Das hat die neue Chefin mit dem Luzerner Fest vor

LED statt Feuerwerk: «Ich wäre gern Pionierin»

«Ich möchte das Luzerner Fest so verändern, dass ich es privat noch lieber besuchen würde», sagt Corinne Imbach.  (Bild: jwy)

Corinne Imbach ist die neue Frau an der Spitze des Luzerner Festes – und die erste Frau überhaupt auf diesem Posten. Die Kulturmanagerin sagt im Interview, wieso sie ein Jahr lang mit der Entscheidung gerungen hat, wieso es zu viele Junge am Stadtfest hat und wie man das Feuerwerk durch eine LED-Show ersetzen könnte.

zentralplus: Sie sind eben von einer Reise zurück, die Sie geleitet haben. Machen Sie das öfters?

Corinne Imbach: Ja, das ist ein Nebenjob, den ich seit ein paar Jahren mache. Ich reise mit amerikanischen High-School-Studenten oder Erwachsenen-Gruppen durch die Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich oder Italien.

zentralplus: Finden Sie denn noch Zeit dafür?

Imbach: Dieses Jahr konnte ich leider nur eine Reise übernehmen, aber es ist ein guter Ausgleich. Du bist für Leute verantwortlich, kriegst direktes Feedback und kannst mit ihnen Sachen unternehmen – das macht Spass.

zentralplus: Sie führen einen Ein-Frau-Betrieb namens «Kultur Kopf» und nennen sich Ideen-Kuratorin – eine ungewöhnliche Bezeichnung.

Imbach: Ich bin seit fünf Jahren selbstständig und habe mir auch schon überlegt, ob ich den Namen Kultur Kopf aufgeben soll. «Kultur» im Firmennamen zu haben, ist nicht ganz einfach. Der Begriff ist sehr weitläufig und es ist nicht ganz fassbar, was ich alles mache. Meine Projekte verbinden Wirtschaft, Kultur und Politik. Andererseits kennt man mich unter diesem Namen. Also kam ich auf den Zusatz «Ideen-Kuratorin». Weil ich unkonventionelle Ideen bringe und Projekte kuratiere, also begleite.

«Das Luzerner Fest beinhaltet Interessenkonflikte – auch mit mir selber.»

zentralplus: Sie bringen für Projekte gern Menschen aus verschiedenen Sparten zusammen. Ist das Luzerner Fest also perfekt für Sie?

Imbach: Es ist ein sehr vielfältiges Projekt, mit dem du viele Zielgruppen bedienen solltest. Und natürlich beinhaltet es auch Interessenkonflikte, auch mit mir selber. Wenn man wirklich kulturinteressiert ist, muss man die eigenen Interessen quasi zurückschrauben.

zentralplus: Würden Sie selbst denn gar nicht ans Luzerner Fest gehen, wenn Sie es nicht organisieren würden?

Imbach: (lacht) Sagen wir es so: Ich möchte das Luzerner Fest so verändern, dass ich es privat noch lieber besuchen würde. Als ehemalige Unterhaltungschefin fand ich das Luzerner Fest natürlich dort am besten, wo ich es auch selber programmiert habe. Also zum Beispiel beim Pavillon am Quai. Privat bevorzuge ich eher kleinere Veranstaltungen als Grossevents.

zentralplus: Sie wurden angefragt für die Leitung des Luzerner Fests. Haben Sie lange mit der Entscheidung gerungen?

Corinne Imbach: Die Ideen-Kuratorin

Die soeben 30 gewordene Corinne Imbach führt seit 2012 ihre eigene Firma Kultur Kopf und nennt sich selbst Ideen-Kuratorin. Sie ist selbstständige Projektleiterin, Kulturmanagerin, Eventplanerin und agiert als Netzwerkerin zwischen Wirtschaft und Kultur und verbindet Menschen, Ideen und Visionen. Seit einigen Jahren ist sie zudem nebenberuflich als Reiseleiterin für kanadische und amerikanische Gruppenreisen unterwegs. Vor vier Jahren hat sie den Verein «Queer-Office» mitbegründet, der die Zentralschweizer Homo- und Trans-Szene belebt. Dieses Mandat hat sie jetzt abgegeben.

Imbach: Ja, etwa ein Jahr. Dass mein Vorgänger nach fünf Jahren geht, war schon länger klar, und ich war in den letzten zwei Jahren seine Stellvertreterin. Aber ich habe damit gerungen, weil ich mich fragte, was das für meine anderen Projekte bedeutet. Man macht sich Gedanken, was das für die Positionierung und das Image bedeutet. Der Luzerner Kultur-Kuchen ist ja relativ klein. Aber natürlich investiert man viel Zeit. Ein grosser Teil der Arbeit vom OK wird ehrenamtlich geleistet. Es steckt also sehr viel Herzblut drin. Das Luzerner Fest beschäftigt einen das ganze Jahr und man investiert mehrere hundert Stunden. Ich fragte mich also, ob ich das stemmen will und kann.

zentralplus: Und was sprach dafür?

Imbach: Man kann sehr viel selber gestalten, man tut etwas Gutes, weil man nicht gewinnorientiert arbeitet, und das Netzwerk dahinter ist spannend. Das war auch ein Anreiz für mich. Letztlich war’s ein Bauchentscheid, denn eine solche Chance kriegt man nicht jeden Tag.

zentralplus: Und Sie sind die erste Frau auf diesem Posten, dann war es auch mal Zeit dafür.

Imbach: Ja, das fand ich auch. Allgemein gibt es in der Musik- und Unterhaltungsbranche in solchen Positionen kaum Frauen. Daher ist es sicher ein gutes Zeichen.

zentralplus: Man hat das Gefühl, Sie sprühen vor Ideen. Ist das auch die Anfangseuphorie?

Imbach: Ganz neu ist es ja nicht, ich bin nun auch schon drei Jahre dabei. Aber ja, ich habe einfach Visionen oder Träume, was man in Luzern umsetzen könnte. Ob das alles möglich ist, ist eine andere Frage. Im Luzerner Fest OK spinnen wir momentan sehr intensiv Ideen und überlegen, wie wir das Fest verändern könnten. Das Fest ist schon sehr gut so, wie es ist. Es sind viele Partner involviert und es gibt viele externe Einflüsse. Da muss ich auch selber viel lernen: Es geht gut vorwärts, aber bei dieser Grösse halt nicht so schnell, wie ich das sonst gewohnt bin in Projekten.

Corinne Imbach an ihrem Arbeitsplatz in einer Luzerner Bürogemeinschaft.  (Bild: jwy)

Corinne Imbach an ihrem Arbeitsplatz in einer Luzerner Bürogemeinschaft.  (Bild: jwy)

zentralplus: Wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf beim Luzerner Fest?

Imbach: Das Luzerner Fest ist ein schwieriger Spagat. Vor zwei Jahren hat man das Fest von der Altstadt raus und an den See geholt. Die Strategie war: Man vergibt mehr Plätze an Externe, die sie bespielen, und hat so garantierte Einnahmen. Sprich: Wenn das Wetter wie leider dieses Jahr nicht mitspielt, spüren wir die Einbussen bei den Einnahmen weniger. Dieses Konzept hat positive und negative Aspekte: Wir sind besser abgesichert, andererseits können wir bei der Programmation und Ausrichtung nicht mehr gleich mitreden – ausser natürlich bei den Plätzen, die wir selber betreiben. In Zukunft müssen wir uns überlegen, wie viel wir extern vergeben und wie viel wir selber betreiben mit Luzerner Vereinen. Wir wollen die Zügel wieder etwas mehr in der Hand halten.

«Wir können uns gut vorstellen, wieder einen oder zwei Altstadtplätze in Betrieb zu nehmen.»

zentralplus: Wieso ist das wichtig?

Imbach: Dadurch, dass wir viele Plätze verkauft haben, ging einiges von der Identifikation der Luzernerinnen und Luzerner mit dem Fest verloren. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass wir in den nächsten Jahren wieder ein Wir-Gefühl aufbauen können: Dass es ein Fest für alle in Luzern ist, wo man sich als Veranstalter oder Verein präsentieren kann. Ich will die Türe aufmachen und zeigen, wie vielfältig Luzern ist.

zentralplus: Auch die steigenden Kosten sind ein Problem für das Luzerner Fest.

Imbach: Ja, die Kosten sind enorm in die Höhe geschossen: für den öffentlichen Raum, Abfallentsorgung, Toiletten, Extrazüge etc. Ich glaube, wir müssen zusammensitzen und diese Kosten wieder runterbringen, das ist nicht mehr verhältnismässig. So ist es sehr schwierig, noch einen Gewinn ausschütten zu können für die Stiftung Luzerner helfen Luzernern.

zentralplus: Wie kann das gelingen? Kleiner werden will man ja kaum.

Imbach: So wie’s aussieht, wird es ähnlich gross bleiben, aber es wird Umverlagerungen geben. Wir können uns gut vorstellen, wieder einen oder zwei Altstadtplätze in Betrieb zu nehmen, das haben wir mit der Stadt bereits angedacht, denn letztlich muss sie die Bewilligung erteilen.

Beim Luzerner Fest 2013 nachts um zwei auf der Seebrücke.

Beim Luzerner Fest 2013 nachts um zwei auf der Seebrücke.

(Bild: zvg)

zentralplus: Ein Schritt zurück zum Altstadtfest?

Imbach: Ja, aber es muss ja nicht überall Programm und Musik geben – manchmal reichen ein paar Tische und Bänke, so dass der gemütliche Aspekt wieder mehr da ist. Auch beim Gastroangebot wollen wir mehr Vielfalt bieten.

zentralplus: Streetfood-Festivals boomen, wäre das etwas für das Luzerner Fest? Innovativeres Essen statt Würste?

Imbach: Genau, da sind wir dran, vielleicht ist eine Kooperation möglich. Das ist mir allgemein wichtig: Man muss nicht immer die Welt neu erschaffen, sondern mit Leuten zusammenarbeiten, die schon stark sind und ein Netzwerk haben. Ich möchte auch mit Kultur-Veranstaltern zusammenwachsen. Ich find’s sehr schade, hatten wir keine Radio-3fach-Bühne mehr. Die möchte ich unbedingt wieder integrieren.

«Ein Stadtfest ist auch Standortmarketing. Wir möchten die Stadt stärker in die Pflicht nehmen.»

zentralplus: Soll das Luzerner Fest wieder ein Fest für die kulturinteressierte Stadtbevölkerung werden?

Imbach: Man kann natürlich vom Luzerner Fest nicht erwarten, dass es ein Anlass wird, wo sich die ganze Kulturszene trifft. Es kommen wahnsinnig viele verschiedene Menschen mit verschiedenen Interessen – auch vom Land und aus anderen Städten. In Luzern gibt es bereits tolle Festivals und Veranstaltungen, die gezielt Nischen bedienen.

zentralplus: Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit der Stadt? Man hört ja aktuell oft den Vorwurf, dass die Stadt zu viel verhindere und zu wenig zulässt.

Imbach: Es ist sehr angenehm, die Stadt ist mehr als nur die bewilligungsgebende Instanz, da findet ein reger Austausch statt und wir haben seit Jahren die gleiche Ansprechperson. Man spürt, dass sie interessiert sind, diese Zusammenarbeit noch enger zu machen. Aber es ist auch klar, dass wir mit der Stadt verhandeln müssen über die künftigen Ressourcen. Ein Stadtfest hat viel mit Standortmarketing und der Ausrichtung einer Stadt zu tun. Wir möchten da die Stadt stärker in die Pflicht nehmen.

zentralplus: Man spricht beim Luzerner Fest immer von Tradition, doch ist es das? Es existiert ja noch nicht mal neun Jahre.

Imbach: Das ist eine gute Frage. Es ist eine Tradition, dass Menschen im Sommer zusammenkommen und ein oder zwei Feste feiern, früher das Altstadtfest und das Seenachtsfest. Mit dem Zusammenschluss gibt es nur noch einen Anlass. Also ist es eine neue Tradition, die aus einer alten entstand.

zentralplus: Und die sich jetzt wieder an die Altstadt annähert?

Imbach: So ein grosses Fest muss sich immer verändern, 2018 werden es zehn Jahre sein. Man muss bereit sein, das Konzept alle paar Jahre wieder zu überdenken.

Corinne Imbach führt neben ihrem Amt für das Luzerner Fest einen Ein-Frau-Betrieb und nennt sich Ideen-Kuratorin.  (Bild: jwy)

Corinne Imbach führt neben ihrem Amt für das Luzerner Fest einen Ein-Frau-Betrieb und nennt sich Ideen-Kuratorin.  (Bild: jwy)

zentralplus: Sie sagen, dass Sie den Anteil an älteren Leuten wieder steigern wollen. Das ist ein Unikum: Andere suchen verzweifelt, ein junges Publikum anzulocken, am Luzerner Fest kommt es automatisch.

Imbach: Die Jungen kommen, wenns etwas gratis gibt. Das ist eine Herausforderung. Sie kaufen ihren Alkohol am Bahnhof und entsorgen das Glas auf den Strassen. Und wir haben tonnenweise Abfall, der eigentlich nicht durch uns verursacht wurde. Zudem ist der Verkauf der Festabzeichen eingebrochen, weil das Publikum durch das Programm jünger geworden ist. Viele wollen nicht wahrhaben, was man für 10 Franken in der ganzen Stadt kriegt. Aber wir sind ja nicht der einzige Veranstalter mit diesem Problem.

zentralplus: Sie sprechen das Blue Balls an?

Imbach: Genau. Ich glaube, wir müssen von der Ausrichtung her weniger für die ganz Jungen machen. Wir müssen das Programm so ausrichten, dass der Fokus auf einem gemütlichen Stadtfest liegt. Aber natürlich sollen weiterhin alle Altersgruppen und Interessen Platz haben.

«Anstelle eines Feuerwerks könnte man eine LED-Licht-Show machen mit Drohnen über dem See.»

zentralplus: Mehr Ländler-Kapellen statt Hip-Hop?

Imbach: Nicht unbedingt, aber ich kann mir ein Unterhaltungsprogramm vorstellen, das gar nicht verstärkt sein muss. Wo spontane, kleinere Formationen auftreten können. Das haben wir in den letzten Jahren immer mal wieder versucht.

zentralplus: 2018 feiern Sie zehn Jahre Luzerner Fest: Eine Idee hat man von Ihnen schon gehört: klassische Musik, die das Feuerwerk begleitet. Wie konkret ist das?

Imbach: Es ist eine konkrete Idee von mir, ich hätte mega Freude daran, wenn wir mit dem LSO, dem 21st Century Symphony Orchestra oder dem Lucerne Festival einen Partner ins Boot holen könnten für ein klassisches Open Air am Luzerner Fest. Anstelle eines Feuerwerks könnte man dazu beispielsweise eine LED-Licht-Show machen mit Drohnen über dem See.

zentralplus: Und weshalb glauben Sie, klassische Musik würde passen?

Imbach: Ich habe meine Masterarbeit über das Interesse Junger Erwachsener an klassischer Musik gemacht. Die Erkenntnis war, dass Junge offen sind für klassische Musik, aber halt nicht für die klassischen Konzertsäle. Sie wollen in Turnschuhen gehen und ein Bier trinken. Am besten kommen Klassik-Open-Airs an. Wir würden damit in Luzern eine Pionierleistung vollbringen. Wir sind momentan am Ideen-Spinnen und nehmen mit möglichen Akteuren Kontakt auf. Und wir suchen einen Sponsor, der das finanziert, weil es nicht ganz günstig ist.

zentralplus: Was ist Ihr Anreiz, das zu stemmen?

Imbach: Ich wäre gern Pionierin in einem Bereich. Klassische Musik mit einem Stadtfest wäre doch eine coole Kombination.

Wechsel beim Luzerner Fest

Nach fünf Jahren hat Oliver Furrer im September die Leitung des Luzerner Festes abgegeben. Neu an der Spitze steht die bisherige Unterhaltungschefin Corinne Imbach. Sie hat bisher die Konzerte im Pavillon veranstaltet, wo letztes Jahr unter anderem Heidi Happy oder Dub Spencer & Trance Hill spielten. Imbachs Job beim Luzerner Festi übernimmt Claudia Orlando, die unter anderem die Events für das Hotel Wetterhorn in Hasliberg organisiert und die Eventbude betreibt.

Gewählt wurde Corinne Imbach von der Stiftung «Luzerner helfen Luzernern». Die neue Präsidentin möchte die Luzerner Kulturlandschaft künftig verstärkt in die Veranstaltungen miteinbeziehen und wieder mehr Geld für die Stiftung generieren.

Das nächste Luzerner Fest findet am 23. und 24. Juni 2017 statt. 2018 feiert der Anlass das 10-Jahr-Jubiläum.

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