Luzern: Verkehrsprojekt steht vor dem Aus

Neue Öko-Allianz könnte Parkhaus Musegg versenken

Sicht auf die Luzerner Altstadt samt Museggtürmen. Der rote Pfeil zeigt an, wo in etwa die Einfahrt ins unterirdische Parkhaus wäre.

(Bild: zVg)

Dem ambitionierten Projekt eines Auto- und Car-Parkhauses im Musegghügel droht ein abruptes Ende. Sowohl im Stadtrat als auch im Parlament wird es sehr eng, nicht zuletzt wegen der letzten Wahlen – darauf hoffen zumindest die Gegner. Ihnen gibt der künftige SP-Stadtpräsident Beat Züsli tüchtig Hoffnung.

25 zu 23: Ab September verfügen SP, Grüne und GLP im 48-köpfigen Stadtparlament erstmals über eine knappe Mehrheit. Grund: Die SP hat bei den Wahlen vom 1. Mai auf Kosten der CVP und somit des bürgerlichen Lagers zwei Sitze zulegen können. Diese Allianz wird künftig vorab in ökologisch-energetischen Fragen greifen. Dazu gehört speziell das umstrittene Projekt Parkhaus Musegg. Dieses wird von SP und Grünen seit Langem heftig bekämpft. Nun ist man auf linker Seite schon siegessicher, zusammen mit der GLP das Projekt versenken zu können. Denn diese sendet klare Signale.

GLP tendiert stark zu Nein

Die Möglichkeit für einen vorzeitigen Übungsabbruch ist gegeben, wenn man GLP-Fraktionschef Andras Özvegyi zuhört: «Wir von der Fraktion stehen dem Projekt sehr, sehr kritisch gegenüber.» Zwar gebe es auch Parteimitglieder, die zuwarten wollten. «Aber der Tenor ist klar: Das Projekt belastet das Stadtzentrum zusätzlich, bringt mehr Verkehr rein, ist kaum rentabel zu betreiben. Zudem ist die zwingende Kompensation der Oberflächenparkplätze nicht realistisch.»

Ein Nein im Stadtparlament wäre der Todesstoss für das Projekt. Dann nämlich gäbe es auch keine Volksabstimmung darüber. Aber womöglich scheitert das Projekt auch schon im Stadtrat. Doch dazu später mehr.

Hier beim Falkenplatz in der Luzerner Altstadt könnten die Touristen und Besucher das Parkhaus verlassen/betreten. (Quelle: www.museggparking.ch)

Hier beim Falkenplatz in der Luzerner Altstadt könnten die Touristen das Parkhaus verlassen/betreten. Der exakte Standort für den Ein-/Ausgang ist jedoch noch nicht definiert.

700 unterirdische Parkplätze

Das Parkhaus Musegg sieht unter dem Musegghügel auf vier Etagen ein Parkhaus für 660 Autoparkplätze, 36 Reisecars und sieben Car-Anhalteplätze vor. Die Einfahrt ist im Bereich Geissmatt geplant, direkt bei der Autobahnausfahrt. Fussgängertunnels sollen die Besucher in die Altstadt und zur Museggstrasse führen. Hinter dem Projekt steht die Musegg Parking AG mit Präsident Fritz Studer, ehemaliger CEO der LUKB als Präsident. Sowohl die Baukosten von 150 Millionen Franken als auch der Betrieb und Unterhalt sollen von Privaten getragen werden. Wegen des geltenden Mobilitätsregelments, das Mehrverkehr in der Stadt verbietet, müssten als Kompensation jedoch zwingend 300 bis 600 Oberflächenparkplätze abgebaut werden – ein sehr umstrittener Punkt.

«Das Projekt schon im Vorfeld abzuschreiben, wäre unseriös.»

André Marti, Projektleiter Parkhaus Musegg

Ziel des Projekts: den Schwanenplatz von den Reisecars befreien, die Innenstadt vom Sucherverkehr entlasten und den Zugang ins Stadtzentrum komfortabler gestalten.

Auf dieser Visualisierung sind die Dimensionen des unterirdischen Parkhauses gut zu sehen.

Auf dieser Visualisierung sind die Dimensionen des unterirdischen Parkhauses gut zu sehen.

Öffentlichkeit wird im Herbst informiert

Zum politischen Widerstand, der sich zusammenbraut, hält sich Parkhaus-Projektleiter André Marti zurück: «Es ist normal, dass ein solch komplexes Vorhaben polarisiert. Wir wollen nun ein gutes Vorprojekt erarbeiten.» Erst danach könne man es richtig beurteilen. «Es im Vorfeld schon abzuschreiben, wäre unseriös.»

Das Vorprojekt zum Parkhaus Musegg soll laut Marti diesen August zur Vorprüfung an den Kanton gehen. Wenn alle Fakten vorliegen, wird im Herbst die Öffentlichkeit informiert. Danach wird zuerst der Stadtrat über die nötige Umzonung Stellung nehmen, dann das Stadtparlament. Nur falls beide Organe dem Neubau zustimmen, käme das Parkhaus in der zweiten Jahreshälfte 2017 vors Volk (siehe Box am Textende).

Gegner zählen auf Züsli

Auf ein Einschreiten der Politik zählen auch viele Quartierbewohner, die vom Parkhaus betroffen wären. Sie befürchten massiv mehr Verkehr, Lärm und Gestank. Die Gegner werden vom Quartierverein Luegisland unterstützt. Im März 2015 scheiterten sie im Stadtparlament hauchdünn mit ihrer Volksmotion «Gegen das Parkhaus Musegg».

«Aus meiner Sicht ist der Bedarf für eine grössere Anzahl Parkplätze nicht gegeben.»

Beat Züsli, SP-Stadtrat und Stadtpräsident ab 1. September

Präsident des Gegnerkomitees ist Andreas Stäuble: «Wir hoffen, dass der neu gewählte Stadtrat sowie das Stadtparlament einsehen, dass der Standort für dieses Parkhaus völlig falsch ist.» Zumal mit Beat Züsli von der SP ein erklärter Gegner des Projekts nicht nur als Stadtrat, sondern gar als Stadtpräsident gewählt worden sei. «Zusammen mit Manuela Jost von der GLP, die in Verkehrsfragen auch eher linke Positionen vertritt, könnte der Stadtrat das Projekt beerdigen», sagt Stäuble. Und teilt diese Meinung auch auf der Komitee-Webseite:

So freut sich das Gegner-Komitee auf seiner Webseite auf den künftigen Stadtpräsidenten Beat Züsli.

So freut sich das Gegner-Komitee auf seiner Webseite auf den künftigen Stadtpräsidenten Beat Züsli.

Züsli zweifelt stark am Projekt

Und was sagt der neue, am 30. Juni vereidigte und ab 1. September amtierende «Stapi» Züsli dazu? «Aus meiner Sicht ist der Bedarf für eine grössere Anzahl Parkplätze nicht gegeben, da die bestehenden Parkhäuser selten ausgelastet sind. Das unbestritten vorhandene Problem mit den Reisecars muss mit anderen Mitteln gelöst werden, eine fertige Lösung gibt es aber dazu wohl (noch) nicht.»

Züsli zweifelt zudem an der Wirtschaftlichkeit eines solchen «in der Erstellung sehr teuren Parkhauses, das wohl nur genügend ausgelastet würde, wenn nicht Strassenparkplätze rigoros abgebaut würden. Ob dieser Abbau aber politisch mehrheitsfähig wäre, ist sehr unsicher». Nun seien aber zuerst die Ergebnisse aus den laufenden Abklärungen abzuwarten, bevor Entscheide getroffen werden könnten.

Ein Querschnitt durch das geplante unterirdische Parkhaus Musegg.

Ein Querschnitt durch das geplante unterirdische Parkhaus Musegg.

(Bild: zvg)

Ist auch der Stadtrat dagegen?

Rein rechnerisch gesehen ist die Hoffnung von Stäuble begründet: Wenn schon der Stadtrat zum Entschluss kommt, dass das Projekt nicht unterstützungswürdig ist, ist es bereits in dieser Phase gestorben. Dann könnten weder das (auch zum Nein tendierende) Stadtparlament noch das Volk das Steuer herumreissen, wie Stadtschreiber Toni Göpfert bestätigt.

Doch ob der Stadtrat das Projekt tatsächlich versenken wird, ist reine Spekulation. Obwohl: Nebst den beiden linken Stadträten Adrian Borgula und Beat Züsli müsste sich auch GLP-Stadträtin Manuela Jost dagegen aussprechen – was aufgrund der kritischen Haltung ihrer Fraktion durchaus der Fall sein könnte. Bislang hat sich der Stadtrat allerdings stets interessiert und offen am Projekt gezeigt und arbeitet deswegen mit den privaten Initianten zusammen am Vorprojekt.

Bemerkung am Rande: GLP und SP haben bekanntlich einen umstrittenen Wahl-Deal abgeschlossen, der noch immer nicht vollständig transparent ist. Gemäss den Beteuerungen beider Parteien war das Projekt Parkhaus Musegg aber nicht Teil der Vereinbarung.

«Wir wollen nicht einfach etwas abschiessen, ohne Lösungen zu präsentieren.»

Mario Stübi, SP-Grossstadtrat

Dass der Stadtrat das Parkhaus als Chance sieht, bestätigte er soeben in seiner Antwort auf einen SP-Vorstoss (siehe Box). Das Parkhaus Musegg könne eine Lösung für die Probleme mit den Touristencars darstellen, insbesondere am Schwanenplatz. Zudem könne mit dem Parkhaus die Innenstadt attraktiver werden: Wenn eine stattliche Zahl von Oberflächenparkplätzen abgebaut werden könnten, könne man diese Flächen für öffentliche Nutzungen umgestalten. Das führe zu weniger Verkehr und höherer Aufenthaltsqualität.

SP will Alternativen aufzeigen

Diese Darstellung ist laut der SP jedoch «illusorisch», wie Grossstadtrat Mario Stübi sagt. Denn: «Das Mobilitätsreglement wird nicht eingehalten werden können, und das darf nicht sein.» Stübi will aber verhindern, dass die SP bloss als Verhinderer von Grossprojekten wahrgenommen wird – siehe Salle Modulable. Deshalb versichert er: «Wir wollen nicht einfach etwas abschiessen, ohne Lösungen zu präsentieren.» Man arbeite deshalb an alternativen Ansätzen, um aufzuzeigen, wie das Parkplatzproblem und die Aufwertung auch ohne neues Parkhaus gelöst werden könnten. Spruchreif sei jedoch noch nichts. Es gehe aber in die Richtung, die bestehenden Parkhäuser besser auszulasten und den Autoverkehr weiter zu reduzieren.

Ob das Mobilitätsreglement tatsächlich nicht eingehalten werden kann – also dass gleich viele Parkplätze in der Stadt abgebaut werden, wie im Parkhaus neu entstehen –, ist allerdings noch unklar. Unter anderem an dieser Frage arbeitet die Stadt derzeit. Konkret wird berechnet, welche Parkplätze wie viele Fahrten generieren. Stadtrat Adrian Borgula (Grüne), Direktor Sicherheit, Verkehr und Umwelt, verweist denn auch auf die laufende Planung.

Planung kostet über eine Million Franken

Das Projekt Parkhaus Musegg wird grösstenteils von Privaten geplant und finanziert. Doch weil sich die Stadt am Vorprojekt beteiligt, entsteht auch für sie Kosten. Wie viel, wollte die SP per Vorstoss wissen. Antwort: Bislang hat die Stadt intern, also durch die Mitarbeit ihrer Angestellten, rund 70’000 Franken investiert. Durch Aufträge an externe Firmen sind Kosten von 80’000 Franken entstanden.

Bis Ende des gesamten Prozesses dürfte sich der Gesamtaufwand für die Stadt auf etwa 400’000 Franken summieren. Zusammen mit den 600’000 Franken, welche die privaten Initianten nur schon bis dato investiert haben, wird also alleine die Planung des Projekts über eine Million Franken kosten.

Abstimmung frühstens Ende 2017

Zum zeitlichen Ablauf: Die Vorprüfung des Projekts beim Kanton ist auf Herbst 2016 geplant. Danach gibts Anpassungen, dann die öffentliche Auflage. Der Bericht des Stadtrates soll – falls der Stadtrat das Projekt für unterstützenswert befindet – laut Baudirektorin Manuela Jost in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres ins Parlament kommen. Dabei entscheidet das Parlament über die Änderung der Bau- und Zonenordnung, über einen Bebauungsplan sowie die Erteilung des Baurechtszinses. Falls auch das Parlament das Projekt unterstützt, könnte es laut Jost frühestens Ende 2017 vors Volk kommen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von BeatStocker
    BeatStocker, 15.06.2016, 10:53 Uhr

    Die Musegg Parkhaus AG sollte umfirmieren in Ibach Metro-Parkhaus AG. Das Musegg-PH hätte Chancen, wenn es nur für Touristen-Cars gebaut würde, aber wie siehts dann mit der Rentabilität aus? Diese Frage muss die Tourismuswirtschaft beantworten (Bucherer, Grendeljuweliere, Hotellerie).

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