In diesem Moment geriet das Gespräch ausser Kontrolle: Am Podium der Luzerner Stadtratskandidaten im Neubad attackierte Sina Khajjmian (Junge Grüne) Peter With (SVP) mit der Unterstellung, er wolle keine Ausländer mehr in diesem Land. With reagierte gehässig. Warum dieser Eklat? Und was stand in der ominösen E-Mail, aus welcher der Jungpolitiker zitierte?
Der Disput kam erst ganz zum Schluss. Als zehn Luzerner Stadtratskandidaten am Dienstag im Neubad um die Wette diskutierten, ahnte noch niemand, dass der Kandidat der Jungen Grünen, Sina Khajjmian, eine Überraschung parat hatte. Er sorgte für einen frechen Frontalangriff an die Adresse von SVP-Kandidat Peter With (zentralplus berichtete über die Podiumsdiskussion am Dienstag). Da geriet die Stimmung etwas in Schieflage.
«Ich hoffe, dass Sie den Schafspelz tragen, wenn Sie Ihr Wort brechen.»
Sina Khajjamian (Junge Grüne)
Eigentlich war das Podium bereits beendet; zentralplus-Moderator Luca Wolf wollte die Diskussion schliessen. Da trat Khajjamian ans Mikrofon und rechnete in seinem persönlichen Abschlussvotum mit Peter With ab. Zuerst – und das ist der originellere Teil der Rede – überreichte der Junge Grüne With einen Schafspelz mit der Botschaft: «Ich hoffe, dass Sie ihn tragen, wenn Sie Ihr Wort brechen.»
Die Begründung: Peter With gebe sich verdächtig weltoffener und moderater als sonst. Khajjamian mahnte, With trete in der Öffentlichkeit als Wolf im Schafspelz auf, verstelle sich also nur für den Wahlkampf, um noch unentschlossene Wähler abzuholen. With solle seine Versprechen einlösen und sich wirklich für bezahlbaren Wohnraum einsetzen (das Thema günstiger Wohnraum ist für gewöhnlich von linker Seite besetzt).
«Ich kann es Ihnen vorlesen.»
Sina Khajjamian
Üble Unterstellung
Danach kamen bei Khajjamian die Emotionen hoch. Der Jungpolitiker unterstellte dem Littauer SVP-Unternehmer Intoleranz und indirekt auch Ausländerfeindlichkeit. Khajjamian benutzte dazu eine E-Mail, die sein Bruder im Rahmen einer Berufsmatura-Arbeit im September 2015 erhalten hatte. Peter With schrieb darin laut Zitat, es gefalle ihm nicht, dass sich die Gesellschaft durchmische. Das ist allerdings nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Mehr dazu aber später.
«Ich kann es Ihnen vorlesen», doppelte Khajjamian nach. Die Frage an With lautete damals in der E-Mail: «Würde es Sie stören, wenn in der Schweiz mehr Personen ausländischer wie schweizerischer Abstammung leben würden?» Und With habe darauf geantwortet: «Ja, auf jeden Fall.» Spannung lag in der Luft. Denn das alleine klingt ziemlich xenophob.
«Zu behaupten, dass ich nicht weitere Ausländer in der Schweiz will, ist absurd.»
Peter With, SVP-Grossstadtrat
Dann trat ein sichtlich provozierter Peter With ans Mikrofon und wies die Vorwürfe vehement zurück. «Das ist schlicht und ergreifend nicht war.» In seiner Zeit als Einwohnerrat habe der SVP-Politiker mehr als 600 Ausländer eingebürgert, und als Unternehmer beschäftige er seit Jahren dutzende Ausländerinnen und Ausländer in seinem Betrieb. Es stimme, dass er bei der Begrenzung der Zuwanderung gleicher Meinung sei wie seine Partei. «Aber zu behaupten, dass ich nicht weitere Ausländer in der Schweiz will, ist absurd.» Die Schweizer Wirtschaft sei auf Ausländer angewiesen. «Solche Vorwürfe sind eindeutig unter der Gürtellinie.»
Die zwei Kontrahenten gingen nach dem Gespräch auseinander, ohne ihren Zwist zu klären.
Hier der hitzige Disput im Video:
(Bild/Ton: Matteo Gariglio, Postproduktion: Mario Stübi, neubad.org)
Nicht im Kontext?
Einen Tag danach stehen die Vorwürfe noch immer im Raum. Sina Khajjamian bleibt bei den Aussagen von Dienstagabend. «Es stört mich, wenn sich With als Mittelinks-Politiker ausgibt», sagt er. With sei eigentlich ein sympathischer Diskussionspartner und ein redegewandter Politiker, der seine Themen aus dem rechten Spektrum vertritt. Dennoch sei er momentan wie ein Wolf im Schafspelz. «Jeder weiss, dass sein Abstimmungsverhalten im Grossen Stadtrat alles andere als weltoffen und liberal ist.» Es sei ihm hauptsächlich darum gegangen, dies aufzuzeigen.
Für sein letztes Statement am Dienstagabend will sich Khajjamian jedoch entschuldigen. «Ich weiss nicht, ob Sie Ihre Angestellten ausnutzen, oder sonst was», zischte er ins Mikrofon, während sich With verteidigte. Das tue ihm leid und es sei ihm in der Hitze des Gefechts rausgerutscht, sagt er ein paar Stunden später.
Und Peter With? Er nimmt die Entschuldigung von Khajjamian zwar gerne an, ist aber von der Aktion insgesamt sehr enttäuscht. «Der Kontext des E-Mails war ein anderer. Den Inhalt so in einem Podium zu verwenden und zu verkürzen, ist nicht in Ordnung», sagt er.
Der Kontext des E-Mails war anders
Was ist also dran an dieser E-Mail? Nicht viel, wie sich herausstellt. Khajjamian sendete es uns zur Ansicht zu (siehe unten). Das Schreiben datiert auf den 30. September 2015. Was auf den ersten Blick auffällt: Khajjamian kürzte die Antwort von With wesentlich und liess seine Begründung weg. Punkt für With.
Zudem stellte er einen anderen Zusammenhang her. Die Maturaarbeit des Bruders befasste sich mit der Asylpolitik und mit dem Einfluss auf das Wahlverhalten der Schweizer Bevölkerung. Die Arbeit befragte also nicht With als Person. Seine Antwort von damals wurde von Khajjamian offensichtlich missbraucht. Zwei zu null für With.
Fazit: Die Aktion von Khajjamian war daneben. Der Angriff unnötig. With wurde als Wahlkampfleiter der SVP Kanton Luzern befragt, nicht als Stadtpolitiker. Übrigens: Das Schafsfell hat With im Neubad liegen gelassen. Er nahm gestern das ungebetene Geschenk nicht an − und nimmt es auch heute nicht.
E-Mail von Peter With:
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In unserem Spezial-Dossier können Sie zudem alles über die Luzerner Stadtratskandidaten lesen.
Anhang: Die E-Mail vom 20. September 2015 |
… Da uns Politik interessiert, die Wahlen bevorstehen und wir davon ausgehen, dass die Asylpolitik einen wichtigen Einfluss auf das Wahlverhalten der Schweizer Bevölkerung hat, würden wir dies gerne analysieren. Dazu möchten wir Ihnen gerne vor sowie nach den Wahlen folgende Fragen stellen: Was erwarten Sie von den Wahlen in Bezug auf den Stimmenanteil? Was denken Sie, wie sich Ihr Asylprogramm auf Ihren Wahlerfolg auswirken wird? Warum? Wie sieht Ihre Prognose für die anderen Parteien aus? Wie stehen Sie zum Umverteilungsprogramm der EU? Würden Sie im Extremfall die Grenze schliessen? Warum? Würden Sie weniger oder mehr Asylzentren anstreben? Warum? Sind Sie der Meinung, dass die Schweiz mehr Asylbewerber aufnehmen kann? Warum? Würde es Sie stören, wenn in der Schweiz mehr Personen ausländischer wie schweizerischer Abstammung leben würden? Warum? Kann es sich die Schweiz leisten, nichts in der Asylfrage zu unternehmen? Warum? |
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