Luzern: Reaktionen zur Offenlegung des Geheimdeals

«Die Sache ist noch nicht vom Tisch»

Waren die strahlenden Sieger am letzten Sonntag: Der neue Stadtpräsident Beat Züsli und die wiedergewählte Manuela Jost.

(Bild: jakob ineichen)

Das Gemunkel hat ein Ende. GLP und SP haben ihre Vereinbarung zum zweiten Wahlgang der Stadtratswahlen öffentlich gemacht. Bürgerliche kritisieren nun Teile davon als antiliberal und links. Während die GLP Fehler einräumt, misstraut ihr eine Partei und will das unterschriebene Original sehen.

Diesen Mittwochmorgen wurde aus dem Geheimdeal zwischen SP und GLP ein öffentliches Dokument. Damit ist das Gemauschel um den Inhalt der umstrittenen Vereinbarung hinfällig (siehe Box am Ende des Artikels). Die gemeinsam formulierten Wahlkampfinhalte von SP und GLP lauten: «Mehr bezahlbarer Wohn- und Gewerberaum, keine allgemeinen Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich, eine verantwortungsvolle Finanz- und Steuerpolitik, eine fortschrittliche Verkehrspolitik sowie eine vorbildliche Energiepolitik.»

SP: «Bewusst dramatisiert»

Claudio Soldati, SP-Präsident

Claudio Soldati, SP-Präsident

Jetzt liegt die Vereinbarung also auf dem Tisch. Ein spätes Schuldeingeständnis, dass die Verheimlichung falsch war? SP-Präsident Claudio Soldati sagt: «Nein, wir wollten in erster Linie für Klarheit sorgen.» Es seien in den Medien und bei den bürgerlichen Parteien Dinge herumgegeistert, die so in keinster Art und Weise drinstehen würden. «Nun wollen wir Vertrauen schaffen. Auch gegenüber dem Stadtrat und den bürgerlichen Parteien. Wir wollen zurück zur politischen Arbeit und die Herausforderungen für mehr bezahlbaren Wohnraum und die Lösung des Verkehrsproblems anpacken.»

Soldati gibt zu, dass die Dynamik im zweiten Wahlgang unter anderem auch durch die Vereinbarung zu einer aufgeladenen Situation geführt habe, sagt aber auch: «Die Bürgerlichen haben die Vereinbarung bewusst kommunikativ dramatisiert, um von eigenen massiven Problemen abzulenken.»

 

Louis von Mandach, GLP-Präsident

Louis von Mandach, GLP-Präsident

GLP: «Unterschrift war ein Fehler»

GLP-Präsident Louis von Mandach stösst ins selbe Horn: «Unser Ziel ist es, dass es wieder um die Sache geht. Mit der Offenlegung wollen wir das Vertrauen in Manuela Jost stärken.» Ihn stört der entstandene Wirbel um das Papier. «Die Inhalte waren bekannt und zwingen kann uns trotz Vereinbarung niemand.» Von Mandach gibt sich aber durchaus selbstkritisch: «Im Nachhinein war es ein Fehler, eine Unterschrift unter das Dokument zu setzen. Das Ganze hat eine Dynamik angenommen, mit der wir nicht gerechnet haben.»

 

CVP: «Nichts Weltbewegendes»

CVP-Fraktionschefin Franziska Bitzi Staub zeigt sich erleichtert, dass der Deal offengelegt wurde: «Ich danke GLP und SP, das beruhigt die Situation sehr.» Der Inhalt zeige zudem auf, dass Manuela Jost die Wahrheit sagte. «Insgesamt sind keine weltbewegenden Dinge festgehalten.» Zudem sei vieles noch unkonkret. «Wenn die GLP etwa keine allgemeinen Kürzungen im Bildungsbereich mehr unterstützt, so sind in meinen Augen Pauschalkürzugen gemeint», sagt Bitzi. Einzelanträge würden separat geprüft.

FDP: «Sache ist nicht vom Tisch»

Inhaltlich hält sich der News-Wert des Deals tatsächlich in Grenzen: Keine Todesurteile für das Parkhaus Musegg oder die Salle Modulable. Und auch keine Absprachen bezüglich der Direktionsverteilung. Alles halb so schlimm also? Fabian Reinhard, Präsident der städtischen FDP, sagt: «Nein. Wir halten nach wie vor daran fest, dass die Wähler vor der Wahl über den Inhalt hätten informiert sein müssen.» Und weiter: «Dass mit der Veröffentlichung die Sache vom Tisch ist, ist Wunschdenken.» Die FDP habe gemeinsam mit den bürgerlichen Parteien einen Vorstoss eingereicht und fordere nun auch eine rechtliche Beurteilung vonseiten des Stadtrates. Zudem äussert Reinhard Zweifel am versendeten Dokument: «Ich möchte das Original inklusive Unterschriften sehen.»

«Warum nur unterschreibt die GLP quasi ein SP-Positionspapier?»

Fabian Reinhard, FDP-Präsident

Diesem Wunsch erteilt die GLP eine Abfuhr. Von Mandach sagt: «Die Inhalte sind jetzt offengelegt. Und wie das Wahlergebnis zeigt, vertrauen uns die Bürger.» Eine Veröffentlichung des Originals sei zu keinem Zeitpunkt diskutiert worden. Und auch Soldati sagt: «Wir gehen davon aus, dass mit der heutigen Veröffentlichung Klarheit geschaffen wurde, da sämtliche Inhalte kommuniziert wurden.» Grundsätzlich könnte sich die SP aber vorstellen, einer Drittperson Einsicht in das Dokument zu gewähren, um letzte Zweifel auszuräumen.

Ist die GLP nach links gerutscht?

Und was sagen die Bürgerlichen zu den Inhalten? FDP-Präsident Reinhard fragt sich: «Warum nur unterschreibt die GLP quasi ein SP-Positionspapier? Bis jetzt war sie zumindest in einigen Fragen ein Partner der Bürgerlichen.» Hauptsächlich geht es in der Vereinbarung um Wohnraumpolitik. Reinhard: «Gemeinnütziger Wohnungsbau ist seit Jahren ein Schwerpunkt der Linken. Und nun will die GLP den SP-Forderungskatalog eins zu eins umsetzen – Was hat das noch mit liberal zu tun?»

Den grössten politischen Richtungswechsel erkennt Reinhard bei der Rösslimatt-Überbauung. SP und GLP halten fest, dass mit der SBB eine verbindliche Vereinbarung für einen massgeblichen Anteil von gemeinnützigem Wohnungsbau in der 2. Etappe anzustreben sei. «Die Position von Baudirektorin Jost war bisher, dass auf dem Areal Büroflächen entstehen sollen.» Komme jetzt gemeinnütziger Wohnungsbau, sei dies eine klare Kehrtwende. «Ich finde das heftig. Das Areal gehört der SBB und diese ist als Investorin auf Planungssicherheit angewiesen.»

«Wir haben uns bei keinem Punkt über eine Grenze hinausbewegt, wo uns nicht mehr wohl ist.»

Louis von Mandach, GLP-Präsident

Auch Franziska Bitzi Staub hinterfragt diesen Punkt: «Gemeinnütziger Wohnungsbau ist ein wichtiges Anliegen. Zu viele Auflagen und Anforderungen bremsen jedoch die notwendige Entwicklung. Man darf das Fuder nicht überladen.» Insbesondere an zentraler Lage sei die Wertschöpfung bei anderer Nutzung schlichtweg höher. Auch sie zweifelt, inwiefern die GLP hier oder bei der autofreien Bahnhofstrasse noch Wirtschaftsinteressen vertritt. «Gemäss Vereinbarung tönt die GLP-Politik tatsächlich eher links.»

Fabian Reinhard, FDP-Präsident, und Franziska Bitzi Staub, CVP-Fraktionschefin

Fabian Reinhard, FDP-Präsident, und Franziska Bitzi Staub, CVP-Fraktionschefin

Die GLP sieht dies anders. Präsident Louis von Mandach sagt: «Wir haben uns bei keinem Punkt über eine Grenze hinausbewegt, wo uns nicht mehr wohl ist.» In vielen Punkten sei es lediglich eine Absichtserklärung und noch keine Strategie zur Umsetzung. Und zur GLP-Wohnraumpolitik sagt er: «Wir setzen den Volksauftrag um, der gemeinnützigen Wohnungsbau fördern will. Unsere Wohnraumpolitik ist also demokratisch fundiert.»

Zusammenarbeit könnte noch verstärkt werden

In der Vereinbarung steht auch: SP, Grüne und GLP setzen sich im Herbst 2016 zusammen, um über eine gemeinsame sachpolitische Zusammenarbeit zu diskutieren. Werden die Fraktionen also noch enger zusammenarbeiten? Ist gar eine Fusion ein Thema? Von Mandach relativiert: «Nein, wir politisieren weiterhin unabhängig und sind uns auch nicht in allen Punkten einig.» Die Vereinbarung sei am Morgen nach der Bekanntgabe des bürgerlichen Schulterschlusses entstanden. «Wir hatten schlicht noch keine Zeit, über gemeinsame Ziele zu diskutieren. Ganz wichtig ist, dass auch die Grünen mitmachen. Nur so haben wir eine Mehrheit.»

SP-Präsident Soldati ergänzt: «Sämtliche aufgeführten Punkte waren bereits schon in der politischen Diskussion präsent.» Nun habe man einfach eine Priorisierung im Wohn- und Verkehrsbereich vorgenommen. Einige Punkte seien auch bewusst weich formuliert worden. «Gerade etwa bei der Rössligasse sind viele Player involviert, die sich ebenfalls bewegen müssen, damit sich eine Entwicklung ergibt.» Soldati legt Wert darauf, dass sich die Politik nun wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren könne.

Zufrieden gibt sich Reinhard damit nicht: «GLP und SP spielen den Inhalt des Papiers eindeutig herunter.» Wenn die Positionen schon deckungsgleich waren, braucht es keine Vereinbarung. Somit wird doch nochmals klar, dass die GLP gezwungen wurde, ihre Position zu ändern. «Gemeinsame Positionen gibt es auch bei den Bürgerlichen. Aber Geheimdeals gibt’s bei uns keine.»

8-Punkte-Vereinbarung

  1. Verzicht auf allgemeine Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich bei allfällig zusätzlich notwendigen Sparprogrammen. 

  2. Bei der Umsetzung der Wohnraumpolitik nebst den für den gemeinnützigen Wohnungsbau definierten städtischen Arealen auch verstärkt den Anteil an gemeinnützigen Wohnungen im Rahmen von Bebauungsplänen (Um- und Aufzonungen) einzufordern. 

  3. Vorbereiten einer Botschaft (im Jahr 2017) für eine aktive Bodenpolitik der Stadt Luzern. Der Fonds für den Kauf von zusätzlichen Liegenschaften soll von heute 10 Millionen Franken mindestens verdoppelt werden. Die Prozesse zum Kauf von Liegenschaften sind zu vereinfachen. 

  4. Eine vorbildliche Energieplanung und -nutzung in städtischen Liegenschaften und auf städtischen Arealen sowie im Rahmen von Bebauungs- und Gestaltungsplänen. 

  5. Fraktion und Stadtrat engagieren sich ab 2016 für eine Mehrheit, dass ein massgeblicher Teil des Steghof-Areals einem gemeinnützigen Wohnbauträger zur Schaffung von Wohn- und Gewerberaum im Baurecht abgetreten wird. 

  6. Mit der SBB ist eine verbindliche Vereinbarung anzustreben für einen massgeblichen Anteil von gemeinnützigem Wohnungsbau in der 2. Etappe in der Rösslimatt-Überbauung. 

  7. Die GLP-Fraktion unterstützt eine autofreie Bahnhofstrasse. 

  8. SP, Grüne und GLP setzen sich im Herbst 2016 zusammen, um über eine gemeinsame sachpolitische Zusammenarbeit zu diskutieren. 


 

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