmehr davon aus, dass man den Asylbewerbern das Bild nicht zumuten wollte.» Dabei wäre es für diese vielleicht gar kein Problem gewesen. Doch Regierungsrat Hürlimann habe es vermieden, die Frage klar zu beantworten.

Hürlimann: «Kein Thema im Regierungsrat»

Urs Hürlimann sagt auf Anfrage zum ausgelösten Wirbel: «Ich habe natürlich Verständnis für die Aufregung. Alles, was mit Religion und christlichen Werten zu tun hat, ist sehr sensibel.» Er sei selbst ein überzeugter Christ. Aus der Medienberichterstattung gewinne man den Eindruck, als sei es ein Regierungsratsgeschäft gewesen. Doch laut Hürlimann waren die Bilder und deren Behandlung nie ein Thema an einer Sitzung. «Ich habe den Eindruck, man will jetzt aus dem Umbauprojekt eine Religionsdebatte machen, obwohl dies niemals so beabsichtigt war.»

Das alte Kantonsspital werde ja 2020 abgebrochen. Deshalb wird es für Zwischennutzungen gebraucht. Der Zufall – oder die Notwendigkeit – habe es jetzt mit sich gebracht, dass Flüchtlinge dort einquartiert würden. Mit der Denkmalpflege sei die Frage der Schutzwürdigkeit der Bilder abgeklärt worden. «Das Hochbauamt hat deshalb versucht, eine gute und kostengünstige Lösung für die Zwischennutzung zu realisieren. Es war ein operatives Geschäft der Baudirektion, für das ich die volle Verantwortung übernehme», so der Regierungsrat.

Es sei keinerlei Absicht dahinter gestanden, den Asylbewerbern die Bilder nicht zuzumuten, sagt Urs Hürlimann. Er ziehe seine Lehre aus dem Vorfall, dass Mitarbeiter ihn in einer ähnlichen brenzligen Situation in Zukunft orientieren müssten.

Andreas Tunger-Zanetti ist Religionsforscher an der Universität Luzern. Seine Einschätzung der Vorfälle in Zug lesen Sie hier:

«Manche Akteure bewirtschaften solche Themen politisch»

zentralplus: Herr Tunger, warum regen sich gewisse Zuger dermassen auf wegen dieser übermalten christlichen Bilder?

Andreas Tunger: Ich deute es als Zeichen von Verunsicherung in einem sensiblen Themenbereich. Es geht um Religion, aber auch um die Identität. Wenn sich etwas ändert, sind die Leute verunsichert. Nicht zuletzt aufgrund der vielen anderen Umbrüche in der Gesellschaft. Verunsichert sind die Leute unter anderem durch sichtbare Präsenz anderer Religionen. Aber auch, weil ihre eigene religiöse Identität zu einem unsicheren Gebäude geworden ist. Man ist noch Kirchenmitglied, geht aber nur noch selten hin und kennt sich auch nicht mehr so gut aus in religiösen Fragen. Trotzdem: Wenn sich da etwas verändert, ist der Protest schnell entfacht.

Andreas Tunger-Zanetti ist Religionsforscher an der Universität Luzern.

Andreas Tunger-Zanetti ist Religionsforscher an der Universität Luzern.

(Bild: zvg)

zentralplus: Besinnen sich die Menschen wieder vermehrt auf den christlichen Glauben zurück oder geht es um etwas anderes in der Debatte in Zug?

Tunger: Ich sehe eher ein irritiertes Innehalten, als dass man sich auf christliche Inhalte zurückbesänne. Aber wie Sie es antönen, geht es auch um etwas anderes: Ein Gefühl von Heimatlosigkeit, man fühlt sich im eigenen Land nicht mehr daheim. Wenn manche Stimmen gleich unlautere Motive hinter der Malaktion vermuten, wird aber noch etwas anderes sichtbar: Manche Akteure bewirtschaften solche Themen politisch. Der Effekt verstärkt sich, indem die Medien darüber berichten, sodass sich manche Leute noch mehr aufregen.

zentralplus: Die meisten Leute sind ja sehr kirchenfern. Könnte sich das ändern in Zukunft?

Tunger: Aus religionssoziologischer Perspektive stellen wir kein Kirchen-Revival fest, auch kein markantes Aufleben christlicher Praxis oder des Interesses an der christlichen Religion insgesamt. Die Grundströmung ist weiter von Individualisierung und Säkularisierung geprägt: Christliche Identität wird vielfältiger und kirchenferner. Dieser Trend wird durch solche Vorfälle nicht infrage gestellt. Man kennt sich also allgemein weniger aus, auch im angeblich Eigenen. Umso leichter löst die erlebte Veränderung – in diesem Fall die übermalten Bilder – Unwohlsein aus.

zentralplus: Finden Sie es schlimm, dass diese religiösen Bilder übermalt wurden?

Tunger: Wenn die Übermalung ihren korrekten behördlichen Gang genommen hat, finde ich es nicht schlimm. Man hat einfach ein Bild, das nicht als schützenswert eingestuft war, übermalt. Es entstehen ja auch wieder neue christliche Bilder. Religion verändert sich.

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