Luzern: Tele 1 und Radio Pilatus spannen zusammen

Regionalmedien: Problematischer Umgang mit Gebührengeldern

Radio Pilatus und Tele 1 werden künftig von einem gemeinsamen Leiter elektronische Medien geführt.

(Bild: Facebookseite/Tele1)

Die Geschäfte von Tele 1 und Radio Pilatus werden zusammengelegt. Dieser Schritt ist umstritten, denn das Regionalfernsehen hängt am Gebührentopf. Damit begeben sich die Luzerner Monopolsender in eine rechtliche Grauzone.

«Radio Pilatus» und «Tele1» stehen neu unter einer zentralen Leitung (zentralplus berichtete). Ab sofort übernimmt der CEO der Radio Pilatus AG Joachim Freiberg die Leitung der beiden elektronischen Medien in der Zentralschweiz. Dies teilt das Mutterhaus, die NZZ-Mediengruppe, diesen Mittwoch mit.
 
Freiberg übernimmt also auch die Leitung des Zentralschweizer Fernsehens Tele1. Damit werden Radio und Fernsehen neu zentral geführt. Caroline Thoma, Geschäftsführerin Reichweitenmedien der NZZ-Mediengruppe: «Diesen Schritt in Richtung Konvergenz haben wir bei Radio und Fernsehen in der Ostschweiz bereits Ende 2014 erfolgreich umgesetzt. Eine gemeinsame Leitung der elektronischen Medien erleichtert die Zusammenarbeit und fördert die Innovation.»

Gibt es eine Quersubventionierung?

Diesen Schritt habe etwa «TeleBasel» auch vollzogen, allerdings nicht ohne Nebengeräusche, sagt dazu der Medienexperte und Geschäftsführer des Forschungs- und Beratungsunternehmens Publicom, René Grossenbacher. «Es geht vor allem um die digitalen Plattformen. Sowohl der Radio- wie auch der TV-Sender wollen im Online-Bereich wachsen und dort zusätzliche Inhalte anbieten.»

Grossenbacher erklärt: «Die Krux an der Geschichte ist die Konzession: Die regionalen TV-Sender erhalten Gebühren für ihr Kerngeschäft, das Fernsehen.» Nun würden sie aber vermehrt auch neue Kanäle beliefern und möglicherweise mit den Gebührengeldern quersubventionieren. «Deshalb zog im Basler Fall der regionale Konkurrent barfi.ch vor Gericht.»

Da das Bakom trotz hängiger Aufsichtsbeschwerde schweige, hat «barfi.ch» vergangene Woche weitere Schritte angekündigt. Das Unternehmen reichte Klage gegen das Amt sowie zeitgleich eine Aufsichtsanzeige beim Departement Leuthard ein. Unterstützung erhält barfi.ch von der «Basler Zeitung».

In einer solchen Konzession steht konkret: «Die Konzessionärin veranstaltet ein tagesaktuelles regionales Fernsehprogramm, das vorwiegend über die relevanten lokalen und regionalen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge informiert» und kann «programmbezogene Beiträge, die zeitlich und thematisch einen direkten Bezug zu Sendungen aufweisen, im Internet zugänglich machen». Das Zentralschweizer Regionalfernsehen Tele 1 erhält jährlich 2,4 Millionen Franken aus dem Gebührentopf.

Bakom zeigt sich kulant

Es gäbe zu dieser Thematik ganz verschiedene Ansichten, weiss Grossenbacher. «Ein Gutachten von Prof. Urs Saxer von der Universität Zürich hält aber fest, dass mit diesem Vorgehen die Konzession geritzt wird.» Verantwortlich für die Konzessionen ist das Bundesamt für Kommunikation (Bakom). Grossenbacher sagt: «Bisher zeigte sich das Bakom in der Konvergenz-Thematik kulant.» Die offenen Fragen sind also nicht abschliessend geklärt.

Joachim Freiberg (Bild: zvg)

Joachim Freiberg (Bild: zvg)

«Der Markt wandelt sich dauernd und der Online-Auftritt eines Mediums wird immer wichtiger», erklärt Grossenbacher. Zudem würden die klassischen Medien insbesondere bei einer jungen Zielgruppe zunehmend Mühe bekunden. «Rechtlich öffnen sich natürlich heikle Fragen: Konzessions-unabhängige Medien beklagen zu Recht eine Wettbewerbsverzerrung, wenn Gelder aus dem Gebührentopf in ein Online-Angebot fliessen.»

Wie geht es weiter? Die laufenden Konzessionsverträge dauern bis 2019, danach müssen sich die Anbieter wieder bewerben. «Bis dann muss sich das Bakom entscheiden, welchen Weg es gehen will». Was konkret im Fall von Tele1 und Radio Pilatus geschehen wird, sei schwierig abzuschätzen, erklärt Grossenbacher. «Dass das Bakom von sich aus einschreiten wird, denke ich nicht.»

NZZ-Mediengruppe sieht keine Probleme

Myriam Käser, Leiterin Unternehmenskommunikation der NZZ-Mediengruppe, glaubt nicht, dass es bezüglich der Konzession Probleme geben könnte. «Es ist selbstverständlich, dass wir uns vollständig innerhalb der konzessions- und medienrechtlichen Vorgaben bewegen werden», sagt sie. Die Unabhängigkeit von Tele1 sei in keiner Weise gefährdet. «Wir werden wie bis anhin zwei unabhängige Sender mit unabhängigen Redaktionen haben.»

Wie das Beispiel aus Basel zeigt, ist dies aber gar nicht der Punkt. Es geht auch um eine rechtliche Unabhängigkeit und genau da begibt sich Tele 1 in eine Grauzone. Die Aufgabe, Licht in diese zu bringen, liegt beim Bakom.

Pflichten gelten – unabhängig vom Führungsmodell

«Dass die Leitung dieser beiden Medien in den gleichen Händen liegt, ist aus rundfunkrechtlicher Sicht grundsätzlich möglich», sagt Bakom-Mediensprecherin Silvia Canova auf Anfrage. «Aus der Konzession ergeben sich Rechte und Pflichten, welche Tele 1 und Radio Pilatus unabhängig ihrer Führung und Organisationsstruktur erfüllen müssen.» Dazu gehören jährlich separate Jahresberichte und auch eine Jahresrechnung. «Im Rahmen der Jahresrechnung muss Tele 1 natürlich auch Rechenschaft über die Verwendung der Gebührengelder ablegen. Diese müssen zweckgerichtet und wirtschaftlich eingesetzt werden, eine Quersubventionierung von Radio Pilatus in irgendeiner Art und Weise wäre unzulässig», so Canova.

«Es muss klar ersichtlich sein, wie die Kosten des gemeinsamen Personals, der gemeinsamen Infrastruktur oder gemeinsamer publizistischer Auftritte (online) aufgeteilt und wie die Einnahmen aus einer gemeinsamen Vermarktung zugewiesen werden», führt Canova weiter aus. Aus heutiger Sicht könne nicht gesagt werden, ob und allenfalls welche Auswirkungen diese Neuorganisation beziehungsweise die gemeinsame Leitung auf die Erfüllung des Leistungsauftrags und die korrekte Verwendung des Gebührenanteils von Tele 1 haben könnte.

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