Zweideutige Angebote an der Zuger Hochzeitsmesse

«Wie wär’s mit Erotik-Fotografie?»

Spitze sei dieses Jahr der Trend bei den Frauen. Bei den Männern ist es der Stehkragen, sagt die Verkäuferin dieser Kleider. (Bild: zentralplus/bas)

Alleine als Frau an die Zuger Hochzeitsmesse? Das scheint keine gute Idee zu sein. Nebst mitleidigen Blicken gibt’s für die Autorin Angebote für Erotikfotografie und Bauchweh von zu vielen Gummi-Herzen. Eine Reportage über käufliches Glück und standardisierte Träume. 

«Ach, Sie heiraten gar nicht? Ich habe trotzdem was für Sie. Haben Sie sich schon mal überlegt, erotische Fotos von sich machen zu lassen?», fragt mich eine kleine, etwas füllige Frau im knallpinken Mantel und einer violett gerahmten Brille an der Zuger Hochzeitsmesse an. Sie streckt mir eindeutige Bilder entgegen und sagt augenzwinkernd: «Die gefallen auch dem Freund.»

Der K.O.-Schlag

Wäre die Hochzeitsmesse ein Boxkampf, dann wäre diese Episode der endgültige K.O.-Schlag. Denn sie trifft mich im geschwächten Zustand. Bis dahin habe ich gefühlten tausend mitleidigen Blicken standgehalten, weil ich alleine mit meinem silbernen Glücksballon durch die Messe schlendere. «Wo ist denn Ihr Schatz? Haben Sie den abgehängt?», bringt es eine Herrenmode-Verkäuferin stellvertretend für all die Blicke auf den Punkt.

Hochzeits-(Alb-)Träume

Die Zuger Hochzeitsmesse. In nur kurzer Zeit habe ich unzählige Torten angeguckt, Gummi-Herzen gegessen und Prosecco geschlürft, Locations studiert, Eheringe, Blumen und massenhaft anderweitige Hochzeits-(Alb-)Träume begutachtet.

Sogar das Dessert wird speziell auf die Hochzeit abgestimmt. Zwei Frauen lassen sich gerade beraten. (Bild: zentralplus/bas)

Sogar das Dessert wird speziell auf die Hochzeit abgestimmt. Zwei Frauen lassen sich gerade beraten. (Bild: zentralplus/bas)

Es wird klar: Willst du heiraten, reicht die grosse Liebe, ein simples «Ja, ich will» und eine Unterschrift nicht. Das zumindest suggeriert die Messe. Und das scheinen all die selig lächelnden Pärchen ohne Wenn und Aber zu akzeptieren: Sie lassen sich von Fotografen einlullen, designen ihre Eheringe und hören sich interessiert die Weisheiten des DJs an («Wenn es eine reine Schweizer Gesellschaft ist, dann spiele ich andere Musik, als wenn noch andere Kulturen dabei sind. Darauf kann ich musikalisch eingehen»).

Das grosse Geschäft mit der Liebe

Ohne rosarote Brille auf scheint die Hochzeit an dieser Messe aber ein perfides Geschäft mit der Liebe zu sein. An jeder Ecke werden einem (Mädchen-)Träume und Glück verkauft: Einen Tag Prinzessin sein, das pompöse Kleid dazu, ein bisschen professionelles Makeup, die Haare schön frisiert und in Szene gesetzt, von einem Fotografen abgelichtet. Auch als gestaltetes Fotobuch und Video zu haben. Macht dann ungefähr 10’000 Franken, rechne ich mir aus. Und dann ist’s billig.

Pastellfarben, Pomp und Harfen ist die allgemeine Stilrichtung für Hochzeiten gemäss der Messe, auch an diesem Dekorations-Stand. (Bild: zentralplus/bas)

Pastellfarben, Pomp und Harfen ist die allgemeine Stilrichtung für Hochzeiten gemäss der Messe, auch an diesem Dekorations-Stand. (Bild: zentralplus/bas)

Dabei hat das Glück hier nicht nur seinen Preis, sondern auch einen ganz besonderen Stil. Die Romantik, die verkauft wird (Flitterwochen im karibischen Luxusressort, weisse Pferde und schwarze Kutschen, Harfenklänge), ist so banal und ersetzbar und doch sehe ich nur interessierte Besucher. Ich komme nicht darum herum, mir Gedanken zur Liebe zu machen und warum offenbar das Bedürfnis da ist, so viel Geld in den einen Tag zu investieren.

Der ungeküsste Frosch und der Scheidungsanwalt

Doch lange bleibt mir dazu keine Zeit. Eine leicht nervöse Frau überredet mich, bei ihrem Wettbewerb mitzumachen. Man müsse nur dem Pappmaché-Frosch, der in der Ecke stehe, einen Namen geben, erklärt sie. «Dann kann man einen 50-Franken-Gutschein gewinnen. Küssen müssen Sie ihn nicht», sagt sie und lacht etwas zu laut und etwas zu hysterisch. 

Reichlich beladen mit Informationen aller Art verlässt der halbwegs interessierte Besucher die Hochzeitsmesse. (Bild: zentralplus/bas)

Reichlich beladen mit Informationen aller Art verlässt der halbwegs interessierte Besucher die Hochzeitsmesse. (Bild: zentralplus/bas)

Beladen mit Prospekten und Visitenkarten, Balons und Schokolade-Herzen verlasse ich die Hochzeitsmesse. Den Ort, an dem die ewige Zweisamkeit so ausgeprägt zelebriert wird wie kaum irgendwo sonst. Alles ist Liebe, alles ist rosarot und pompös. Wo immer ich beim Hinausgehen hinschaue, sehe ich Pärchen, händchenhaltend. Babybäuche, Pastellfarben und Rosenblätter, so weit das Auge reicht. Von so viel zur Schau gestelltem Glück wird es einem fast schlecht, sogar als glücklicher Zeitgenosse. Doch die kollektive Verliebtheit trübt offenbar auch den Blick für’s möglicherweise bald schon Wesentliche: Der Vermögensberater steht alleine an seinem Stand. Und einen auf Scheidungen spezialisierten Anwalt habe ich auch beim zweiten Rundgang nicht gefunden.

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