Polizei wusste von psychischer Erkrankung

Die Sondereinheit «Luchs» der Luzerner Polizei stürmte die Wohnung der 65-jährigen Frau, obwohl ihr Anwalt einen Polizei-Offizier über die psychische Erkrankung seiner Mandantin informiert hatte. Das zeigen Recherchen der «SRF Rundschau». Ein Experte sagt, «der Zugriff war nicht vertretbar.»  

Der Grosseinsatz der Polizei in Malters, der mit dem Suizid einer 65-jährigen Frau endete (zentralplus berichtete), gibt weiter zu reden. Diesen Dienstag wurde bekannt, dass der Anwalt des Sohnes der Toten den Luzerner Polizeikommandanten Adi Achermann angezeigt hat. Wegen fahrlässiger Tötung und Amtsmissbrauchs (zentralplus berichtete). In der «SRF Rundschau» diesen Mittwochabend, kritisieren Experten das Vorgehen der Luzerner Polizei ebenfalls.

Hinweis: Was sagt der verantwortliche Regierungsrat Paul Winiker (SVP) zu den Vorwürfen des Anwalts? Lesen Sie das Interview von zentralplus.

Nervenkrieg in Malters

Während der Belagerung sei der Polizei-Offizier in Kontakt mit dem Anwalt der verschanzten Frau gewesen, weiss die Rundschau. Flurin von Planta habe die Polizei am Morgen des 9. März über die schwere psychische Erkrankung seiner Mandantin informiert. Per Telefon habe Rechtsanwalt von Planta versucht, auf die Frau einzuwirken. Der Rundschau liegen die Audiomitschnitte dieses Gesprächs vor. Darauf sei zu hören, wie die Frau auch gegenüber ihrem Anwalt eindringlich mit Suizid droht. Sie fühle sich vom massiven Polizeiaufgebot in die Enge getrieben und habe Angst vor einer Internierung. Sie habe um mehr Zeit gebeten und mit ihrem inhaftierten Sohn sprechen wollen.

«Polizei war zu ungeduldig»

Dietmar Heubrock, Professor für Rechtspsychologie und anerkannter Experte für polizeiliche Verhandlungen mit Suizidgefährdeten, kommt gegenüber der Rundschau zum Schluss: Die Polizei hätte die Angaben des Anwalts unbedingt in die Lagebeurteilung einbeziehen müssen. «Die Polizei muss vermeiden, dass sich die Person weiter in die Ecke gedrängt fühlt. Wenn es während einer Barrikaden-Situation die Polizei mit sehr viel Aufwand, mit Sondersignal, Blaulicht auffährt, wird das dieses Angstgefühl dieser Frau nur verstärken.»

Der Luzerner Polizeikommandant Adi Achermann hatte den Zugriff auch mit der Gefahr für die eingesetzten Beamten begründet: «Die Frau war völlig uneinsichtig und ist immer wieder ausgewichen, hat immer wieder den Kontakt abgebrochen. Einsicht war keine vorhanden, und wir hatten keine Möglichkeit sie zur Aufgabe zu bewegen.» Experte Heubrock hält gegenüber der Rundschau dagegen: «Die Polizei hat die Möglichkeiten der Informationsgewinnung und Bereinigung der Lage nicht genutzt. Vor allem auf ist die konkrete Situation der Frau in ihrem Wahn, die sich von allen Seiten bedroht fühlt, ist sie nicht genug intensiv, nachhaltig genug und geduldig genug eingegangen. Aus dem was mir bekannt ist, war der Zugriff zu dieser Zeit nicht vertretbar.»

 

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