Erster Schweizer Repair Day in Luzern mit Rekord

Eine zweite Chance für den alten Sharpy

Seppi lötet, was das Zeug hält.

(Bild: alm)

Am ersten Schweizer Reparaturtag will die Stiftung für Konsumentenschutz den ersten Schweizer Rekord im ehrenamtlichen Reparieren aufstellen. Ich will mithelfen, und begebe mich an diesem Samstag mit meinem geerbten Plattenspieler ins Repair Café im Neubad. Ob meinem Sharpy wohl neues Leben eingehaucht werden kann?

Es gibt Dinge, die man einfach nicht loswird. Oder nicht loswerden will. Die komplett abgewetzten Schuhe, welche einem ans Herz gewachsen sind. Oder, wie in meinem Fall: «Sharpy». Mein Sharpy ist ein alter Plattenspieler der Marke Sharp, der einst meinem verstorbenen Vater gehörte. Viele Jahre hat das klobige, schwere Ding in Serbien verbracht. Ungenutzt, verstaubt, vereinsamt in irgendeiner Ecke.

Als meine Mutter letztens mit dem Auto nach Serbien reiste, bat ich sie, mir auf der Rückreise den Plattenspieler mitzubringen. Ich bekam alle Schande zu hören. Das Ding sei doch schon so alt. Und zu gross. Und sie wisse nicht einmal, ob sie Platz dafür habe im Auto. Und hässlich. Und schwer. Und ich könne mir doch einen neuen kaufen, statt ihr diese Mühe zu bereiten.

«Es ist ein grosses Problem, was heute alles einfach weggeworfen wird, statt es zu reparieren und weiter zu nutzen.»

Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin SKS

Wie meine Mutter aber ist, packte sie schliesslich das «hässliche, schwere Ding» dennoch ins Auto. Nun ist Sharpy in meiner Wohnung. Ungenutzt und verstaubt in einer Ecke. Denn der Transport hat ihn ziemlich mitgenommen – Sharpy gibt keinen Laut mehr von sich.

Mein Sharpy hat den Weg zu Seppi gefunden und Priska begutachtet den Fortschritt. Erst werden die Stecker der Lautsprecher neu verlötet.

Mein Sharpy hat den Weg zu Seppi gefunden und Priska begutachtet den Fortschritt. Erst werden die Stecker der Lautsprecher neu verlötet.

(Bild: alm)

Schlechtes Augenmass

Die Rettung naht aber im Luzerner Neubad: Im Repair Café, das am Samstag im Rahmen des ersten Schweizer Reparaturtags (siehe Box) veranstaltet wurde, kann sicher irgendjemand Sharpy reanimieren. Also packe ich den grössten Rollkoffer in meinem Besitz aus dem Keller, in der Überzeugung, dass Sharpy mit seinen Lautsprechern darin Platz haben wird. Wie man sich täuschen kann … Irgendwie klappt es am Ende mit einer Dennertasche und etwas Murksen.

«Herr Blum lötet. Das Kabel erhitzt sich, was ich an den Fingern deutlich spüre. Es raucht und riecht nach Kunststoff.»

Vom Baby bis zum Senior hat sich bereits eine beachtliche Schar im Neubad versammelt. Eine über 50 Jahre alte Nähmaschine, Ledertaschen, ein Retro-Staubsauger, handelsübliche Schirme und Haushaltsgeräte, Schmuck, ein antikes Telefon, eine Fernbedienung für die Badewanne und etliche weitere Dinge sollen nämlich zu neuem Leben erweckt werden. Ziel ist es, einen Rekord im ehrenamtlichen Reparieren aufzustellen. «Wir wollen heute 1000 Dingen neues Leben einhauchen», sagt Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) und Luzerner SP-Nationalrätin.

Da wir den Plattenspieler aber nicht auseinandermontiert bekommen, landet er auf dem Abstellgleis, bzw. der Abstelltreppe.

Da wir den Plattenspieler aber nicht auseinandermontiert bekommen, landet er auf dem Abstellgleis, bzw. der 
Abstelltreppe.

(Bild: alm)

«Es ist ein grosses Problem»

Zu diesem Zweck werden an diesem Tag an 20 Standorten in der Schweiz Reparaturinitiativen durchgeführt. Die Stiftung SKS koordiniert den Anlass, um für einen nachhaltigeren Umgang mit Gebrauchsgegenständen zu werben. Prisca Birrer-Heimo beobachtet das Geschehen im Neubad. Sie erklärt: «Es ist ein grosses Problem, was heute alles einfach weggeworfen wird, statt es zu reparieren und weiter zu nutzen.»

Doch der Ansturm aufs Neubad lässt hoffen: Zehn ehrenamtliche Helfer sind seit elf Uhr fleissig daran, mit ihrem Fachwissen Dinge aller Art wieder in Stand zu setzen. Sharpy und ich reihen uns in der Warteschlange ein. Füllen am Empfang ein Formular aus und werden Seppi Blum zugewiesen. Der 67-jährige Rentner ist als ehemaliger Elektriker der richtige Mann für den Job.

Wo brennt’s denn?

Er befragt mich über Sharpys Zustand. «Der Drehteller läuft, die Lämpchen leuchten, wenn ich ihn einschalte», erkläre ich. «Aber es kommt kein Ton raus.» Schnell findet Blum heraus, dass die Stecker an den Lautsprechern nicht mehr gut verlötet sind. Er baut sie auseinander, trennt das Kabel vom Stecker. Schritt für Schritt erklärt er geduldig, was er als nächstes tun wird. Er befestigt Kabel und Stecker in einer Halterung. Ich halte das Kabel so, dass die Kupferenden die Verbindungen zum Stecker berühren – und Blum lötet. Das Kabel erhitzt sich, was ich an den Fingern deutlich spüre. Es raucht und riecht nach Kunststoff.

...und ab nach Hause damit.

…und ab nach Hause damit.

(Bild: alm)

Sharpy lässt sich nicht kleinkriegen

War das etwa das Problem? Seppi Blum schliesst die Lautsprecher-Kabel an, schaltet Sharpy ein. Kein Ton. Der alte Plattenspieler muss demontiert werden. Doch es gibt keine Schrauben – das Holzgehäuse ist verleimt. Trotz Drehen und Wenden – Sharpy lässt sich nicht kleinkriegen. Elektriker Benjamin Kirn eilt mit seinem iPad herbei. «Irgendwer wird so ein Ding sicher schon einmal auseinandergebaut haben», sagt er und beginnt eifrig zu googeln: «Sharp SG-309H». Er findet Bilder. Und einen Schaltplan. Doch keine hilfreichen Informationen.

Gegenstände ehrenamtlich repariert

Am ersten Schweizer Reparaturtag sind am Samstag an 20 Standorten in der Schweiz 800 Gegenstände ehrenamtlich repariert worden. 2.4 Tonnen Material, das sonst auf dem Müll gelandet wäre. Die Stiftung für Konsumentenschutz hat den Anlass koordiniert, um die Menschen für einen schonenden Umgang mit Ressourcen und den nachhaltigen Umgang mit Gebrauchsgegenständen zu sensibilisieren. Alleine im Repair Café im Luzerner Neubad konnten zwischen 11.00 und 15.30 Uhr 56 Gegenstände und über 130 Kilogramm Material erfolgreich wieder in Stand gesetzt werden, wie Organisatorin Nicole Bauer berichtet.

Im Neubad findet das Repair Café bereits zum elften Mal statt – in der Regel wurden bislang jeweils 20 bis 25 Geräte repariert. «Wir haben unseren eigenen Rekord von 40 erfolgreichen Reparaturen gebrochen», freut sich Bauer.

«Wir müssen die Bodenplatte rausschneiden», sind die beiden Fachmänner überzeugt. Doch das würde dauern. Und es gäbe keine Garantie, dass sich der Defekt vor Ort reparieren lässt. «Für deinen Artikel wäre es ja schon schön, wenn wir ihn zum Laufen bringen könnten», wiegelt Blum ab. «Aber wenn wir es nicht schaffen, wird es mühsam, den Plattenspieler in Einzelteilen wieder nach Hause zu transportieren», argumentiert Kirn, in meine bettelnden Augen blickend. Es hilft nichts. Sharpy landet auf der Abstelltreppe. Weitere Kunden warten. Die Wartezeit beträgt bereits eineinhalb Stunden – das Repair Café wird regelrecht überrannt. 

Japan der 1970er Jahre

Kirn bietet mir zwar an, mal im Labor Luzern vorbeizukommen. In der Community-Werkstatt an der Güterstrasse 6 habe er mehr Zeit. Und er sei sicher, dass er Sharpy neues Leben einhauchen könne. Vorerst heisst es für Sharpy aber, weiter ein lebloses Dasein in der Ecke zu fristen. Ich blicke auf ihn hinunter. Ein Asiate nähert sich mir. «Sharp?», fragt er. «Ja. Er hat meinem Vater gehört», antworte ich. «Der stammt aus den 1970er-Jahren aus Japan!», freut sich der Herr. Ich packe den Plattenspieler zurück in den Koffer und begebe mich auf den Heimweg.

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