Blue Balls: Ein gelungener Auftakt

Überflüssige Stimmungsanheizer und ein überraschender Rausschmiss

Der Blues-Sänger Keb' Mo' weiss den Luzerner Saal zu überzeugen. Jedenfalls während der ersten drei Lieder.

 

(Bild: Marc Wermelinger)

Fulminant wurde am Freitag ein weiteres Mal das Blue-Balls-Festival eröffnet. Mit ebenso viel Energie ging es am Samstag weiter. KT Tunstall präsentierte Lieder von ihrem neuen Album, ein irischer Newcomer gab sein Schweizer Debüt und das Pavillon-Publikum wurde unverhofft in Bewegung gebracht.

Ein Besuch bei einem Festival stellt einen meistens vor die Herausforderung, seinen Abend entsprechend zu planen, um keine der Bands zu verpassen, die man gerne sehen will. Der Fakt, dass das Blue Balls auch dieses Jahr wieder ein grossartiges Line-up hat und der Weg zwischen den Bühnen jeweils einen längeren Fussmarsch beinhaltet, macht das Ganze nicht unbedingt leichter. Vielleicht trifft man da das eine oder andere Mal die falsche Entscheidung und muss sich dann von Freunden, Bekannten oder in meinem Fall von seiner Mutter anhören, dass «übrigens im Schweizerhof eine megatolle Band gespielt hat».

Aber man soll ja bekanntlich nicht meckern, es gibt ja auch gar keinen Grund dazu. Denn selbst wenn man einige musikalische Erlebnisse verpasst, kann man womöglich zur gleichen Zeit anderswo ein genauso eindrückliches Konzert erleben.

Stairway to the Crowd

Zum Beispiel jenes von Verena von Horsten im Pavillon. Hinter einem Namen wie diesem würde man wohl eine High-Society-Dame vermuten. Doch weit gefehlt. Mit violetten Locken, einem Negligé-artigen weissen Kleid und wuchtigen, ebenfalls weissen High Heels war Verena von Horsten alles andere als eine vornehme alte Dame. Mit vollem Körpereinsatz wirbelte sie auf der Pavillonbühne zum Klang des Synth Rock, den die Band souverän ablieferte.

Immer wieder wagte sie sich über die kleine Treppe am Rand der Bühne ins Publikum und versuchte dieses tanzend und hüpfend mitzureissen. Bei manchen leider vergebens. Bei anderen sprang der Funke doch noch über und nach der dritten Reise in die Menge schüttelte das Publikum seine Schüchternheit ab und liess sich auf einen Tanz mit Verena von Horsten ein.

Ein regelrechter Fotografen-Auflauf

Mit einem Medien-Badge kommt man unter anderem zu der Ehre, in die Kreise der Fotografen aufgenommen zu werden. Vor dem KKL-Eingang sammelte sich deren Elite, vollbepackt mit Kameras, so dass man sich mit seiner mickrigen Canon-Kamera ganz schön lausig vorkam. Kurz vor Konzertbeginn begab sich die Gruppe dann in den KKL-Konzertsaal und bereitete das Equipment vor.

Keb› Mo› betritt die Bühne und die Arbeit beginnt. Kniend, hockend, fast schon schleichend bewegten sie sich vor der Bühne hin und her, um niemanden beim Konzerterlebnis zu stören. Was man dann als Festival-Neuling nicht weiss, ist, dass die Karawane nach drei Songs weiterziehen muss. Deshalb blieb der Eindruck, dass Keb› Mo› unglaublich bluesig war, eine einzigartige Coolness ausströmte und der Konzertsaal so leise war, dass selbst das «Klack»-Geräusch zu hören war, als der Musiker seine Gitarre anschloss. Ob das so blieb, lässt sich nicht sagen, denn nachdem Keb› Mo› und Band ihr drittes Lied fertiggespielt hatten und er mit seiner Reibeisen-Stimme zögerlich fragte, «May we play another one?», schloss sich die Tür hinter uns und der Foto-Zug reiste weiter in Richtung Luzerner Saal.

Jugend trifft auf Erfahrung

Nachdem man seine Lektion mit dem Fotografieren gelernt hatte, konnte man sich nun auf eine königliche Kombo freuen. Zuerst durften Bry aus Irland sich auf der Bühne breitmachen. Die vier Jungs, die nicht viel älter als 20 Jahre sein dürften, können zu Recht als neue Indie-Hoffnung bezeichnet werden. Mit gefühlvollen und rockigen Songs oder «Sad Indie Music», wie es Bry selber bezeichneten, konnten sie den halbvollen Luzerner Saal davon überzeugen, dass man ebensolche Musik machen kann, ohne dabei seinen irischen Charme und Witz zu verlieren. Zum Schluss, quasi, um auf den Hauptact KT Tunstall aufmerksam zu machen, spielten Bry «Same Jeans» von The View, weil diese ebenso wie KT Tunstall aus Schottland kommen.

Mit glitzernden Hosen und Boxerschuhen betrat dann KT Tunstall die Bühne. Als Blue-Balls-Veteranin wusste sie genau, wie man mit dem Schweizer Publikum umgehen musste. Doch auch eine erfahrene Künstlerin ist vor technischen Problemen nicht gefeit. Nachdem das Mikrofon dann funktionierte, wurde auch gleich in die Saiten gegriffen. Viele neue Songs trug sie vor, die das Publikum zwar zum Mitwippen brachten, aber nicht wirklich zu überzeugen vermochten.

Spätestens aber, als sie ihren Zettel vom Boden hochhob und sich in quasi akzentfreiem Schweizerdeutsch beim Pulikum bedankte, erwachte dieses. Der Luzerner Saal war vollends beeindruckt und die Leistung wurde entsprechend mit Applaus belohnt. Dann liessen die restlichen Musiker KT alleine auf der Bühne und sie spielte ihren Hit von 2004 «Black Horse And The Cherry Tree». Das wäre an und für sich ein wunderbarer Moment zum Geniessen. Allerdings kam dann ein Kazoo zum Einsatz, das «Seven Nation Army» anspielte und ein Mitjohlen verursachte. So wirklich nötig wäre dieser billige Stimmungsanheizer nicht gewesen, aber seinen Zweck verfehlte er eindeutig nicht. Ein jubelnder Luzernersaal verabschiedete eine glückliche KT Tunstall.

Das restliche Programm des Blue Balls verspricht noch viele weitere Highlights während der nächsten Woche. zentralplus bleibt für Sie am blauen Ball dran.

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