Gemeinsamer Kampf gegen bürgerliche Abbaupolitik

Spar-Gegner formieren sich zum Widerstand

Die Luzerner Allianz für Lebensqualität traf sich im Kantonsratssaal zur Landsgemeinde.

(Bild: les)

Die Finanzpolitik des Kantons Luzern ist den Linken ein Dorn im Auge. Die von ihnen und Personalverbänden getragene Luzerner Allianz für Lebensqualität hat nun eine Resolution gegen die Sparmassnahmen verabschiedet. Von einem Treffen der Zivilgesellschaft war die Rede – Bürgerliche waren allerdings nicht dabei.

Es war eigentlich kein parteipolitischer Anlass, zu dem die Luzerner Allianz für Lebensqualität diesen Dienstagabend ins Regierungsgebäude lud. Dennoch war klar, aus welcher Richtung der Wind wehte – von links. Keine Spur allerdings von Wunden lecken aufgrund der Niederlage am Sonntag an der Urne (zentralplus berichtete). Eher raffte sich die politische Linke zusammen und schöpfte neue Kraft für ihren Kampf gegen die Abbaumassnahmen im Kanton Luzern.

Die Allianz hat ihre erste «Landsgemeinde» durchgeführt. Eingeladen war die ganze Luzerer Bevölkerung, es sollte ein Treffen der Zivilgesellschaft werden. Denn: Der Abbau des Service Public spüre nicht primär die Politik, sondern Menschen mit Behinderung, Eltern und Schulkinder, öV-Benützer und ganz besonders die Angestellten beim Kanton. Zum Schluss der Veranstaltung wurde eine Resolution verabschiedet, die von Regierungs- und Kantonsrat mehr Einsatz für einen lebenswerten Kanton Luzern verlangt. Die Resolution hat Appell-Charakter und soll den Unterstützern als Handlungs-Kompass dienen.

Bekanntlich hat die Luzerner Regierung mit dem Konsolidierungspaket KP17 das grösste Abbaupaket der Geschichte geschnürt. Innert drei Jahren solll eine Finanzlücke von 520 Millionen Franken geschlossen werden. Im November und Dezember wird der Kantonsrat über Mehreinnahmen, eine Steuererhöhung und grosse Abbaumassnahmen befinden. Die Luzerner Allianz für Lebensqualität wehrt sich gegen einen weiteren Abbau, insbesondere in den Bereichen Bildung, Soziales, Gesundheit, Sicherheit, Verkehr, Umwelt und Personal.

Der Aufruf war klar:

 

Der Andrang war gross, der Kantonsratssaal bis auf den letzten der 120 Plätze gefüllt. Auch auf der Tribüne nahmen Interessierte Platz. Unter den Besuchern befanden sich einige bekannte Gesichter, wie der Präsident der kantonalen SP, David Roth, oder der städtischen SP, Claudio Soldati.

«Das Personal wird geknebelt»

Durch die Landsgemeinde führte Remo Herbst, Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Luzerner Personalverbände (ALP). Er wählte drastische Worte zur finanziellen Schieflage des Kantons und dem anstehenden KP17. «Das Personal wird geknebelt», hielt er fest. «Und die Zeche wird von den Bürgern bezahlt.» Schuld am ganzen Desaster sei die völlig verfehlte neoliberale Finanzpolitik. «Die Leidtragenden sind Betroffene, welche Leistungs- und Qualitätsabbau zu spüren bekommen.»

«Es braucht endlich wieder eine Diskussion über die vom Staat erbrachten Leistungen und nicht nur über deren Kosten.»

Remo Herbst, Präsident ALP

«Heute setzen wir ein deutliches solidarisches Zeichen, dass es so nicht weitergehen kann.» Man habe sich mit einer ruinösen Spareuphorie in eine nicht zu überwindende Sackgasse manövriert. «Die Allianz ist nicht mehr bereit, als Befehlsempfänger eine Pseudosozialpartnerschaft mitzutragen.» Man habe das Recht auf faire und verbindliche Arbeitsbedingungen und wolle einen Kanton, der sich nicht nach Ideologie ausrichte, sondern nach Bedürfnissen. «Es braucht endlich wieder eine Diskussion über die vom Staat erbrachten Leistungen und nicht nur über deren Kosten.»

Die Redner nahmen vorne Platz – dort wo normalerweise der Regierungsrat sitzt. Oben in der Mitte sitzt Remo Herbst, links daneben Marcel Budmiger.

Die Redner nahmen vorne Platz – dort wo normalerweise der Regierungsrat sitzt. Oben in der Mitte sitzt Remo Herbst, links daneben Marcel Budmiger.

(Bild: les)

Betroffene leiden unter Spardruck

«Es ist ein einziger grosser Schlamassel», konstatierte Annamarie Bürkli, Präsidentin des Lehrerverbands. «Und die Täter sind die Befürworter der Tiefsteuerstrategie.» Dass man trotzdem weiterhin beteuert, Bildung sei unser wichtigster Rohstoff, zeige, wie weit Worte und Taten auseinanderklaffen. «Die Anstellungsbedingungen sind schon lange nicht mehr wettbewerbsfähig und die Zwangsferienwoche ist das Lächerlichste, das es gibt.» Die Schüler und die Eltern müssten den Schlamassel ausbaden.

«Auch Menschen mit Behinderung haben ein Recht darauf, dass sie kompetent begleitet werden.»

Luitgardis Sonderegger, Direktorin der Stiftung Rodtegg

«Es ist genug», hielt Luitgardis Sonderegger, Direktorin der Sitftung Rodtegg, fest. «Seit Jahren hören wir, dass wir wirtschaftlicher denken und handeln sollen.» Dies sei längst geschehen. «Es geht nicht ohne Qualitätsabbau.» Sonderegger kritisierte, dass die Behinderteninstitutionen Spendengelder sammeln müssten, um dringend notwendige Investitionen oder gar Renovationen zu tätigen. Und zur Senkung der Fachpersonalquote sagt sie: «Auch Menschen mit Behinderung haben ein Recht darauf, dass sie kompetent begleitet werden.»

Martin Wyss, Geschäftsleiter des Verbands des Personals der öffentlichen Dienste, sprach über den Gesundheitsbereich. «Die Privatisierung des Gesundheitswesens erhöht den Leistungsdruck auf das Personal und führt zu sinkender Qualität.» Und dies bekämen schliesslich die Patienten zu spüren.

Kann die Polizei die Sicherheit gewährleisten?

«Seit Jahren ist bekannt, dass die Luzerner Polizei personell unterdotiert ist», sagte Othmar Roth, Vizepräsident des Verbands Luzerner Polizei. «Trotzdem sind personelle Aufstockungen aus Kostengründen nicht möglich.» Roth führte die Polizeiquote ins Feld. Im schweizweiten Durchschnitt liege diese bei einem Polizisten auf 464 Einwohner – im Kanton Luzern sei es lediglich ein Polizist auf 593 Einwohner. «Sicherheit ist ein wesentlicher Standortfaktor», hielt Roth fest. «Weitere Sparmassnahmen könnten fatale Folgen haben.» Die Frage laute heute nicht mehr, ob die Schweiz ein Ziel von Terroranschlägen sein könnte, sondern nur noch, wann und wo etwas geschieht.

«Die Anstellungsbedingungen sind das A und O eines attraktiven Arbeitgebers.»

Helga-Christina Stalder

«Das öV-Angebot ist nicht auf einem Spitzenplatz wie etwa die tiefen Unternehmenssteuern», sagte Monique Frey, Geschäftsleiterin des VCS. Nun solle weiter gespart werden und die Kostendeckung erhöht werden. «Dies geht nur über eine Erhöhung der Billettsteuer oder mit einer Streichung von Angeboten, insbesondere auf dem Land.» Weiter nannte Frey ökologische Gründe: «Fehlt das Geld für Investitionen, werden Investitionen in umweltschonende und auch sicherere Fahrzeuge auf später verschoben.»

Als letzte Rednerin ergriff Helga-Christina Stalder, Geschäftsführerin des Luzerner Staatspersonalverbands, das Wort: «Die Anstellungsbedingungen sind das A und O eines attraktiven Arbeitgebers.» Das Personal leide unter den ständigen Sparmassnahmen. «Kleinpensen werden abgebaut, Stellen bei Abgängen nur mit Verzögerung wieder besetzt – die Arbeit bleibt aber dieselbe.» Nun sei es am Kanton zu zeigen, dass ihm das Personal etwas wert sei. «Es gibt sozialpartnerschaftliche Vereinbarungen, doch die Verhandlungen verlaufen einseitig.»

Politische Linke unter sich

Die Meinung an diesem Abend war also klar: Die Tiefsteuerstrategie, getragen von der bürgerlichen Regierung und den bürgerlichen Kantonsräten, sei Schuld an all den Sparübungen. In der offenen Diskussion kam dies immer wieder deutlich zum Ausdruck. Fragen gab es keine, Gegenargumente auch nicht. Ja, die politische Linke hatte an diesem Abend für einmal die 100-prozentige Mehrheit im Kantonsratssaal.

3 Initiativen für Lebensqualität

Die Luzerner Allianz für Lebensqualität hat drei Initiativen lanciert (zentralplus berichtete). Ziel davon ist ein Mindestmass an Leistungen gesetzlich zu verankern. Damit würde der Spielraum für mögliche zukünftige Sparanstrengungen stark eingeschränkt.

Bildungs-Initiative

Für eine regional verankerte, qualitativ hochstehende Bildung im Kanton Luzern. Ohne Schulgebühren und Zwangsferien, dafür mit guten Rahmenbedingungen für Lernende und Lehrpersonen.

Gesundheits-Initiative

Für den Erhalt der Spitalstandorte und demokratische Mitsprache im Gesundheitswesen. Dank genügend ausgebildetem Fachpersonal bleibe die Versorgungsqualität hoch.

öV-Initiative

Ja zum geplanten Ausbau des öffentlichen Verkehrs und modernen Infrastrukturen. So dass sich der öV den steigenden Passagierzahlen und ihren Bedürfnissen anpassen kann.

Es ist ja nicht so, dass es diese Voten im Kantonsrat nicht gäbe. Es gibt durchaus Kantonsräte, welche die Stimme für die Verbände ergreifen, die der Luzerner Allianz für Lebensqualität angehören (siehe Box). Die an diesem Abend sprechende Monique Frey (Grüne, VCS-Geschäftsleiterin) ist eine von ihnen. Ihr Fraktionskollege Michael Töngi (Präsident VCS Luzern) sowie Michael Ledergerber (SP-Kantonsrat, Geschäftsleiter Procap), Urban Sager (SP-Kantonsrat, Präsident VPOD), Giorgio Pardini (SP-Kantonsrat, Präsident Luzerner Gewerkschaftsbund) und Marcel Budmiger (SP-Kantonsrat, Geschäftsleiter Luzerner Gewerkschaftsbund) sind weitere.

Nur, im bürgerlich dominierten Kantonsrat stossen solche Voten meist auf wenig Gehör. Und in der Regierung ist die Linke bekanntlich auch nicht vertreten. Dabei hätte an diesem Abend durchaus einmal die Frage in die Runde gehört, wie die Anwesenden die Leistungen denn finanzieren wollten. Unternehmenssteuererhöhungen will das Luzerner Volk nicht, das Ergebnis am Sonntag war eindeutig, und eine stärkere Besteuerung der Reichen oder Anpassungen der Progression schickte der Kantonsrat erst vor Kurzem bachab. Die Tatsache, dass die Ausgaben des Kantons Jahr für Jahr wachsen, wurde nicht erwähnt.

Resolution einstimmig verabschiedet

Aber wie gesagt, an diesem Abend war die politische Linke unter sich. Kein Vergleich zur harten politischen Realität, welche die Fraktionen von SP und Grünen im kantonsrätlichen Alltag erleben. So kam es auch, dass die von der Allianz für Lebensqualität erarbeitete Resulotion ohne Gegenstimme verabschiedet wurde. 156 Anwesende erhoben die Hand und fordern:

  • Eine glaubwürdige politische Führung: Nicht nur Unternehmen, sondern auch Leistungserbringer, das Personal und die Bevölkerung wollen Planungssicherheit. Vereinbarungen, Lohnreglemente und politische Versprechen müssen eingehalten werden.
  • Einen guten Service public, namentlich im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich wie auch beim öffentlichen Verkehr. Investitionen in diesen Bereichen zahlen sich in Zukunft mehrfach aus.
  • Eine Sozialpartnerschaft mit den Personalorganisationen, die auf Dialog und gemeinsamer Entscheidungsfindung beruht – und nicht bloss auf Information ohne Mitsprache.
  • Mehr Solidarität anstelle eines sinnlosen Verteilkampfs zwischen Kantonen, Gemeinden und Regionen, Sozialversicherungen und anderen Institutionen.
  • Gerechte und genügend Mehreinnahmen, um den Kanton wieder handlungsfähig zu machen. Alle sollen einen fairen Beitrag ans Gemeinwohl leisten.

Die Anwesenden machten sich gegenseitig Mut, dass es sich zu kämpfen lohne. Mit Leserbriefen oder Gesprächen wollen sie bürgerliche Kantonsräte zum Umdenken bringen. Dass die Basis bereit ist, sich notfalls mit Referenden gegen Sparmassnahmen zu wehren, wurde in verschiedenen Voten klar. 

Auch auf der Tribüne durfte abgestimmt werden. Die Resolution wurde einstimmig verabschiedet.

Auch auf der Tribüne durfte abgestimmt werden. Die Resolution wurde einstimmig verabschiedet.

(Bild: les)

Zur Luzerner Allianz für Lebensqualität gehören:
ALP Arbeitsgemeinschaft Luzerner Personalorganisationen | AvenirSocial Sektion Zentralschweiz | BCH.LU Verband der Luzerner Berufsschullehrer und Lehrerinnen | DVD HS LU Verband der Dozierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitenden | Grüne Luzern | IG Kultur | insieme Luzern | Junge Grüne Luzern | Juso Luzern | KAB Katholische Arbeiter Bewegung | Kaufmännischer Verband Luzern | Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern | HKL Heimkonferenz des Kantons Luzern | labmed. Schweiz. Fach- und Berufsverband dipl. Bio medizinische AnalyterInnen Sektion Zentralschweiz | Lernende gegen die Sparwut | LGB Luzerner Gewerkschaftsbund Luzern | LKBL Lehrerverein KV Luzern | LLV Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverband | Logopädie Luzern | Luzerner Asylnetz | Lspv Luzerner Staatspersonalverband | MLV Musiklehrerinnen- und Musiklehrerverein des Kantons Luzern | SVMTRA Radiologie | Procap Luzern, Ob-und Nidwalden | SBK Schweiz Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner | Schule & Elternhaus Luzern | SHVZ Schweizerischer Hebammenverband, Sektion Zentralschweiz | SMPV Zentralschweiz | SP Kanton Luzern | Syna Region Luzern | Syndicom Sektion Zentralschweiz | umverkehR Regionalgruppe Luzern | Unia Region Zentralschweiz | VCS Verkehrsclub der Schweiz Sektion Luzern | Vereinigung Cerebral Zentralschweiz | VLM Verband Luzerner Mittelschullehrerinnen und –lehrer | VPOD Luzern Verband des Personals öffentlicher Dienste | VSAO Verband Schweizerischer Assistenz-und Oberärztinnen und -ärzte Sektion Zentralschweiz
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