Kommentar zu Gundula und Stella Matta in Luzern

«Hausbesetzung light» – legal, illegal, egal?

Botschaften der Besetzer an die Passanten.  (Bild: jwy)

Auf Gundula folgt Stella Matta. Luzern hat schon wieder ein besetztes Haus. Die «Belebenden», wie sich die Besetzer nennen, scheinen dieselben zu sein. Ihr Auftreten wirft jedoch Fragen auf. Eine Besetzungskritik.

Luzern hat wieder ein besetztes Haus. Samstagnacht, am 11. Juni, wurde ein leerstehendes Haus an der Sternmattstrasse 68 besetzt (zentralplus berichtete). Das rund einen Monat nach dem Auszug der Besetzergruppe Gundula aus der Obergrundstrasse 99.

Freude gegen Ärger

Die Reaktionen gehen auseinander. Auf der einen Seite freuen sich viele Luzerner über die Rückkehr der Aktivisten – oder einfach nur darüber, dass im beschaulichen Städtchen mal wieder etwas passiert? Etwas, das nicht die Salle Modulable betrifft.

Ärger über die Hausbesetzung vernimmt man, neben den Besitzern und der Polizei, auch von anderer Seite. Wenn der Besitz anderer einfach in Beschlag genommen wird, können das sehr viele Menschen in einer kapitalistischen, durchorganisierten, gesetzlich geregelten und demokratischen Schweiz nicht akzeptieren.

Verstehen kann man beide Seiten. Dass viele Menschen es nicht in Ordnung finden, wenn eine Gruppe von Menschen den Besitz anderer beansprucht und besetzt, weil sie der Meinung sind, dass diese es nicht so nutzt, wie sie sollten? Denkt man diese Argumentation konsequent weiter, wird es radikal: So könnte schlussendlich jede Form von Diebstahl gerechtfertigt werden. «Du nutzt deinen Besitz nicht genug, ich nehm dir den jetzt weg.»

Gibt Geld jedes Recht?

Aber auch die Intention der Besetzer ist verständlich.

Denn wer kann wirklich dazu stehen, dass es Sinn macht, ein denkmalgeschütztes Haus vergammeln zu lassen, bloss weil ein millionenschwerer Investor es gerne abreissen möchte? Oder dass es Sinn macht, ein Haus jahrzehntelang leerstehen zu lassen, weil die verstorbenen Besitzer in Erinnerung bleiben möchten?

Man kann den Besetzern auch zustimmen, dass es absurd ist, «dass wer genügend Geld hat, auch nach seinem Tode am Besitz festhalten und diesen somit der Allgemeinheit stehlen kann».

Verständlich ist auch, dass die Besetzer nach mehr kulturellem Freiraum in Luzern streben. Denn das Bedürfnis danach ist in Luzern seit der Schliessung der Boa 2007 nie wirklich befriedigt worden. Und ein Raum, welcher nicht intendantisch geführt wird – in welchem frei gewirkt werden kann –, lässt viel mehr entstehen. Kurzfristig war das bei der Zwischennutzung Himmelrich zu sehen. Ein Beispiel dafür übrigens, wie man es als  Hausbesitzer auch machen könnte. Und wie viel positive Reaktionen darauf folgen.

Aber doch nicht so!

Was keinen Sinn macht, ist die Art der Kommunikation. Wenn man wirklich mit der Bevölkerung, den Besitzern oder auch den Medien in Kontakt treten möchte und sich im Recht sieht – was soll dieses anonyme Getue und ständige Nicht-erreichbar-Sein?

Zudem wechselt die Meinung bei den Besetzern wie ein Fähnchen im Wind. «Wir werden das Haus nicht freiwillig verlassen», schreibt Stella Matta in der Mitteilung. Doch wer glaubt denn nach Gundula noch daran?

Auch damals riefen die Besetzer dazu auf, sich mit der Gruppe zu solidarisieren und sich bei der Villa einzufinden, als die Räumung drohte. Bei einer Sitzung im Plenum wurde herzhaft gelacht, als die Frage aufkam, ob man freiwillig gehen wolle.

Das Verlassen des Hauses sollte gemäss Besetzern wenn, dann «kulturell inszeniert» werden – von grossem Trara, Verbarrikadieren und Strassensperre war im Plenum die Rede. Doch von Inszenieren konnte schliesslich keine Rede sein. Sang- und klanglos verliessen die Besetzer die Obergrundstrasse. Die «Belebenden» wollen offensichtlich doch nicht zu viel Ärger in Kauf nehmen.

Ungehorsam ja, aber bitte nicht zu viel davon?

Etwas unverständlich auch: die passive Opferhaltung, die Erwartungshaltung. «Leider hat die Vertretung der verstorbenen Hausbesitzer/innen keinen Kontakt mit den Belebenden aufgenommen, obwohl es dazu Möglichkeiten gab.» Es scheint den «Belebenden» das Bewusstsein dafür abhanden gekommen sein, dass sie illegal ein Haus besetzen.

Und nach einer Reaktion wie der des Stiftungsrats Peter Bachmann – «Das sind Einbrecher, und es ist klar, dass wir von der Stiftung Strafanzeige erstatten» – rechnet man doch wohl kaum mit einem netten Brief, welcher nach den Ideen fragt.

Inakzeptabel fanden die Besetzer an der Obergrundstrasse auch, dass der Besitzer Bodum nicht verhandeln wolle. «Die Gruppierung hat sich in allen Punkten an den vorgeschlagenen Fahrplan der Eigentümerin gehalten. Dass dies bei der Bodum Invest AG nicht der Fall ist, lässt daran zweifeln, dass jemals eine gemeinsame Lösung in der Frage des Projekts Gundula ernsthaft in Betracht gezogen wurde.»

Hausbesetzen – entweder ganz oder gar nicht

Entweder man bekennt sich dazu, was man Illegales tut, und zieht es durch, dann aber auch mit allen Konsequenzen.

Oder man nutzt die legalen Mittel – stellt die Leute, die Häuser verlottern lassen, in den öffentlichen Fokus, demonstriert, engagiert sich politisch.

Aber bei diesen «Hausbesetzung light» weiss man einfach nicht so recht, woran man ist – und ob’s so was bringt?

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