Viel Jazz in Zug – tatsächlich!

Ach Gott, diese Stimme!

Der Trompeter und Flügelhornist Peter Schärli im Zuger Burgbachkeller.

Gestern startete das Viel Jazz Festival im Burgbachkeller in Zug. Ein vielversprechender Anfang. Wieso Jazz aber in sauber bestuhlten Reihen gehört werden muss, bleibt ein Rätsel.

Hinter dem Bühnenvorhang hört man die letzten aufwärmenden Tonleitern des Trompeters Peter Schärli. Im Burgbachkeller in Zug ist noch bis am 9. April Jazz zu hören. Den Anfang nahm das Festival gestern Abend mit der Band «Don’t change your hair for me».

Jazz ist nicht gleich Jazz. Das Genre ist so breit gefächert wie wohl kaum ein anderes und so überraschen Jazzkonzerte praktisch immer. Mit Originalität, Technik, unerhörten Soli oder überwältigenden Klangwänden. Alles wunderbare Adjektive und Zuschreibungen, keine Frage. Peter Schärli und seine Band waren einfach Jazz. Doch so sehr Jazz wie «Don’t change your hair for me» muss man erst mal werden.

«Jazz ist nicht tot.»

Irgendwann sind die Tonleitern verebbt und «Don’t change your hair for me» treten hinter dem Vorhang hervor. Der Bassist hebt seinen Kontrabass vom Boden auf, der Trompeter stellt sein Weissweinglas auf den Boden und blinzelt durch seine langen Haare ins Scheinwerferlicht Richtung Publikum.

Die Sängerin nimmt das Mikrofon aus der Halterung wie ein Blume aus der Hand eines Verehrers und die Gitarristin legt ihre Finger auf die Saiten. Die glamouröse Lässigkeit, die wolkige Freude, das ist Jazz in Urform und «v» zeigte es in jeder Geste.

Weg von den Zwängen der engen Gesellschaft

Jazz ist nicht tot. Jazz ist als Lebensgefühl entstanden und an manchen Konzerten versteht man noch heute, was das Publikum von Anfang an fasziniert hat. «Don’t change your hair for me» lieferte einen Soundtrack, zu dem Männer die Frau neben sich entführen oder Frauen sich gerne entführen lassen. Es ist Soundtrack für bittersüsse Indie-Produktionen des europäischen Kinos. Weg von den Zwängen der engen Gesellschaft, nach Italien oder Kuba und dort in verrauchten Kellern bei exotischen Drinks oder gutem Bourbon genau diese Musik hören.

«Auch Freigeister mögen wohl gemütliche Sitzreihen, wenn man die Sechzig hinter sich hat.»

Doch Kuba ist fern und in Italien gibt’s keine Jazzkeller mehr und das Leben ist kein Film. Ausserdem ist Frauenentführen juristisch nicht ganz einwandfrei. Der Burgbachkeller liefert jedoch mit der guten Akustik und den rustikalen Steinwänden einen beinahe ebenbürtigen Ersatz. Wieso Jazz aber in sauber bestuhlten Reihen gehört werden muss, bleibt fraglich und ist der Wermutstropfen bei diesem Konzert. Jazz gilt als die Musik der Freigeister. Doch auch Freigeister mögen wohl gemütliche Sitzreihen, wenn man die Sechzig hinter sich hat.

Peter Schärlis «Don’t change your hair for me» war bezaubernd. Thomas Dürst am Kontrabass swingte selbst in den sphärischsten Phasen der Songs. Peter Schärli malte mit wilden Soli die schönsten Bilder in den Saal. Antonia Giordano sang in unerhörter Präzision zu ihrer eigenen feinen Gitarrenbegleitung. Und nicht zu vergessen die Sängerin Sandy Patton, über deren Gesang man nichts zu sagen wagt ausser: Ach Gott, diese Stimme.

Thomas Dürst am Kontrabass und Sandy Patton

Thomas Dürst am Kontrabass und Sandy Patton

Das Festival «Viel Jazz» im Burgbachkeller hat bis am 9. April noch einiges in Petto. Am Freitagabend spielt Balkan Flavors, was eine schweisstreibende Variante des breiten Genre Jazz zu werden verspricht. Am Samstag ist ein Doppelkonzert des Samuel-Leipold-Quartetts mit zeitgenössischem Jazz und Peter’s Playstation mit etwas perkussiverem Groove-Jazz geplant.

Hier geht’s zum ganzen Programm des Viel Jazz Festival.

Themen
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon