Luzern: Besetztes Haus steht vor Räumung

«Gundula» muss bis Mittwoch raus

Das besetzte Haus «Gundula» spätabends (Bild: jav)

Die Besetzerinnen und Besetzer des Hauses «Gundula» an der Obergrundstrasse haben von der Polizei ein Ultimatum erhalten: Bis Mittwoch sollen sie das Haus verlassen. Räumen will die Polizei nur unter bestimmten Umständen. Dann aber könnte es für die Besetzer teuer werden.

Gleich vorweg: Das besetzte Haus «Gundula» wird in den nächsten Tagen noch nicht geräumt. «Die Polizei hat uns am Freitagmorgen ein Ultimatum gestellt, das Haus bis Mittwoch zu verlassen», sagt der anonyme Gundula-Sprecher, der als Simon Steiner bekannt ist. Die Luzerner Polizei bestätigte auf Anfrage, dass man «einen Ermittlungsauftrag des Staatsanwalts» durchgeführt habe. Details durfte Mediensprecher Kurt Graf aus prozessrechtlichen Gründen keine nennen. Nur so viel: «Unser Ziel ist eine einvernehmliche Lösung.»

«Bis am Mittwoch machen wir sicher weiter»

Gundula-Sprecher

«Bis am Mittwoch machen wir sicher weiter», ist für den Gundula-Sprecher klar. «Wir ziehen noch einmal alle Register. Wie wir das Verlassen des Hauses kulturell inszenieren, wissen wir noch nicht.»

Fumetto in der Gundula

Dieses Wochenende soll im besetzten Baus «ein alternatives Fumetto» stattfinden, so der Gundula-Sprecher. Mit einem eigenen Programm sollen im Haus Comics gezeigt werden: «In Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern wollen wir ein Zeichen für mehr Freiräume einsetzen.» Das Haus an der Obergrundstasse 99 stehe am Wochenende, wie immer, offen.

Man wolle sich erst am letzten Tag darauf festlegen, ob man das Haus selber verlasse oder eine polizeiliche Räumung abwarte. Falls die Gruppe das Haus am Mittwoch jedoch weiter besetzen sollte, heisst das nicht, dass die Polizei das Haus automatisch räumen wird.

Polizei will kein Raus-Rein mit Besetzern

Denn die Luzerner Polizei will das besetzte Haus nur räumen, wenn ausgeschlossen werden kann, dass es gleich wieder besetzt wird. Dies sei übliche Praxis, heisst es bei der Luzerner Polizei und werde schon seit mehreren Jahren so angewendet.

«Eine Räumung muss nachhaltig sein»

Kurt Graf, Luzerner Polizei

«Wir mussten in einem früheren Fall ein Haus mehrmals räumen, weil es immer wieder besetzt werden konnte. Das wollen wir nicht mehr. Eine Räumung muss nachhaltig sein», begründet Graf die Praxis der Luzerner Polizei.

Die Stadtpolizei Zürich räumt besetzte Häuser nur sehr zurückhaltend und hat die entsprechenden Richtlinien in einem Merkblatt festgehalten. Ein leeres, ungenutztes Haus, wie es das Haus an der Obergrundstrasse 99 bis vor zwei Wochen war, würde die Polizei in Zürich wohl nicht zwangsräumen.

Im Moment präsentiert sich die Situation so, dass der Eigentümer Jørgen Bodum angekündigt hat, im Haus Asbestsanierungen durchzuführen. In Zürich müsste Bodum belegen, dass die Bauarbeiten unverzüglich starten. Ansonsten würde nicht geräumt.

 

Ein Ausschnitt aus dem Merkblatt der Stadtpolizei Zürich.

Ein Ausschnitt aus dem Merkblatt der Stadtpolizei Zürich.

Und in Luzern? Hier will sich die Polizei nicht auf das Zürcher Merkblatt festnageln lassen. Kurt Graf von der Luzerner Polizei sagt: «Unser Vorgehen ist vergleichbar». Was heisst das auf das Haus an der Obergrundstrasse bezogen? Kurt Graf reagierte am Freitagabend nicht mehr auf die Nachfrage, wie die Luzerner Polizei sicher gehen will, dass das Haus nicht wieder besetzt wird. Auch der Eigentümer und dessen Anwalt waren für zentralplus nicht erreichbar und antworteten nicht auf diese Frage.

In Luzern wird aber nicht in jedem Fall konsequent nach Zürcher Modell gehandelt. So räumte vor drei Jahren die Luzerner Polizei das besetzte ehemalige Restaurant «Angelfluh» in Meggen, ohne dass das Haus seither abgerissen, saniert oder wieder vermietet wurde. Glück für die Polizei: Das Haus wurde trotzdem nicht mehr besetzt – es steht bis heute leer.

Das Haus «Gundula» an der Obergrundstrasse 99.

Das Haus «Gundula» an der Obergrundstrasse 99.

(Bild: lru)

Es droht eine saftige Rechnung

Falls es dereinst aber zu einer Räumung kommt, werden die Besetzer wegen Hausfriedensbruch angezeigt. Graf: «Es werden Personen angezeigt, die sich strafbar verhalten haben.»

«Kosten für die Räumung können auf die Verursacher abgewälzt werden.»

Kurt Graf, Luzerner Polizei

Juristisch dürfte die Sache klar sein. Laut Gesetz macht sich strafbar, «wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus (…) unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt.» Theoretisch wäre dafür eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren möglich, in der Praxis wurden Hausbesetzer in jüngerer Zeit zu Bussen von 200 bis 1000 Franken und zusätzlich zu bedingten Geldstrafen von 10 bis 50 Tagessätzen zu 30 Franken verurteilt. Die Besetzer des Labitzke-Areals in Zürich erhielten auf Bewährung gar 150 Tagessätze aufgebrummt.

Auch die Kosten für die polizeiliche Räumung könnten auf die Besetzer zukommen. Kurt Graf: «Wie in anderen Fällen können Kosten auf die Verursacher abgewälzt werden. Das wird der Staatsanwalt entscheiden.»

«Politische Aktionen, so berechtigt das Anliegen dahinter auch sein mag, können nie dazu berechtigen, gegen geltendes Recht zu verstossen»

Ein Aargauer Richter bei einem ähnlichen Fall

Der Zweck heiligt nicht die Mittel

Und das Anliegen, mit der Besetzung für mehr Freiräume in der Stadt Luzern zu kämpfen? Kann dieses eine Besetzung eines sowieso leerstehenden Hauses nicht rechtfertigen? Auf diesen Stand stellen sich nämlich die Besetzerinnen und Besetzer. Juristisch gesehen kann es das nicht.

Bei einer ähnlichen Aktion hatten 2011 Juso-Politiker – unter ihnen der heutige Nationalrat Cédric Wermuth – ein leerstehendes Haus in Baden besetzt. Trotzdem wurden sie verurteilt. Der Richter sagte damals: «Politische Aktionen, so berechtigt das Anliegen dahinter wie beim hier zur Debatte stehenden auch sein mag, können nie dazu berechtigen, gegen geltendes Recht zu verstossen, auch nicht gegen die Eigentumsordnung.» Es habe allen Beteiligten klar sein müssen, dass es illegal ist, ohne Bewilligung in ein Gebäude, auch ein unbewohntes, einzudringen.

Die Rückseite des besetzten Hauses (Bild: lru).

Die Rückseite des besetzten Hauses (Bild: lru).

Was, wenn man seine Fingerabdrücke hinterlassen hat?

In Zürich wurde kürzlich ein junger Mann verurteilt, dessen Fingerabdrücke auf der WC-Spülung in einem besetzten Haus gefunden wurden. Der Mann gab an, das Haus und die Besetzer nur besucht zu haben. Müssen auch die mehreren hundert Leute, die das Haus in den letzten Wochen besucht haben, nach Räumung mit einer Anzeige rechnen? «Das kommt auf den Sachverhalt an», sagt dazu Kurt Graf von der Luzerner Polizei. «Wir werden in jedem Fall verhältnismässig handeln.»

Kommt hinzu: Die Besetzung war für kurze Zeit von der Hausbesitzerin Bodum geduldet. Wer in der Zeit der Gespräche zwischen Besitzer und «Gundula» im Haus war, machte sich nicht strafbar. Kurt Graf: «Es ist schwierig zu klären, wer zu welcher Zeit im Haus war. Aufgrund von Fingerabdrücken ist nur die Anwesenheit nachweisbar.»

zentralplus war kürzlich in der «Gundula». Lesen Sie unsere Reportage «Auf ein Bier mit Besetzern und Alt-68ern».

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