Die Stadtführung der ungewöhnlichen Details

Mit diesem Wissen beeindrucken Sie jeden Luzerner

Die Aussicht über Luzern von der Museggmauer her.

(Bild: Andreas Bättig)

Sie wissen nicht, warum im Jahr 1701 ein Steinregen in Luzern fünf Menschen tötete? Von welchem Turm der Museggmauer man die beste Aussicht über Luzern hat und warum man romantische Dates dort besser vor 19 Uhr abbricht? Dann lesen Sie weiter.

Stellen sie sich vor, Sie haben ein Date und sitzen mit Ihrer Verabredung auf der Terrasse der Nectar-Bar in der Stadt Luzern. Die Sonne ist untergegangen, es ist angenehm warm, Sie haben zwei Caipiroskas bestellt und das Date läuft ziemlich gut. Sie schauen sich verträumt in die Augen und dann auf die weit entfernten Türme der Museggmauer, die dank ihrer Beleuchtung von hier aus wunderbar zu sehen sind.

Das ziemlich sichere Ende des Dates

Plötzlich, nach einem Schluck Caipiroska, fragt ihr Date: «Du kommst doch aus Luzern. Warum heisst der Pulverturm eigentlich Pulverturm?» Die Schmetterlinge ihn ihrem Bauch erstarren innerhalb von Sekunden. Denn: Sie wissen von der Schulzeit her zwar noch, dass dort irgendwie mal irgendein ein Pulver gelagert wurde. Mehr aber auch nicht. Oberpeinlich! Horror! Das Date schon fast gelaufen!

Keine Sorge, zum Glück gibt es Sonja Schwegler. Wir haben die Stadtführerin auf der Tour «Luzerns Stadtbefestigung – die Museggmauer» begleitet und kurze, knackige Fakten zusammengetragen, mit denen sich bestimmt jedes Herz erobern oder zumindest ein bisschen Eindruck schinden lässt:

Sonja Schwegler führt kompetent durch die Stadt.

Sonja Schwegler führt kompetent durch die Stadt.

(Bild: Andreas Bättig)

Warum heisst Luzern eigentlich Luzern?

Wir spazieren mit Sonja Schwegler zur berühmten Kapellbrücke und bleiben vor dem zweiten Bild auf der Bahnhofstrassenseite stehen. Darauf zu sehen ist ein Engel, der ein Licht hochhält. Schwegler erklärt: «Der Sage nach ist bei der ehemaligen St. Niklaus-Kapelle, dort, wo heute die Hofkirche steht, ein Licht erschienen, das hell geleuchtet hat.» Eine Leuchte heisse auf Lateinisch «lucerna» woraus Luzern abgleitet wurde. «Deswegen wird Luzern übrigens auch «Leuchtenstadt» genannt», sagt sie. Das ist aber nur eine Theorie.

Denn es gibt noch eine andere, für Fischer besonders interessante Version. Die Stadführerin erklärt, dass Luzern seinen Namen vielleicht auch dank des Hecht-Fisches habe, der so zahlreich im Vierwaldstättersee schwimme. «Denn «Hecht» heisst in der lateinischen Sprache ‹lucius›.» Eine hohe Ansammlung von Hechten heisse dann «Luciara» woraus «Luzern» abgeleitet worden sein könnte, sagt sie. Luzern, ein ehemaliges Fischerdorf? Das könnte passen. «Eine abschliessende Theorie gibt es aber nicht», erklärt Schwegler.

Die Luzerner Lichtsage auf der Kapellbrücke. Oder waren es doch die Fische, die der Stadt den Namen gaben?

Die Luzerner Lichtsage auf der Kapellbrücke. Oder waren es doch die Fische, die der Stadt den Namen gaben?

(Bild: Andreas Bättig)

Warum ist die Kapellbrücke auf der Seeseite höher, als auf der Altstadtseite?

«Die Kapellbrücke gehörte früher zur inneren Stadtbefestigung», erzählt uns Schwegler. Sie sei auf der Seeseite höher, damit ein besserer Schutz gewährleistet sei. Armbrustschützen hätten sich so besser auf der höheren Seite der Brücke abstützen und die Stadt Luzern besser verteidigen können.

Die Kapellbrücke, ein Fixpunkt in der Stadtführung.

Die Kapellbrücke, ein Fixpunkt in der Stadtführung.

(Bild: Andreas Bättig)

Woher hat der Wasserturm seinen Namen?

Der Wasserturm stand nicht immer im Wasser. Wie die Stadtführerin Schwegler erklärt, wurde er im 13. Jahrhundert auf Stein gebaut und hiess schlicht «der neue Turm». «Er diente zur Überwachung des Schiffsverkehrs – vergleichbar mit dem Tower auf den heutigen Flughäfen.» Die ganze Umgebung um den Wasserturm herum sei ein Sumpfgebiet gewesen, wo sich gerne auch Störche aufgehalten hätten. «Deshalb befindet sich noch heute auf der Spitze des Turms eine Vorrichtung für ein Storchennest», sagt Schwegler.

Zwischen 1830 und 1837 sei die Gegend vor der Jesuitenkirche mit Quai Anlagen versehen worden. Der Brückenkopf der Kapellbrücke habe damit sein Gesicht stark geändert, der Wasserturm sei ins Wasser zu stehen gekommen und habe daher seinen Namen. «Auch die Kapellbrücke stand nicht immer komplett in der Reuss. Zeuge sind noch heute die Steinstützen», sagt sie und läuft weiter über die Brücke in Richtung Schwanenplatz.

Der Wasserturm trotze nicht immer der Reuss.

Der Wasserturm trotze nicht immer der Reuss.

(Bild: Andreas Bättig)

So sah der Schwanenplatz früher aus:

(Bild: Andreas Bättig)

Hier sei der Lederturm als Teil der inneren Stadtbefestigung gestanden, sagt Schwegler. Heute – so die Stadtführerin – werde beim Schwanenplatz weltweit der zweitgrösste Umsatz auf einem einzigen Platz gemacht, vor allem mit Schmuck und Uhren. «Über eine Milliarde, direkt nach dem Times Square in New York», klärt sie uns auf.

Befanden sich im Löwengraben früher Löwen?

«Nein», sagt Schwegler. Um die Stadt zu erweitern, sei dieser Befestigungsgraben im 19. Jahrhundert zugeschüttet worden. Zum Einsatz seien dabei Tagelöhner gekommen. «Diese bekamen pro Tag einen Taler, auch ‹Leu› genannt, ausbezahlt», erklärt sie. Daraus sei der Name «Leuen» oder eben «Löwengraben» entstanden. Im Hirschengraben seien übrigens tatsächlich Hirsche gehalten worden.

Der Löwengraben in Luzern hat nichts mit Löwen zu tun.

Der Löwengraben in Luzern hat nichts mit Löwen zu tun.

(Bild: Andreas Bättig)

Die Museggmauer: Früher zehn, heute neun Türme

Die Museggmauer war früher 900 Meter lang und hatte mal zehn Türme. «Heute ist sie 870 Meter lang und hat neun Türme. Der äusserste Turm, das Weggistor, wurde 1870 abgerissen. Man wollte die Stadt erweitern», sagt sie. Aus dem gleichen Grund sei auch fast die komplette innere Stadtmauer dem Erdboden gleich gemacht worden. Sie habe ursprünglich aus 16 Türmen bestanden. Heute seien nur der Zur Gilgenturm beim Schwanenplatz, das Mühlentor am Mühlenplatz, der Wasserturm und der Frauenturm beim heutigen Mittelschulzentrum übrig geblieben, so Schwegler.

So hat die Stadtmauer früher ausgesehen.

So hat die Stadtmauer früher ausgesehen (Martiniplan 1597).

(Bild: Andreas Bättig)

Die Luzerner kleckerten nicht, sie klotzten

Die Luzerner waren im 14. und 15. Jahrhundert beim Bau der Museggmauer etwa so bescheiden wie heute die Superreichen beim Bau ihrer Villen. Man habe gerne gezeigt, was man habe. Denn Luzern sei eine äusserst reiche Stadt gewesen. «Deshalb bauten man auch nicht einfach zehn gleich aussehende, sondern möglichst architektonisch unterschiedliche und in ihrer Erscheinung aussergewöhnliche Türme. Die Mauer war als Prestigebau auch Ausdruck der städtischen Autonomie und der Vorherrschaft der Stadt über das Land» so Schwegler.

Die Museggmauer über Luzern, ein beliebter Platz für Dates.

Die Museggmauer über Luzern, ein beliebter Platz für Dates.

(Bild: Andreas Bättig)

Der tödliche Steinregen des Wachturms

Früher hätten die Luzerner ihr gesamtes Schiesspulver vorsorglich in zwei Türmen gelagert: Dem heutigen Wachturm und dem heutigen Pulverturm der Museggmauer. «Dass das nicht ganz so schlau ist, merkten sie im Jahr 1701», fügt Schwegler an. Ein Blitzeinschlag habe mehrere Tonnen Schiesspulver entzündet und den Wachturm explodieren lassen. Ein Steinregen sei auf die Stadt herabgeprasselt, habe zahlreiche Häuser beschädigt und fünf Menschen erschlagen. «Der Wachturm wurde danach wieder aufgebaut und das Schiesspulver an einem anderen Ort gelagert – vom Blitz geschützt», sagt die Stadtkennerin.

Beste Aussicht: Vom Männliturm

«Der Männliturm gehört mit seiner Höhe knapp 34 Metern und zu den höchsten Türmen der Museggmauer. Nach einem Aufstieg über die 138 Treppenstufen hat man hier den besten Ausblick über die Stadt», findet Schwegler. Der Männliturm verdanke seinen Namen einem zwei Meter hohen geharnischten Krieger mit Fähnchen und Schwert, der zuoberst auf dem Turm throne. Der Krieger auf dem Männliturm lasse seinen Blick als Wächter über die Stadt schweifen und verspreche so seit Jahrhunderten Sicherheit für die Stadtbevölkerung, sagt sie.

Der Krieger auf dem Männliturm sorgt für Sicherheit und Schutz.

Der Krieger auf dem Männliturm sorgt für Sicherheit und Schutz.

(Bild: Andreas Bättig)

Der fette Nölliturm

Er ist der kleine Dicke der Museggmauer und steht am Ende, der Nölliturm. «Seinen Namen verdankt er seinem kugelrunden Aussehen. Als ‹Nölli› wurden früher nämlich stark beleibte Männer bezeichnet», weiss Schwegler uns zu erzählen.

Der kleine, dicke Nölliturm hat seinen Namen nicht von ungefähr.

Der kleine, dicke Nölliturm hat seinen Namen nicht von ungefähr.

(Bild: Andreas Bättig)

Die «Zombies» auf der Spreuerbrücke

Die Spreuerbrücke bildet den Abschluss der Stadtführung mit Sonja Schwegler. «Die Holzbrücke ist die älteste der Schweiz und wurde im Jahr 1408 fertiggestellt.» Wer über die Spreuerbrücke spaziere, solle sich das zweitletzte Gemälde auf der Seite des Naturhistorischen Museums mal genauer anschauen. Sonja Schwegler nennt die Darstellung die «Zombies aus Luzern». Darauf zu sehen ist die Darstellung der Auferstehung der Toten, bei dem die Toten wieder aus dem Boden herauskriechen.

Bilder von der Spreuerbrücke.

Die Zombies von der Spreuerbrücke.

(Bild: Andreas Bättig)

Liebesnester Museggtürme

Laut Sonja Schwegler haben schon manche Verliebte ihr Date bei der Museggmauer ausklingen lassen. Der Hauswart der Museggtürme hat beim abendlichen Rundgang und Abschliessen der Türme um 19 Uhr (bitte merken!) schon einige Liebespaare in flagranti erwischt.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Dani Galliker
    Dani Galliker, 16.08.2016, 13:16 Uhr

    Beim Bild zum Löwengraben hat sich ein ein kleiner Fehler eingeschlichen. Es handelt sich nämlich um den Grendel. Der Löwengraben beginnt erst nach der Mariahilfgasse 😉

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