Sóley am Blue Balls

Auch in dunklen Abgründen leuchtet etwas

Die isländische Musikerin Sóley hat am Sonntagabend im Konzertsaal gespielt

(Bild: Dominik Meier/Blue Balls Music)

Das isländische Multitalent Sóley hat das Publikum am Blue Balls mit ihrer elfengleichen Stimme in eine eigenwillig-zauberhafte Welt entführt. Man hätte sich mehr gewünscht.

Wie an der Fussball-EM soeben in Frankreich staunt man auch in der Musikwelt, wie ein so kleines Land wie Island so viele talentierte Leute hervorbringen kann. Nebst den grossartigen Björk, Sigur Rós, GusGus und Of Monsters and Men gehört auch Sóley dazu, die am Sonntagabend im Weissen Saal im KKL auftrat.

Das Klicken der Fotografen

Zu Beginn wähnt man sich nicht am Blue Balls, sondern an einem für das KKL typischen Konzert einer klassischen Pianistin. Die isländische Musikerin Sóley Stefánsdóttir – ausgebildete Pianistin – lässt ihre Finger so sanft und gefühlvoll über die Tasten des Flügels wandern, dass es im nur halbvollen Saal mucksmäuschenstill wird und man (leider) sogar das Klicken der Fotoapparate hört.

Erst nach Minuten setzt der Gesang ein. Die klare und ebenso fragile Stimme von Sóley kommt im Konzertsaal des KKL noch besser zur Geltung als ab Platte. Sie erzählt von einer wunderbar bizarren, zuweilen schaurig dunklen Märchenwelt, etwa wenn sie singt: «The moon was laughing / and said ‹leave this dark cold place / the rabbit is preparing something bad›».

Helle Lichter in Abgründen

Begleitet wird Sóley von einem Bassisten und einer Pianistin am Keyboard. Sie und Sóley greifen hin und wieder zur Gitarre, manche der Songs sind mit Beats und Schlagwerksound unterlegt, der im Grunde klingt, als dringe er aus einer Kartonschachtel. Damit schafft die Isländerin einen mystischen Klangteppich, der trotz aller Melancholie etwas Tröstliches hat. Auch in den dunklen Abgründen leuchtet etwas.

 

Zwei Pianos, ein Bassist: Sóley und ihre Band am Blue Balls.

Zwei Pianos, ein Bassist: Sóley und ihre Band am Blue Balls.

(Bild: Dominik Meier/Blue Balls Music)

Als Kontrastprogramm fungieren die Sequenzen zwischen den Songs. Sóley interagiert munter mit dem Publikum, quatscht über die Kapellbrücke («Das ist die älteste Brücke Europas, oder? Wieso lacht ihr?»), zeigt sich erstaunt über den Saal («Ich dachte, das wäre einfach ein weiteres Festival.») und sagt, wieso es sie nervt, dass sie und viele andere Frauen sich viel zu oft entschuldigen.

Man fragt sich, wie ein heiterer Mensch wie Sóley solche Songs schaffen kann. Wenn sie indes erzählt, wie depressiv ein Januartag in Reykjavík sein kann, wenn sich die bezaubernde Stadt selbst kurz vor Mittag noch in Dunkelheit hüllt, kann man erahnen, wieso Sóley keinen Mainstream-Pop spielt.

Ein wenig Frühling

Für Abwechslung sorgen die vier neuen Songs, die Sóley derzeit für ihr drittes Album komponiert. Sie sind weniger wie eine Nebelschwade in der isländischen Landschaft, sondern – um bei den Jahreszeiten zu bleiben – wie ein Strahl der Frühlingssonne in einem langen Winter.

Sóley erklärt denn auch, dass sie sich an einem der erwähnten Januartage notiert habe: «Schreib über Hoffnung und Frühling.» Einer der neuen Songs beginnt sogar in Dur; die Ironie will es, dass die Sängerin gerade am Ende dieses Songs, der ihrer geliebten Tochter gewidmet ist, beinahe weint.

Bläser erwünscht

Trotz aller Schönheit der einzelnen Stücke, trotz magischer Momente: Insgesamt plätschert das Konzert von Sóley vor sich hin. Wie ein leichter, zauberhafter Tagtraum, den man geniesst, der einen aber nicht vollends in den Bann zieht.

Vor wenigen Tagen in Berlin ist Sóley mit einer grösseren Band, mit Akkordeon, Posaune und Klarinette aufgetreten. Gerne hätte man sie damit auch in Luzern gehört.

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