Reaktionen auf das Nein des Kantonsrates

Von todbetroffen bis hocherfreut – das «Salle»-Aus bewegt

62 Nein gegen 51 Ja zeigt der Monitor im Kantonsratssaal nach der Abstimmung über die Salle Modulable an. Das bedeutet das Aus.

(Bild: lwo)

Der Kantonsrat hat die Salle Modulable abgeschossen. Die Reaktionen darauf könnten unterschiedlicher nicht sein und reichen von Freudensprüngen bis zu tiefer Depression. Einzig die Luzerner Regierung nimmt’s auffällig gelassen.

Es war eine lange und sichtlich emotionale Umarmung zwischen Birgit Aufterbeck-Sieber und Michael Häfliger. Kaum hatte der Kantonsrat nach langer und intensiver Debatte diesen Montag mit 51 Ja gegen 62 Nein den 7-Millionen-Planungskredit für die Salle Modulable abgeschmettert (hier gehts zum Live-Ticker), lagen sich die beiden stark involvierten Kulturprotagonisten tröstend in den Armen.

Aufterbeck-Sieber ist Stiftungsratspräsidentin des Luzerner Theaters, das in die Salle Modulable integriert hätte werden sollen. Häfliger ist Intendant des Lucerne Festivals, welches mit dem Theaterneubau auf dem Inseli grosse Hoffnung auf eine Weiterentwicklung gehegt hat. Und nun liegt diese Hoffnung in Trümmern. Denn das Nein des Kantonsrates ist zu 99,9 Prozent gleichbedeutend mit dem Aus für das multifunktionale (Musik-) Theater auf dem Inseli.

Wurde die «Luzerner Seele» verletzt?

Aufterbeck-Sieber gab sich nach dem Entscheid gelassener als Häfliger. Zwar bedauere sie das Nein. «Aber wenn der Entscheid so klar war wie jetzt, dann müssen wir die Lehren daraus ziehen.» Aufterbeck-Sieber vermutet, dass wegen der eingeschränkten Mitbestimmung der Bürger, etwa was den Standort sowie die Dimension der Salle Moduable betrifft, «die Luzerner Seele verletzt wurde».

Wie es mit dem Luzerner Theater weitergehe, müsse jetzt neu mit allen Partnern diskutiert werden. Eine Lösung müsse in maximal zehn bis zwölf Jahren vorliegen. So lange könne man nötige, aber teure Investitionen in die Erneuerung des Theaters noch aufschieben. «Der Handlungsbedarf bleibt akut», mahnt sie.

«Das war ein harter Schlag für mich.»

Michael Häfliger, Lucerne Festival

Michael Häfliger brachte, anders als Aufterbeck-Sieber, nach dem Entscheid kein Lächeln mehr übers Gesicht. «Ich bin sehr, sehr enttäuscht und muss nun ein paar Nächte verstreichen lassen. Das war ein harter Schlag für mich.» Nun müsse man erneut von vorne anfangen und schauen, wie es mit dem Lucerne Festival weitergehe. Auf die unter den zahlreichen Besuchern der Kantonsratsdebatte geäusserte Hoffnung, dass nun Private für den Projektierungskredit aufkommen könnten, sagt Häfliger bloss matt: «Alles ist möglich.»

Haben bis zuletzt an ein Ja des Kantonsrates geglaubt: Michael Häfliger vom Lucerne Festival sowie Birgitt Aufterbeck-Sieber und Benedikt von Peter vom Luzerner Theater trösten sich nach der Debatte vor dem Regierungsratsgebäude (Bild: lwo).

Haben bis zuletzt an ein Ja des Kantonsrates geglaubt: Michael Häfliger vom Lucerne Festival sowie Birgitt Aufterbeck-Sieber und Benedikt von Peter vom Luzerner Theater trösten sich nach der Debatte vor dem Regierungsratsgebäude (Bild: lwo).

Chancen auf ein Einspringen von Privaten hält Fabian Reinhard allerdings für gering. Reinhard präsidiert die städtische FDP und ist Vizepräsident des Vereins Theater am See. Dieser, vom Luzerner Anwalt Jost Schumacher angeführte Verein, sammelt bei Privaten Geld für die Salle Modulable. Reinhard sagt: «Ohne den Kanton an Bord ist dieses Projekt kaum realisierbar.»

Grosser Frust bei Achermann

Hubert Achermann hat als Stiftungsratspräsident der Salle Modulable während rund zehn Jahren an vorderster Front für das Projekt gekämpft. Entsprechend frustriert ist er über den Parlamentsentscheid: «Wir bedauern das zutiefst und sind sehr enttäuscht.»

«Der Entscheid ist leider kurzsichtig und mutlos.»

Hubert Achermann, Präsident Stiftung Salle Modulable

Achermann lässt seinem Ärger freien Lauf: «Der Entscheid ist leider kurzsichtig und mutlos. Dieses einmalige Projekt hätte es verdient, dass man die offenen Fragen klärt und nach der Projektierung die Bevölkerung abschliessend darüber entscheiden lässt.» Man müsse den Entscheid des Kantonsrats zwar akzeptieren. Jedoch werde damit eine einmalige Chance für den Kanton, die Stadt und die Kultur zunichte gemacht.

Regierung nimmt’s gelassen

Wie schon während der ganzen Debatte, zeigte Regierungsrat Reto Wyss auch nach dem Njet des Parlaments keine erkennbaren Emotionen. «Ich habe gar keine Freude am Entscheid des Kantonsrates. Die Regierung hätte ein Ja sehr begrüsst», sagte er entspannt. Darauf angesprochen, ob er überhaupt an ein Ja geglaubt habe oder es ersehnt hätte, antwortete er freundlich: «Ja, das habe ich. Dieses Resultat hat sich nicht abgezeichnet.»

«Luzern bleibt Luzern – klein, überschaubar und ohne Visionen.»

Peter With, Präsident SVP Stadt Luzern

Mehr respektive überhaupt Emotionen zeigte dafür Peter With, Präsident der städtischen SVP und Befürworter der Salle Modulable. Auf Facebook schimpfte er: «Was für ein mutloser Entscheid des Kantonsrats. Es ist kaum zu glauben, dass man heute Spenden in der Höhe von 115 Millionen Franken abgelehnt hat.» Damit meint er die 80 Millionen von Engelhorn und die 35 Millionen, die von weiteren Privaten hätten gesammelt werden sollen. Zum Nein des Parlaments beigetragen hat allerdings speziell auch Withs SVP, dies mit 19 Nein und 8 Ja.

With ist sicher, dass die nun anstehende Komplettsanierung des Luzerner Theaters für die Steuerzahler teurer kommt als die Salle Modulable. Sein ernüchterndes Fazit: «Luzern bleibt Luzern – klein, überschaubar und ohne Visionen. Zum Glück waren unsere Vorfahren da entschieden fortschrittlicher.»

IG Kultur schaut in die Zukunft

Kurz nach dem Entscheid des Kantonsrates nahm auch die IG Kultur Stellung. Sie blickt nicht allzu enttäuscht nach vorne, was bereits am Titel ihrer Mitteilung erkennbar ist: «Die Salle Modulable ist gescheitert – das Theater soll leben!»

Geschäftsführerin Eva Laniado Barboza sowie Vorstandsmitglied Urs Bugmann bilanzieren nüchtern: «Kosten und Risiken, die diktierten Vorgaben seitens des Millionenspenders und viele Ungewissheiten lösen Verständnis für den Entscheid aus und halten das Bedauern über das Scheitern einer nie richtig auf den Boden gebrachten Illusion oder Chance leider in Grenzen.»

«Nun müssen Gespräche für eine dauerhafte Lösung für Luzerns Theaterzukunft aufgenommen werden.»

IG Kultur Luzern

Was aber nun? Nicht gescheitert sind laut IG Kultur die überlegungen und Pläne eines neuen Theaters (NTL) für Luzern. «Diese beinhalten ein Zusammengehen des Luzerner Theaters mit der freien Szene, ein konstruktives Miteinander von etablierter und alternativer Kultur.»

Denn das Nein des Parlaments bedeute längst nicht, dass «das bisher Erreichte, also die begonnene Annäherung, die gemeinsamen Produktionen und die Entwicklung der Kulturlandschaft, somit ebenfalls aufzugeben ist.» Im Gegenteil könne man sich jetzt auf ursprüngliche Überlegungen besinnen. «Mit aller Kraft wird die IG Kultur Luzern sich dafür einsetzen, dass jetzt unverzüglich Gespräche und Planungen für eine dauerhafte Lösung für Luzerns Theaterzukunft aufgenommen werden.»

Gegner feiern das Aus

Verständlicherweise euphorisiert feierten die Juso den Entscheid auf Facebook. Schliesslich kämpfen sie mit einer eigenen Initiative für ein grüneres Inseli ohne Cars – und ohne Neubauten.

Facebook-Post der Juso Luzern.

Facebook-Post der Juso Luzern.

In einer Mitteilung schreibt die Jungpartei: «Die Juso ist erfreut über den heutigen Entscheid des Kantonsrates. Für uns ist klar, dass ein Nein zur Salle Modulable kein Nein zu einem neuen Luzerner Theater ist. Vielmehr eröffnen sich nun neue Möglichkeiten für ein Theaterhaus, das finanziell tragbar und städteplanerisch nachhaltig geplant ist sowie von Bevölkerung und Kultur mitgetragen wird.» Die Überbauung des Inseli werde so höchstwahrscheinlich verhindert und biete diesem neue Entwicklungsmöglichkeiten.

Auch auf der Facebook-Seite «Keine Salle Modulable auf dem Inseli» wurde der Todesstoss für die Salle Modulable gefeiert. Stellvertretend für viele schrieb einer kurz und knapp: «Die einzig richtige Entscheidung! Kein Geld in der Kasse, überall sparen und dann noch so einen Mist bauen wollen.»

Und natürlich liess sich auch die im Kantonsrat nicht vertretene Mini-Partei BDP nicht nehmen, das Aus für das Theater zu feiern:


 

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von M. Moser
    M. Moser, 13.09.2016, 15:42 Uhr

    Ich denke, es ist besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Das Problem von Seiten der Geldgeber war es, dass wohl 115 Mio Franken da waren, aber nicht für den Betrieb des Salle Modulable sondern nur für den Bau. Die fehlenden Vorschläge betreffend die Betriebsfinanzierung haben wohl zum ablehnenden Entscheid beigetragen. Ein weiterer Punkt dürfte das sture Beharren der Donatoren auf dem Standort Inseli gewesen sein. So kam es wie es kommen musste. Jetzt aber dem Kantonsrat allein die Schuld für das Scheitern in die Schuhe zu schieben, greift in meinen Augen zu wenig weit. Die Initianten müssen sich diese Schuld nämlich grösstenteils selber auf die Fahne schreiben. Wer mit einem so «lotterigen» finanziellen Konzept ins Rennen steigt, dass allfällige Fehlkalkulationen dem Kanton oder der Stadt in die Schuhe schiebt, muss sich nicht wundern wenn er Schiffbruch erleidet. Vielleicht für’s nächste Mal, zuerst ein solides finanzielles Konzept entwickeln und dann vor’s Parlament damit. Aber in dieser Konstellation konnte der Salle Modulable nur scheitern.

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