Luzerner Regierung will 520-Millionen-Loch stopfen

Höhere Steuern? Das sagen die Parteien

Regierungspräsident und Finanzdirektor Marcel Schwerzmann präsentierte diesen Dienstag gemeinsam mit der Gesamtregierung, wie er die Kantonsfinanzen wieder ins Lot bringen will.

(Bild: les)

Die Sanierung der Kantonsfinanzen nimmt Gestalt an. Bedingung ist allerdings, dass die Steuererhöhung durchkommt. Diese soll 165 Millionen in drei Jahren bringen. Doch die Parteien kündigen schon jetzt Widerstand an. Ein Referendum droht.

Jetzt ist also klar, wie die Luzerner Regierung das Loch von 520 Millionen Franken in den nächsten drei Jahren schliessen will (zentralplus berichtete). 294 Millionen Franken sollen eingespart werden. Dann plant die Luzerner Regierung Mehreinnahmen von 68 Millionen Franken. Doch damit nicht genug: Weil Anfang Sommer im NFA Erträge von rund 190 Millionen Franken weggebrochen sind, ist eine Erhöhung des Steuerfusses um eine Zehnteleinheit per 2017 nötig. Dies soll rund 165 Millionen bringen.

Finanzdirektor Marcel Schwerzmann sagt: «Beim Abbau von Leistungen und bei den Anforderungen an die Effizienz sind wir an Grenzen gelangt. Es gibt keine Alternativen und keine Ersatzmassnahmen.» Die Steuererhöhung sei das einzige Mittel, um die Finanzierungslücke zu schliessen. Eine Neuverschuldung, die sich später kaum mehr kompensieren lässt, hält der Regierungsrat für unverantwortbar.

So stellt sich die Regierung vor, das Finanzloch zu schliessen.

So stellt sich die Regierung vor, das Finanzloch zu schliessen.

 

Im ersten Entwurf des Konsoliderungsprogramms 2017 (KP17) hat die Regierung diverse Sparmassnahmen aufgeführt. So werden beim Personal innert drei Jahren 45 Millionen Franken gespart. Dieser Punkt war sehr umstritten und sorgte für heftigen Widerstand. Die Regierung hat nun beschlossen, auf die Streichung der Dienstaltersgeschenke zu verzichten. Weiter soll eine Organisationsentwicklung 43 Millionen in drei Jahren bringen. Wie genau, bleibt weiterhin unklar. Und durch die Kürzung der Trägerschaftsbeiträge an Hochschulen will der Kanton 14,5 Millionen sparen.

Neu will die Regierung bei den Transferaufwänden 110 Millionen sparen. Was das genau bedeutet, kann erst gesagt werden, wenn auch die neue Botschaft vorliegt. Es sind jedoch Sparmassnahmen, welche etwa den öffentlichen Verkehr, Prämienverbilligungen, Behinderteninstitutionen, Musikschulen und weitere treffen könnten.

Entgegen dem Willen des Kantonsrates hält die Regierung auch an Massnahmen fest, welche die Gemeinden stärker belasten. Sie hat diese sogar noch von rund 34 auf 60 Millionen in drei Jahren ausgebaut. Im Gegenzug werden die Gemeinden ab 2018 von den Ausgaben im Wasserbau entbunden. Dies soll sie jährlich um 20 Millionen entlasten. Der Verband Luzerner Gemeinden kritisiert dies heftig (siehe Box).

Temporäre Steuererhöhung – ohne Garantie

Auf der Einnahmenseiten kommen die Mehreinnahmen insbesondere durch die Streichung von Abzügen sowie eine Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer zustande. Hier spricht man von fiskalischen Massnahmen. Und die finanzpolitische Massnahme ist die Steuererhöhung um einen Steuerzehntel. Die Regierung will – ohne Garantie – die Steuern ab 2019 wieder um eine Zwanzigsteleinheit senken. Bei der letzten Steuererhöhung 2014 versprach die Regierung noch, dass diese nur von temporärer Dauer (3 Jahre) sei. Dieses Versprechen konnte sie nicht halten. Sie ist nun in ihrer Kommunikation deutlich vorsichtiger geworden.

Mit Nachdruck betonte Finanzdirektor Schwerzmann auch, dass die Erhöhung des Steuerfusses alle Steuerpflichtigen betreffe – die Privatpersonen und im gleichen Ausmass auch die Firmen.

Auf der Grafik ist die zeitliche Entwicklung des Steuerfusses im Kanton Luzern ersichtlich.

Auf der Grafik ist die zeitliche Entwicklung des Steuerfusses im Kanton Luzern ersichtlich.

 

zentralplus hat bei den Luzerner Parteien nachgefragt, was sie von den neuen Vorschlägen der Regierung halten. Besonders von Interesse ist, wie die Steuererhöhung bei den Parteien ankommt und wer allenfalls bereit wäre, gegen diese ein Referendum zu ergreifen. Dazu müssten – falls der Kantonsrat der Steuererhöhung zustimmt – innerhalb von 60 Tagen 3000 Unterschriften gesammelt werden. Eine Abstimmung würde wohl im Mai 2017 stattfinden. Bis dahin hätte der Kanton kein Budget. Schwerzmann sagte zu diesem Szenario: «Der Schaden wäre immens.»

CVP: «politischer Zündstoff»

Fraktionschef Ludwig Peyer hat die Vorschläge der Regierung zur Kenntnis genommen. «Solange wir allerdings die Botschaft nicht kennen, können wir keine genaueren Aussagen machen.» Insbesondere bei den Transferzahlungen bleibe die Regierung bisher unkonkret. Peyer ortet dort allerdings «politischen Zündstoff». Das mache es für die CVP unmöglich, die vorgeschlagene Steuererhöhung momentan zu bewerten.

Peyer sagt: «Ich bin froh, beinhaltet der regierungsrätliche Vorschlag einen gewissen Ausgleich innerhalb des finanzpolitischen Dreiecks Sparen, Schulden, Steuern.» Daran sollten sich auch die anderen Parteien halten. Zu den Chancen der Vorschläge meint er: «Die Linken haben ein ideologisches Problem mit der Tiefsteuerstrategie und werden diese sowieso nie akzeptieren.» Dabei zeige sich gerade im Vorfeld der Abstimmung über ihre Initiative, dass eine Steuererhöhung für Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt falsch wäre. Und von der SVP erwartet Peyer Alternativen, falls eine Steuererhöhung oder Neuverschuldung weiterhin so strikt abgelehnt werde.

SVP: «Werden Referendum beantragen»

Keine Freude an den Vorschlägen der Regierung hat SVP-Fraktionschef Guido Müller. «Das ist ein Rückschritt. Es wurden Entscheide durch die Hintertüre wieder eingeführt, welchen der Kantonsrat eine klare Abfuhr erteilte.» Müller spricht etwa von der zusätzlichen Belastung der Gemeinden, sei es bei den Strassen oder der Übernahme der Sozialhilfedossiers von Asylbewerbern nach acht statt zehn Jahren. Auch dass etwa bei der Organisationsentwicklung nicht genau klar sei, wie gespart werden soll – die Regierung hat in der Botschaft bei gewissen Sparmassnahmen als Platzhalter bloss Sterne statt Beträge aufgeführt –, stösst Müller sauer auf: «Die Lösung steht wortwörtlich in den Sternen.»

Und die Steuererhöhung? Müller: «Die SVP-Parteileitung wird der Delegiertenversammlung bestimmt beantragen, dagegen ein Referendum zu ergreifen.» Dabei könnte die SVP womöglich die Unterstützung der Linken erhalten. Für Müller ist das zweitrangig: «Falls sie auch Unterschriften sammeln wollen, können sie gerne. Aber wir bringen das Referendum auch alleine zustande.» Wie die SVP das Finanzloch danach schliessen will, kann Müller wegen des Kommissionsgeheimnisses nicht verraten. «Wir haben in der Kommission Vorschläge eingebracht, doch diese wurden unter den Tisch gewischt. Auch das an der nächsten Session beratene Gesetz über die Pflegefinanzierung hätte eine Gelegenheit geboten, längerfristige Massnahmen zur Kostenbegrenzung einzuleiten. Auch diese Chance wird wohl verpasst.» 

FDP: «Paket nicht aufschnüren»

Positiver tönt es bei FDP-Fraktionschef Andreas Moser: «Es freut uns, dass die Regierung der FDP-Forderung gefolgt ist und mit den zusätzlichen Ausgabenreduktionen ein ambitioniertes Massnahmenpaket vorlegt, das als Ganzes ausgewogen und vertretbar ist.» Angesichts der nach wie vor bestehenden Finanzlücke bleibe es aber zentral, dass das Paket – wie es die FDP seit Beginn fordere – nicht aufgeschnürt werde und alle Beteiligten einen Beitrag leisten müssten, ergänzt Moser.

Zur Steuerhöhung sagt Moser, dass für die FDP nach wie vor Ausgabenreduktionen im Vordergrund stehen würden. «Eine generelle Steuererhöhung darf nur als allerletztes Mittel in Betracht gezogen werden.» Genau deshalb sei es zentral, dass das Paket nicht aufgeschnürt werde. «Damit würde sich der finanzpolitische Handlungsbedarf nur unnötig verschlimmern, was einer Steuererhöhung direkt in die Hände spielen würde.» Die FDP erwarte, dass diejenigen Kräfte im Kantonsrat, welche eine Steuererhöhung ebenfalls als allerletztes Mittel betrachten, dieser Haltung folgen.

SP: «Versagen auf der ganzen Linie»

«Was die Regierung diesen Dienstag präsentierte, ist primär ein Versagen auf ganzer Linie: Der Bevölkerung droht eine massive Steuererhöhung von über 150 Millionen innert drei Jahren, während die Unternehmen, welche rund acht Prozent des gesamten Steuerertrages beisteuern, davon praktisch nicht betroffen sind», sagt SP-Präsident David Roth. «Die Tiefsteuerstrategie wurde mit dem Versprechen gestartet, dass keine Abbaupakete notwendig sein würden und eine Kompensation durch Mehreinnahmen entsteht. Nichts von dem ist eingetreten. Wir stehen vor einem weiteren und bislang grössten Abbaupaket und stecken in einer finanziellen Sackgasse», so Roth. Die Initiative «Für faire Unternehmenssteuern» sei das Gebot der Stunde, so der SP-Präsident.

Eine Steuererhöhung lehnt die SP ab, sollte der Steuer-Mix so bestehen bleiben. Würde sie auch ein Referendum unterstützen? Roth: «Sollte das Abbaupaket derart unausgewogen bleiben, wird die SP die Abbaumassnahmen, wie auch die Steuerfusserhöhungen, ablehnen.» Es liege nun am Kantonsrat, hier korrigierend einzugreifen. «Ansonsten müssten wir ein Referendum tatsächlich prüfen.»

Grüne: «Regierung schafft neue Blackbox»

Unterstützung erhält die SP von den Grünen. «Das Grundübel unseres Kantons ist doch, dass wir zwar bei den Unternehmenssteuern im schweizweiten Wettbewerb zuvorderst sind, bei den Leistungen jedoch immer mehr Einbussen hinnehmen müssen», sagt Kantonsrat Michael Töngi. Auch er rührt die Werbetrommel für die Steuerinitiative. Ob die Grünen die von der Regierung vorgeschlagene Steuererhöhung mittragen werden, kann er derzeit noch nicht sagen.

Töngi hat Mühe damit, dass die Regierung nun die Transferaufwände um 110 Millionen kürzen will. «Die Regierung hat eine neue Blackbox geschaffen», so Töngi. Er macht sich Sorgen, dass vor allem der öffentliche Verkehr oder die Behinderteninstitutionen von diesen Sparmassnahmen betroffen sein werden.

GLP: «finanzielle Extremsituation»

Die Grünliberalen hatten bereits vor einigen Monaten darauf hingewiesen, dass der Kanton nicht um eine kurzfristige Erhöhung des Steuerfusses herumkommt. «Diese Massnahme muss aber unbedingt zeitlich beschränkt sein und soll nur so lange gelten, bis die weiteren Massnahmen greifen», sagt Fraktionschefin Michèle Graber. Sie appelliert in dieser «finanziellen Extremsituation» an die Vernunft der anderen Parteien.

«Vernunft ist zudem dringend erforderlich, um solche grotesken Massnahmen wie beispielsweise eine Woche Zwangsferien zu vermeiden», so Graber. Das Ziel müsse es sein, das Problem jetzt anzupacken, statt es weiter vor sich herzuschieben. Die Grünliberalen wollen nun die gemachten Vorschläge vertieft analysieren, bis diese im November 2016 in den Kantonsrat kommen.

Interessenverbände gehen auf die Barrikaden

Der Vorstand des Verbandes Luzerner Gemeinden (VLG) nimmt die Vorschläge der Regierung mit Enttäuschung zur Kenntnis. Die durchschnittliche Nettobelastung der Gemeinden wurde gegenüber dem Planungsbericht noch einmal verdoppelt. Insbesondere die kurzfristige Belastung der Gemeinden mit 30 Millionen im Jahr 2017 sei angesichts der weitgehend abgeschlossenen Budgetierungsphase ein Affront. Der VLG wird am 19. Oktober 2016 eine ausserordentliche Generalversammlung zu diesem Geschäft durchführen.

Der Luzerner Gewerkschaftsbund (LGB) ist empört über das «unsoziale Abbaupaket» KP17, welches der Regierungsrat präsentierte. Massiver Abbau bei Bildung, Gesundheit, öV und dem Personal, eine Lastenverschiebung auf die Gemeinden und höhere Steuern für alle – diese Umverteilungspolitik zu Gunsten von Vermögenden und Unternehmen müsse ein Ende haben. Statt mehr Steuern für alle brauche es jetzt umso mehr ein Ja zu fairen Unternehmenssteuern, über welche am 25. September abgestimmt wird.

Der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) begrüsst zwar den heutigen Entscheid des Regierungsrats, das Dienstaltersgeschenk (DAG) für langjährige Mitarbeitende beizubehalten. Das Ganze sei jedoch ein Ablenkungsmanöver. Die vorgeschlagene Steuerfusserhöhung treffe all jene doppelt, die mit der Arbeitszeitverlängerung, den Beitragskürzungen für die Musik- und Hochschulen und den anstehenden Entlassungen bereits massiv an den Folgen der gescheiterten Steuerstrategie zu tragen hätten. Dass die Regierung diesen «faulen Deal» auch noch als Flexibilitätsgewinn für das Personal verkaufen wolle, sei «blanker Hohn», schreibt der VPOD in einer Mitteilung.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Guido Huber
    Guido Huber, 07.09.2016, 13:16 Uhr

    Ist schon tragisch, dass wir Bürger für eine seit Jahren völlig verfehlte Steuerpolitik betr. Firmenbesteuerung den Kopf hinhalten müssen.

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