Das Luzerner Theater feiert Abschied

Auf Wiedersehen, Luzern – mit Dank, aber auch Kritik

Es ist nun für viele Menschen an der Zeit, Abschied zu nehmen vom Luzerner Theater. Dominique Mentha bei seiner letzten Premiere in Luzern «Il Viaggio a Reims».(Bild: Sylvan Müller)

Dominique Menthas Intendanz am Luzerner Theater ist zu Ende. Vom neuen Team hat man schon viel erfahren. Jetzt ist es Zeit für einen Rückblick. Das abtretende Team spricht von schönen Erinnerungen – findet aber auch kritische Worte.

Nach 12 Jahren Mentha-Ära ist am 19. Juni nun die Zeit des Abschieds gekommen. Mit Intendant Dominique Mentha verlassen auch zahlreiche Mitarbeiter und Ensemble-Mitglieder aus Tanz, Schauspiel und Musiktheater das Haus. Ein neues Team um Intendant Benedikt von Peter übernimmt.

Doch bevor die Menschen, die uns in den vergangenen Jahren mit ihrer Kunst beglückt, erstaunt, verwirrt und auch mal verärgert haben, Luzern den Rücken zukehren, wird gefeiert.

Zum Abschluss der letzten Spielzeit steht das Haus am Samstag ab 18 Uhr offen – für das Abschiedsfest. Es gibt einen «Flohmarkt der Eitelkeiten und Sentimentalitäten», mit Spanferkel und Bier vom Fass, Musik und viel Tanz. «Es soll ein letztes Mal in Erinnerungen geschwelgt, lustige Anekdoten erzählt, gelacht und geweint werden. Vorbeikommen, abtanzen, austrinken!», heisst es auf der Webseite des Luzerner Theaters.

Wir geben das Wort nochmals an das abtretende Team weiter. Für Dankeshymnen, Abschieds- und Lobesworte, aber auch kritische Anmerkungen und Blicke in die Zukunft.

Der Intendant darf seine Vorsicht verlieren

Dominique Mentha ist kein sentimentaler Mensch. Zum Abschied sagt er: «Ankommen ist schön, weggehen ebenso. Das Leben geht weiter.» Sein Weg führt ihn zum Inszenieren nach Innsbruck, Wien, Kassel, Köln und so weiter und zum Unterrichten nach Graz.

Die Zeit in Luzern sei eine ungewöhnliche gewesen, da die Herausforderungen ganz anders waren als in Innsbruck und Wien. «Ich musste vorsichtiger agieren», betont Mentha. Schaue er in die Zukunft des Luzerner Theaters, sei er entschieden der Meinung, dass Luzern ein neues Theater brauche. «Aber auch, dass es nicht zu gross sein darf. Nicht zuletzt wegen der Finanzen.»

Dominique Mentha (Bild: Sylvan Müller)

Dominique Mentha (Bild: Sylvan Müller)

Der Schauspielleiter kommt mit dem Abschied gar nicht hinterher

Andreas Herrmann verlässt das Haus nach fast zehn Jahren ganz gespalten. Er sei auf der einen Seite euphorisch. «Da die komplexe, fordernde Einbindung in einen Betrieb wegfällt und der Kopf frei wird.» Er sei aber auch traurig, weil viele schöne Arbeitsbeziehungen zu Ende gehen.

Es gehe ihm gut. «Weil wir hier so viel in die Welt setzen und gestalten konnten. Aber gleichzeitig fühlt es sich momentan auch komplett irritierend an, weil ich mit dem Abschiednehmen gar nicht so richtig hinterherkomme.»

«Alle Abteilungen arbeiten grossartig. Ich wünsche dem Haus, dass das so bleibt.»

In Luzern habe er so viele Begegnungen mit tollen und mutigen Menschen erlebt, die im gemeinsamen Nachdenken über unsere merkwürdige und unbegreifliche Realität immer wieder neue Realitäten auf der Bühne erfinden. Das Privileg, über die lange Zeit von neun Jahren kontinuierlich etwas aufbauen und arbeiten zu können, sei hier besonders gewesen.

Herrmann hofft, dass die gute Arbeitsstimmung im Haus erhalten bleibe. «Alle Abteilungen arbeiten grossartig auf professioneller und menschlicher Ebene. Ich wünsche dem Haus, dass das so bleibt. Auch mit neuen Leuten, neuen Wegen und vielleicht auch in einer neuen Hülle.»

 

Andreas Herrmann (Bild: zvg)

Andreas Herrmann (Bild: zvg)

Die Schauspieler wollten schon Wurzeln schlagen

Das Schauspielerpaar Jörg Dathe und Bettina Riebesel war waren acht beziehungsweise zehn Jahre in Luzern. «Da fängt man schon an, ein wenig Wurzeln schlagen zu wollen», geben sie zu.

Die beiden haben das Glück, zusammen weiter ans Theater nach Konstanz gehen zu können. «Das ist auch nicht so weit weg und wir werden sicher immer mal wieder in Luzern zu Gast sein», versprechen sie. Für das verheiratete Paar war es ein grosser Vorteil, auch in Luzern zusammen engagiert gewesen zu sein. Viele Paare in diesem Beruf müssen getrennt an verschiedenen Orten leben.

«Fast die ganzen Jahre stand unsere Arbeit auch im Schatten einer unermüdlich geführten kulturpolitischen Debatte.»

Besonders die vielen tollen Menschen würden sie vermissen, denen sie begegnen konnten. «Aber auch die wunderschöne Landschaft und die reiche Kultur, auch die Sprache, das Essen, die Zuverlässigkeit der Busse und Züge, das Kino – überhaupt die Kreativität, mit der das Leben hier organisiert ist.»


Schade finden die beiden an ihrer Zeit hier vor allem eines: «Dass eigentlich fast die ganzen Jahre unsere Arbeit auch im Schatten einer unermüdlich geführten kulturpolitischen Debatte gestanden hat.»

Das Theater der Zukunft werde nicht viel anders sein als das der Gegenwart: interessante Geschichten, spannende Themen, Musik, Tanz, Sprache, Emotionen, Gedanken. «Schöne Räume sind auch wünschenswert, aber sie garantieren noch keinen interessanten Inhalt», merken sie zum Schluss an.

 

Jörg Dathe und Bettina Riebesel (Bilder: Sylvan Müller)

Jörg Dathe und Bettina Riebesel (Bilder: Sylvan Müller)

Die Tänzerin macht einen Karrieresprung

Chiara Dal Borgo blickt mit einem komischen Gefühl zurück. «Als ich damals 2009 hier ankam, war ich gerade einmal 23 Jahre alt. Heute bin ich 30 und es fühlt sich an, als wäre es erst gestern gewesen. Ich hatte die Möglichkeit, mit so vielen verschiedenen Choreografen und grossartigen Menschen zu arbeiten. So bin ich durch das Luzerner Theater gewachsen – künstlerisch, aber auch persönlich.»

Den grossen Abschied hat Dal Borgo schon gefeiert: mit der letzten Vorstellung von «Tanz 21: Bolero plus 2». Dabei habe sie nochmals jede einzelne Sekunde auf der Bühne mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ensemble genossen. «Es war so wunderbar, aber auch sehr emotional. Ich möchte mich gerne beim Luzerner Publikum für diesen besonderen Abend bedanken, denn es hat mir so viel Zuneigung geschenkt – nicht nur an diesem Abend, sondern während der letzten sieben Jahre.» Auch die Abschiedsworte von Kathleen McNurney, der Tanz-Direktorin, hätten sie zutiefst gerührt.

«Luzern ist in den sieben Jahren meine Heimat geworden.»

Nach diesem emotionalen Abschied wird sich die Tänzerin auf ein neues Abenteuer in Deutschland begeben und am Nationaltheater Mannheim unter der Ballettintendanz von Stephan Thoss tanzen. «Diese Chance ist ein grosser Sprung in meiner Karriere», betont sie.

Neben ihren Kollegen und Freunden werde sie bestimmt auch die Berge und den Vierwaldstättersee vermissen. «Luzern ist in den sieben Jahren meine Heimat geworden und ich werde auf viele Besuche kommen, das ist sicher.»

Chiara Dal Borgo (Bild: Sylvan Müller)

Chiara Dal Borgo (Bild: Sylvan Müller)

Der Sänger hat die Schweiz lieben gelernt

Der Bariton Todd Boyce war für fünf Spielzeiten am Luzerner Theater und er blickt gerne auf die Zeit zurück. «Ich konnte die Fortschritte meiner Kollegen beobachtet, wir haben gemeinsame Herausforderungen bewältigt, hunderte, tausende Stunden auf der Bühne musiziert und erlebt.» Durch die hunderten von Vorstellungen und die tausenden von Proben lerne man auch sich selber kennen. Aber auch die Schweiz hat der Amerikaner in Luzern kennen und lieben gelernt.

Alle Dankbarkeit für die Zeit hier werde er mit nach Bern nehmen, an seine neue Stelle am Konzert Theater, und hoffen, das eine oder andere bekannte Gesicht aus dem Publikum dort auch sehen zu dürfen.

Todd Boyce (Bild: Sylvan Müller)

Todd Boyce (Bild: Sylvan Müller)

Die Chefrequisiteurin fährt erstmal in den Urlaub

Daniela Erni (Bild: zvg)

Daniela Erni (Bild: zvg)

Daniela Erni geht nach ihrem Job als Chefrequisiteurin erstmal in lange Ferien mit viel Zeit für all die Dinge, die neben dem Arbeiten zu wenig Platz hatten. «Danach werde ich ein Masterstudium in Transdisziplinarität an der ZHdK beginnen, in welchem ich mich vermehrt individuellen Projekten widmen kann.»

«Ich gehe mit einem weinenden Auge, da ich wohl einen der schönsten Arbeitsplätze überhaupt verlassen werde, da ich viele wunderbare Momente und Begegnungen mit tollen Menschen hinter mir lasse, aber da sind auch Neugier und ein lachendes Auge, welches sich auf die Zukunft, das Unbekannte und neue Erlebnisse und Begegnungen freut.»

So richtig realisieren werde sie den Abschied wahrscheinlich erst, nachdem sie eine gewisse Distanz haben werde. Und dann habe sie aber viele schöne Momente, an welche sie zurückdenken kann.

Der Regieassistent wird Regisseur

Den Regieassistenten Maxime Mourot zieht es nach Frankfurt am Main, wo er ein Regie-Studium beginnt. «Ich habe in den zwei Jahren hier wichtige Dinge gelernt und bin wichtigen Menschen begegnet. Und jetzt geht es weiter.» 

Maxime Mourot (Bild: jav)

Maxime Mourot (Bild: jav)

Erinnern möchte und werde er sich vor allem an die Kollegen, «die für ihre Sache brennen, an die Projekte und Ideen, die einen nachts nicht schlafen lassen». Und an das Gefühl, hier kurz zu Hause gewesen zu sein.

«Alle Ensemblemitglieder und Mitarbeitenden des Hauses möchten Danke sagen für die tolle Zeit in Luzern», heisst es vonseiten des Luzerner Theaters.

Und auch wir sagen: Danke. Und hoffentlich auf Wiedersehen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von tonino wir sind cool.org
    tonino wir sind cool.org, 18.06.2016, 12:40 Uhr

    Gut bleibt ZENTRAL+ dran. Der gestrige Schlussabend war GROSSartig und macht Lust auf die kommende Theater Saison.
    «Das Theater der Zukunft werde nicht viel anders sein als das der Gegenwart: interessante Geschichten, spannende Themen, Musik, Tanz, Sprache, Emotionen, Gedanken.»

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  • Profilfoto von Lenox
    Lenox, 18.06.2016, 11:03 Uhr

    Schöne Verabschiedung. Schöner Bericht. Jedoch verabschiedet sich das Luzerner Theater mit Ende dieser Saison nicht nur von Mitarbeitern sondern von einer ganzen Spielstätte, dem UG. Wo bleibt die Lobeshymne ans UG? Sie hätten es sich ebenso verdient!

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