Kantonsrat eröffnet in Luzern PR-Agentur

«Die grösste Lobby ist die Verwaltung»

CVP-Kantonsrat Adrian Bühler führt den Standort Luzern von Schenker Kommunikation und ist Fachmann für politische Kommunikation. (Bild: Marion Bernet)

Nicht nur in Bundesbern, auch in Luzern wird fleissig lobbyiert. Nun hat eine Agentur hier gar eine Zweigstelle eröffnet. Geführt wird das Büro von Adrian Bühler, der selber auch für die CVP im Kantonsrat sitzt. Im Interview spricht er über seine Doppelrolle, Wahlkämpfe und seine Faszination für Twitter.

CVP-Kantonsrat Adrian Bühler ist der neue Zweigstellenleiter des Luzerner Büros von Schenker Kommunikation. Die Berner PR-Agentur will nun auch in Luzern Fuss fassen und sich im Bereich Politikberatung engagieren. In diesem Business lief in Luzern bisher nicht allzu viel, deshalb lohnt es sich nachzufragen, was ein Lobbyist hier eigentlich verloren hat. Sich in die Köpfe von Politikern zu versetzen, hat Bühler allerdings nicht nötig. Er ist selbst einer.

zentralplus: Herr Bühler, Ihr Politikberatungs-Büro eröffnet eine Zweigstelle in Luzern. Was tun Sie hier?

Adrian Bühler: Hinter diesem Entscheid stehen verschiedene Überlegungen. Unsere Schwerpunkte hier in Luzern sind politische Kommunikation, Social Media und Tourismus. Ich persönlich habe mein Netzwerk hier und versuche dadurch noch mehr Aufträge und Kunden für unsere Agentur zu gewinnen. Meine Kollegin ist im Bereich Tourismus stark, die Zentralschweiz mit zahlreichen Hotellerie- und Gastronomie-Unternehmen ist natürlich prädestiniert. Und Social Media ist ein strategischer Schwerpunkt. Wir konnten einen der gefragtesten Social-Media-Experten für uns gewinnen. Dieses Wissen wollen wir hier in Luzern verkaufen.

zentralplus: Was verstehen Sie unter politischer Kommunikation?

Zur Person

Adrian Bühler (38) ist Historiker und wohnhaft in Eschenbach. Er war von 2005–2012 Parteisekretär der CVP im Kanton Luzern und arbeitet seither bei Schenker Kommunikation. Seit 2014 ist er Partner und Geschäftsleitungsmitglied der PR-Agentur. Seit 2007 sitzt er für die CVP im Kantonsrat und zurzeit in der Bildungskommission. Er ist verheiratet und hat zwei kleine Mädchen.

Bühler: Es ist im Wesentlichen die Kommunikation mit der Politik. Hier gehört die Beteiligung an der demokratischen Meinungsbildung dazu, aber auch die Kommunikation von der Politik mit der Öffentlichkeit, etwa bei Wahl- oder Abstimmungskämpfen.

zentralplus: Wie sieht dieser Markt in Luzern aus? zentralplus berichtete etwa über das Zentralschweizer Komitee gegen die Masseneinwanderungsinitiative, das von von Peter Steiner geführt wurde.

Bühler: Peter Steiner ist wirklich der erfahrenste Kampagnenmanager. Er spürt, wie die Luzerner denken. Als ich 2005 bei der CVP das Parteisekretariat übernahm, hat er mich in das Kampagnen-Handwerk eingeführt. Aber zur Konkurrenz im Kanton Luzern: Es ist sehr anspruchsvoll, mit Kampagnen Geld zu verdienen. Das Führen von Kampagnen in Luzern hat viel mehr mit Idealismus und Freiwilligenarbeit zu tun.

zentralplus: Was unterschied Ihr Büro von herkömmlichen PR-Büros oder Werbern?

Bühler: Bei der politischen Kommunikation geht es darum, mit der Politik zu kommunizieren, also auch mit einzelnen Politikern. Man muss verstehen, wie sie ticken und denken. Politiker haben nur begrenzt Zeit, sie werden von verschiedenen Seiten angegangen und mit Informationen versorgt, und es ist eine Herausforderung, die Infos so aufzubereiten, dass sie ankommen.

Bei der politischen Kommunikation von Behörden und Gemeinden benötigt es ein Gespür für die Wirkung von Argumenten. Man muss einschätzen können, welche politische Botschaft Mehrheit bringt. Man muss wissen, dass ein Entlebucher anders denkt als ein Seetaler, und muss dementsprechend die Tonalität anpassen. Es ist sicher von Vorteil, wenn man die politischen Strukturen, Entscheidungsmechanismen und den Kanton kennt.

CVP-Kantonsrat Adrian Bühler arbeitet als Lobbyist.

CVP-Kantonsrat Adrian Bühler arbeitet als Lobbyist.

zentralplus: Was haben Sie für Kunden?

Bühler: Wir beraten Unternehmen, Verbände oder Behörden. Und wir unterstützen auch einzelne Politikerinnen und Politiker. Auf Bundesebene kommen aber auch immer wieder Kunden, die das Anliegen haben, eine laufende Gesetzesrevision zu verändern. Wir helfen ihnen, dass man ihre Argumente wahrnimmt.

Damit eine Gemeinde auf uns zukommt, braucht es vielfach einen Impuls. Etwa, dass eine Gemeinde zwemal eine Abstimmung über eine Ortsplanungsrevision verliert. Sie überlegt sich dann, was sie falsch macht, und kommt auf uns zu.

«Hauptsächlich engagieren sich Verbände, wie etwa der Gewerbeverband oder die Industrie- und Handelskammer.»

zentralplus: Und auf parteipolitischer Ebene: Würden Sie die Anfrage einer Gewerkschaft annehmen?

Bühler: Es ist natürlich so, dass jede Agentur eine politische Ausrichtung hat – wir sind im CVP- oder FDP-Umfeld aktiv. Wir sind zwar grundsätzlich politisch neutral, trotzdem ist unsere politische Nähe zur Mitte nicht abstreitbar. Ich bin als CVP-Kantonsrat aktiv, und unser Chef war einmal persönlicher Mitarbeiter von CVP-Bundesrätin Ruth Metzler. Zu Ihrer Frage: Der VPOD oder die Unia wird nie auf uns zukommen, die haben ihre eigenen Partner.

zentralplus: Sie haben es angesprochen, nebst Politberater sind Sie selbst auch Politiker. Wie geht das?

Bühler: Ich bin überzeugt, das dies funktioniert. Transparenz ist wichtig. Das heisst, sobald man in einem Stiftungsrat sitzt oder ein politisches Beratungsmandat hat, muss man dies offenlegen. Es ist aber wichtig, dass politische Beratung von Leuten angeboten wird, die auch wissen, wie Politik funktioniert. Ich vergleiche das jeweils mit der Justiz: Sollte ich mal einen Rechtsstreit haben, möchte ich auch von einem Juristen vertreten werden, der weiss, wie es vor Gericht zu und her geht. Ich persönlich habe allerdings derzeit keine kantonalen Mandate.

zentralplus: Auf nationaler Ebene sorgt Lobbying immer wieder für Diskussionen, bekannt ist etwa die Kasachstan-Affäre um Christa Markwalder. Lassen sich die Politiker auf Kantonsebene ähnlich beeinflussen?

Bühler: Lobbying bewegt sich im Luzerner Kantonsrat natürlich auf einem viel tieferen Niveau. Hauptsächlich engagieren sich Verbände, wie etwa der Gewerbeverband oder die Industrie- und Handelskammer. Als Mitglied der Bildungskommission werde ich etwa bedient vom Verband der Schulpflegen oder vom Lehrerverband. Es ist wichtig, dass die Politiker ihre Entscheide im Wissen um die Argumente treffen. Die Betroffenen sollen uns mitteilen, was die Auswirkungen unserer Entscheide sind. Aber eines muss allen bewusst sein: Die grösste «Lobby» ist die Verwaltung. Dort werden die Gesetze ausgearbeitet. Und die Politiker haben ein Interesse daran, mit der Verwaltung auf Augenhöhe diskutieren zu können, deshalb sind sie froh um die Informationen der Verbände. Den Vorwurf, Politiker liessen sich instrumentalisieren, lasse ich nicht gelten. Die Politiker sind clever genug, sich mit den Argumenten auseinanderzusetzen. Das ist ein wichtiger Bestandteil der politischen Meinungsbildung.

zentralplus: Zu den Social-Media. Es fällt auf, dass Sie sehr aktiv twittern. Was bringt das Ihnen?

Bühler: Also Social Media und insbesondere Twitter bringen mir vieles. Die Timeline hält mich newstechnisch auf dem Laufenden. Es ist für mich auch ein Monitoringtool, das mir erlaubt, zu sehen, was gerade aktuell ist. Twitter ist auch interessant, um sich mit Politikern, Journalisten oder Wählern auszutauschen. Ich versuche in Diskussionen einzugreifen und Meinungen zu bilden.

zentralplus: Allgemein sind die Luzerner Kantonsräte aber sehr passiv. Weshalb?

Bühler: Für viele ist Twitter einfach fremd, sie sind nicht damit aufgewachsen. Um Social Media zu betreiben, muss man viel Zeit investieren. Bei Twitter kommt hinzu, dass es sehr eingrenzend ist. Es braucht Freude und ein Flair, sich mit 140 Zeichen auszudrücken.

«Eine Partei muss auf 3 Ks setzen: Kernthemen, Köpfe und Kompetenzen.»

zentralplus: Aber gäbe es Potenzial, etwa im Hinblick auf einen Wahlkampf?

Bühler: Die Nutzerzahlen von Facebook sind natürlich viel höher. In der Schweiz nutzen 3,5 bis 3,6 Millionen Menschen Facebook. Auf Twitter sind es momentan etwa 700’000. Wichtig ist, soziale Medien regelmässig zu betreiben. Man kann nicht einfach drei Monate vor den Wahlen Präsenz markieren.

zentralplus: Bei Stadträtin Manuela Jost fällt das derzeit im Hinblick auf die Stadtratswahlen vom 1. Mai gerade auf.

Bühler: Ja, es gibt viele Politiker, die erst ein Profil oder eine Fanseite erstellen, wenn Wahlen anstehen. Dennoch: Regelmässige, stetige Präsenz ist das A und O. Was die Wirkung im Hinblick auf Wahlen betrifft: Am Ende macht’s der Massnahmenmix der Kommunikationsmittel aus. Man muss sich darüber im Klaren sein, was die Strategie ist, wie die Positionierung aussieht, wie man seine Zielgruppen erreicht, und erst dann definiert man die Kanäle. Dazu gehört unter anderem Facebook, das spannende Möglichkeiten bietet. Man kann Beiträge sehr spezifisch regional oder altermässig bewerben. Im Gegensatz zur Zeitung, wo man einen sehr grossen Streuverlust hat, kann man in den sozialen Medien sehr zielgenau kommunizieren. Und der finanzielle Aufwand ist überschaubar.

zentralplus: Wie sieht guter Wahlkampf aus, und welche Partei macht’s besonders gut im Kanton Luzern?

Bühler: Das ist eine schwierige Frage. Eine Partei muss auf 3 Ks setzen: Kernthemen, Köpfe und Kompetenzen. Eine Partei muss Kernthemen haben, bei denen sie glaubwürdig ist und über Lösungskompetenzen verfügt. Dann braucht es Köpfe, die diese Themen glaubwürdig vertreten. Unter Kompetenzen verstehe ich Netzwerke, Adressen oder Social-Media-Präsenzen. Besonders wichtig ist in einem Wahlkampf die Strategie. Man muss sich überlegen, mit was man in den Wahlkampf steigt und wie man seine Zielgruppe erreicht. Das ist auch in persönlichen Wahlkämpfen nicht anders. Insgesamt: Wahlkämpfe sind Handwerk, man sagt 10 Prozent ist Inspiration und 90 Prozent sind Transpiration.

zentralplus: Aus dem Wahlkampf vom Oktober ist etwa der Wahlkampf des neuen FDP-Ständerats Damian Müller in Erinnerung. Es ist die Rede davon, dass Müller eine Viertelmillion in die Hand nahm.

Bühler: Dieser Wahlkampf war handwerklich der beste, aber auch der teuerste, der je im Kanton Luzern gemacht wurde. Allgemein darf man einen Fehler nicht machen, und zwar: mit den Massnahmen beginnen. Viele denken zuerst an ein Plakat oder bestellen irgendwelche Goodies, ohne sich zu überlegen, was man damit erreicht. Darum ist ganz wichtig: Am Anfang steht immer die Strategie. Wie erreiche ich wen mit was? Klar, muss man auch viel Zeit und Leidenschaft investieren – Müller hat dies vorbildlich gemacht.

Die Kampagne von Ständerat Damian Müller hat den Experten überzeugt:

 

zentralplus: Wie viel bringen Inseraten und Plakate?

Bühler: Der Streuverlust ist natürlich gross, und ich bin skeptisch, wie viel das wirklich bringt. Viel wirkungsvoller ist der direkte, persönliche Kontakt. Man muss all seine Netzwerke ausschöpfen, indem man etwa persönliche Briefe schreibt. Je persönlicher ein Wahlkampf ist, desto besser. Man darf nicht das Gefühl haben, nur weil jemand viele Plakate stellt, hat er grössere Wahlchancen.

zentralplus: Also ist es auch keine Frage des Geldes?

Bühler: Nein, Geld allein reicht nicht. Plakate und Inserate sind sehr kostenintensiv, aber persönliche Kontakte kann man sich nicht kaufen.

zentralplus: Wie viel investierten die Luzerner Politiker in den Wahlkampf im vergangenen Herbst?

Bühler: Viel. Ich will mich da aber nicht auf Äste hinauslassen. Wer stark präsent war, nahm einen sechsstelligen Betrag in die Hand.

zentralplus: Und wie sieht es kampagnentechnisch aus? Zum Beispiel gab es bei der kantonalen SVP-Asyl-Initiative gar keine Gegenkampagne. Nahm man kein Geld in die Hand, weil man wusste, dass das Anliegen keine Chance hat?

Bühler: Wie bereits angetönt, ist es anspruchsvoll, Gelder für Kampagnen aufzutreiben. Und wenn’s kein Thema ist, wo grosse Verbände Interessen haben, ist es wie in diesem Fall noch schwieriger. Insgesamt hat die Bevölkerung bei dieser Abstimmungsfrage wohl realisiert, dass die Asylsituation so gut bewältigt wird, wie es geht.

zentralplus: Noch kurz zur aktuellen politischen Situation. Momentan ist das KP 17 in aller Munde (zentralplus berichtete). Sie stehen mit Ihrer Partei grösstenteils hinter der Steuerstrategie. Dabei ist das ständige Sparen sicherlich unattraktiv und stösst auf Widerstand. Weshalb gelingt es den Linken nicht, daraus Profit zu schlagen und den Drive etwa aus Demonstrationen wie bei der Abschaffung der Fachklasse Grafik zu bündeln?

Bühler: Das ist eine gute Frage. Das sind jeweils Direktbetroffene, die absolut zu Recht auf die eigenen Anliegen aufmerksam machen – das ist auch Lobbying – und sie machen das sehr laut und wahrnehmbar. Ergänzend dazu gibt es eine grosse schweigende Mehrheit, die überzeugt ist, dass sich Ausgaben und Einnahmen die Waage halten müssen. Auf lange Zeit kann man nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Deshalb glaube ich, dass die kantonale Steuer- und Finanzpolitik von der Mehrheit oder sogar von der grossen Mehrheit im Grundsatz getragen wird. Ein Indiz ist die Abschaffung der Liegenschaftssteuer, obwohl man wusste, dass es finanziell schwierige Zeiten sind. Ein anderes Indiz ist, dass die beiden Parteien, die finanzpolitisch eine sehr rigide Haltung haben (FDP und SVP), bei den kantonalen und nationalen Wahlen zugelegt haben.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von mariostuebi
    mariostuebi, 21.03.2016, 12:19 Uhr

    Transparenz sei ihm wichtig, säuselt Bühler im Interview. Dabei gehörte er letzten November zur erdrückenden Mehrheit des Kantonsrats, welche die Einführung des Öffentlichkeitsprinzips im Kanton Luzern mit staatspolitisch fragwürdigen Argumenten aktiv verhinderte. Bürgerliche Heuchelei, wie mans sich gewohnt ist, und niemand hinterfragts.

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