Hochspannung für zweiten Wahlgang Stadtratswahlen

Attacke auf Roth: Das sind die linken Favoriten

Bereits seit 13 Jahren sitzt Korintha Bärtsch im Grossstadtrat, davon sechs Jahre als Fraktionschefin.

(Bild: Jakob Ineichen)

Die Grünen sind noch immer in Festlaune und träumen nun von einer linken Mehrheit im Stadtrat. Zur Not auch mit zwei Grünen. Doch diese Strategie kommt selbst im linken Lager nicht nur gut an. Und sie birgt Risiken.

Das muntere Rätselraten um den zweiten Wahlgang für den Luzerner Stadtrat treibt immer neue Blüten. Bekanntlich sind noch zwei Sitze zu besetzen, nachdem die Bisherigen, Stefan Roth (CVP) und Manuela Jost (GLP), letzten Sonntag das absolute Mehr verpasst haben. Am Dienstagabend entschied die CVP aus Angst vor einer Abwahl von Roth, nun doch mit der SVP ins Bett zu steigen. FDP, CVP und SVP wollen jetzt gemeinsam für Roth und Peter With (SVP) kämpfen.

«Ideale Gelegenheit»

Diesen Mittwochabend entscheiden SP und Grüne, wie sie in den zweiten Wahlgang vom 5. Juni steigen wollen. Bekanntlich haben sie ihre Schäflein bereits im Trockenen: Sowohl der Bisherige Adrian Borgula (Grüne) als auch der Neuling Beat Züsli (SP) wurden im ersten Wahlgang (wieder) gewählt. Und weil Grüne und vor allem SP am letzten Sonntag zulegen konnten, erstaunt es nicht, dass sie nun übermütig werden und sich eine linke Stadtregierung wünschen. Grüne-Parteipräsident Marco Müller sagt: «2012 haben Grüne und SP zusammen versucht, eine Mehrheit im Stadtrat zu erreichen. Nun bietet sich eine ideale Gelegenheit, dieses Ziel jetzt zu erreichen.»

So gaben die Grünen diesen Mittwochmorgen bekannt, welche Anträge sie am Abend an die Parteiversammlung stellen werden. Demnach möchten sie, dass Manuela Jost unterstützt wird. Parteipräsident Marco Müller begründet: «Der Vorstand ist überzeugt, dass Manuela Jost wiedergewählt werden soll, weil sie in den Themen Ökologie, Verkehr und Energie eine für uns Grüne zuverlässliche Partnerin ist. Zudem ist uns Grünen sehr wichtig, dass auch zukünftig mindestens eine Frau in der Stadtregierung vertreten ist.» Man habe im Vorfeld Gespräche mit Jost geführt, aber keine konkreten Forderungen als Gegenleistung gestellt, so Müller.

Zuerst SP-Kandidat, dann Bärtsch

Zudem soll ein Kandidat der SP unterstützt werden – falls die SP diesen Mittwochabend keinen Kandidaten aus dem Hut zaubern will, soll für die Grünen Korintha Bärtsch ins Rennen steigen. Korintha Bärtsch (31) ist seit 2005 Mitglied des Grossen Stadtrates, langjährige Vizepräsidentin der Baukommission und seit 2012 Fraktionschefin der Grünen / Jungen Grünen Fraktion. «Sie politisiert fundiert, kritisch und kompromissbereit. Ihr hervorragendes Abschneiden bei den Parlamentswahlen zeigt, dass sie weit über die Parteigrenzen hinaus Anerkennung und Unterstützung geniesst», begründet Marco Müller den Entscheid. Bärtsch hat am Sonntag von allen Parlamentskandidaten der Grünen mit fast 4800 Stimmen das beste Resultat erzielt. Sie wollte diesen Dienstag keine Stellung nehmen.

Korintha Bärtsch und ihr Profil.

Korintha Bärtsch und ihr Profil.

Müller hofft nun auf die SP. «Es liegt an ihr, einen Kandidaten zu portieren.» Natürlich habe man auch über die Risiken gesprochen. Nämlich darüber, dass sich nicht nur die linken Stimmen verzetteln, sondern dass es deswegen auch für Manuela Jost nicht reichen würde. Dann wären With und Roth drin. Also eine bürgerlich dominierte Regierung. Und eine ohne Frau. Quasi Waterloo für die Linken. «Ich bin aber überzeugt, dass Jost als Bisherige sehr gute Chancen hat, wiedergewählt zu werden.»

«Ich sehe aus linker Sicht vor allem Risiken.»

Olivier Dolder, Politologe

Von der SP-Führung wollte sich am Mittwochvormittag niemand zur neuen Ausgangslage äussern. Hinter vorgehaltener Hand hält man das Vorgehen jedoch mitunter für zu riskant und abgehoben.

Experte warnt vor Risiken

Der Luzerner Politologe Olivier Dolder von Interface Politikstudien hält das Vorgehen der Grünen für etwas waghalsig. «Ich sehe aus linker Sicht vor allem Risiken. Aus rechter Sicht könnte es sogar ein Vorteil sein.» Denn Dolder zweifelt daran, ob die SP Bärtschs Kandidatur unterstützen würde. «Wenn schon, müsste ja die SP einen zweiten Kandidaten stellen, da sie rund doppelt so gross ist wie die Grünen.» Doch bekanntlich möchte die SP-Rennleitung darauf verzichten, mit einem neuen Kandidaten in den zweiten Wahlgang zu galoppieren. Ihr sind die Risiken zu gross.

Zudem müsste die Partei dann im Idealfall eine Frau portieren. Aber über bekannte und chancenreiche Frauen kann die SP auch nicht im Übermass zählen. Da gäbe es allenfalls Kantonsrätin Ylvete Fanaj oder die Grosstadträtinnen Judith Dörflinger und Luzia Vetterli. Wobei: Vetterli ist derzeit mit ihrem Baby gut ausgelastet und steht, genau wie ihr Mann und SP-Fraktionschef Nico van der Heiden, nicht zur Verfügung, wie es auf Anfrage heisst. Und Dörflinger ist erst seit 2013 im Parlament, also zu unbekannt. Und Fanaj? Sie schweigt und verweist auf die SP-Versammlung. Also Fanaj?

Luzia Vetterli (von links), Ylfete Fanaj und Judith Dörflinger.

Luzia Vetterli (von links), Ylfete Fanaj und Judith Dörflinger.

Dann halt ein Mann: In der Pole-Position ist nach wie vor Giorgio Pardini. Der Gewerkschafter und SP-Kantonsrat wäre der Wunschkandidat vieler Genossen. Er ist bei der SP-internen Stadtratsnomination Beat Züsli ja auch nur haarscharf unterlegen. Allerdings hat Pardini Anfang Woche abgesagt, zudem ist er auch schon 58 Jahre alt. Auf Anfrage von zentralplus macht er aber unmissverständlich klar: «Das kommt für mich nicht in Frage. Dieser Zug ist abgefahren.» Auch SP-Kantonalpräsident David Roth kommt in die Kränze. Auf Anfrage will er sich dazu aber nicht äussern. Daniel Furrer, der wie Pardini ebenfalls mal Stadtrat werden wollte, nimmt sich selber aus dem Rennen, wie er auf Anfrage sagt. Also Roth?

Giorgio Pardini (von links), David Roth und Daniel Furrer.

Giorgio Pardini (von links), David Roth und Daniel Furrer.

Für Dolder ist der Traum von einem linken Stadtrat eh etwas blauäugig. «Ich schätze das als nicht sehr wahrscheinlich ein.» Denn das bürgerliche Lager vereine noch immer rund die Hälfte aller Wählerstimmen. Und wenn etwa die schlecht mobilisierten CVP-Wähler auf den 5. Juni hin aus ihrer Schockstarre erwachen und an die Urne gehen, könnte das den linken Traum schnell platzen lassen.

Fragen über Fragen

Allerdings ist auch offen, was der bürgerliche Schulterschluss nun genau bringt. Denn Dolder geht davon aus, dass trotzdem viele CVP-Wähler den SVP-Mann With nicht auf die Zweierliste nehmen. Und teilweise auch umgekehrt. Zudem könnten einige FDP-Wähler ob des Glanzresultates ihres Stadtrates Martin Merki versucht sein, der Urne fernzubleiben. Zudem werden auch die GLP-Anhänger sicher alles andere als Roth und With wählen, um Jost nicht zu gefährden.

Man kann es drehen und wenden wie man will, vermutlich wird am Ende alles beim Alten bleiben; Manuela Jost und Stefan Roth werden am 5. Juni gewählt, und alles ist so, wie es die letzten vier Jahre war. «Dieses Szenario ist wohl am wahrscheinlichsten», sagt Dolder.

Hinweis: zentralplus wird Sie diesen Mittwochabend natürlich brandheiss über die Entscheide an der SP- und Grüne-Versammlung informieren!

Bei zentralplus lesen Sie alles zu den Luzerner Stadtratswahlen:

So gehen FDP, CVP und SVP in den zweiten Wahlkampf: Aus Angst vor Abwahl: CVP vollzieht Kehrtwende

Gerüchte um den zweiten Wahlgang für Luzerner Stadtrat: Merki will nicht gegen Roth als Stapi antreten

Zweiter Wahlgang: Wer steigt mit wem ins Bett?: CVP: «Das Ganze ist ein Wahldebakel»

Volk macht Luzerner Stadtratswahlen spannend: Schlappe für Roth, Glanzstunde für Züsli

Und in unserem Dossier finden Sie alles zu den Luzerner Kommunalwahlen vom 1. Mai 2015 und 5. Juni 2016.

 

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