Luzerner Abdankungshalle wird zum Politikum

Kreuz-Drama: Langsam fällt der Vorhang

Die Kreuze in der Abdankungshalle liessen die Wogen hochgehen. Nun scheint die Lösung gefunden. Die Kreuze werden wohl mit einem Vorhang abgedeckt. (Bild: Montage les)

Die Entfernung christlicher Symbole in der Abdankungshalle Friedental liess die Emotionen in der Luzerner Politik hochgehen. Und ist jetzt plötzlich gar kein Thema mehr. Stadtrat Adrian Borgula erklärt im Interview die Kehrtwende. Und die Parteien? Sie wollen alle dasselbe – eigentlich.

Worum geht’s? Die Abdankungshalle Friedental soll saniert werden. In dieser finden pro Jahr rund 620 Trauerfeiern und Rituale statt. In letzter Zeit wünschten vermehrt Angehörige, dass das römisch-katholische Wandgemälde und die Kreuze abgedeckt werden sollen. Was also tun bei der Sanierung mit den christlichen Symbolen?

Kurze Rückblende: Das Stadtparlament folgte dem Stadtrat und wollte die Kreuze aus der Abdankungshalle entfernen (zentralplus berichtete). Die Verlierer CVP und SVP schrien Zetter und Mordio – und fanden Gehör. Die anderen Parteien und der Stadtrat fanden dann doch auch, die Entfernung gehe zu weit, und machten einen Teilweise-Rückzieher. Konfessionsneutral geht nun auch mit Kreuzen und Wandbild – eine flexible Abdeckung sei möglich. zentralplus fragte bei Stadtrat Adrian Borgula (Grüne) nach, weshalb nun diese Kehrtwende vollzogen wurde.

zentralplus: Herr Borgula, warum prüft der Stadtrat nun doch flexible Lösungen?

Adrian Borgula: Wir haben immer klar gesagt, dass wir christliche Symbole an einer Abdankungsfeier weiterhin sicherstellen wollen, etwa mit mobilen Symbolen. Bei der Sanierung der Abdankungshalle ging es um eine fixe Abdeckung des Wandbildes. Nun haben wir das Ganze im Stadtrat nochmals diskutiert und sind zum Schluss gekommen, dass eine flexible Abdeckung besser ist.

«Die unterlegenen Parteien richteten sich an die Öffentlichkeit und wollen damit eine Diskussion auslösen.»

Adrian Borgula, Stadtrat

zentralplus: Geht das überhaupt? Das Stadtparlament hat doch entschieden, dass die Kreuze entfernt und das Wandbild fix abgedeckt werden soll.

Borgula: Ja, wir sind weiterhin im Rahmen des Beschlusses. Der Entscheid lautet, dass die Abdankungshalle konfessionsneutral gestaltet werden soll. Nun wird die Möglichkeit geschaffen, dass für eine Feier nicht nur mobile Symbole, sondern auch das Wandbild mit den christlichen Symbolen je nach Wunsch der Nutzenden in Erscheinung treten kann.

Stadtrat Adrian Borgula

Stadtrat Adrian Borgula

(Bild: adrianborgula.ch)

zentralplus: Waren Sie von der Heftigkeit der Reaktionen überrascht?

Borgula: Ja, das hat mich schon überrascht. Der Entscheid wurde zu einer Grundsatzfrage über Religionsfrieden ausgeweitet. Dabei ist klar, dass staatliche Leistungen, wie die einer Abdankungshalle für alle, die Trennung von Kirche und Staat respektieren sollen. Schon der ursprüngliche Entscheid entsprach diesem Grundsatz. Die Abdankungshalle soll in Berücksichtigung der Wertvorstellungen der verschiedenen Religionen und der Konfessionslosen neutral gestaltet werden. Demgegenüber sollen die Gräber auf dem Friedhof selbstverständlich weiterhin individuell gestaltet werden können.

zentralplus: Wieso gingen die Wellen trotzdem hoch?

Borgula: Das Thema Religion und besonders der Umgang mit dem Tod ist hochemotional. Der Stadtrat ist sich dessen durchaus bewusst und plant die Sanierung der Abdankungshalle oder die Weiterentwicklung auf den Friedhöfen entsprechend sorgfältig und immer auch in Rücksprache mit den Religionsgemeinschaften. Und nochmals: Wir haben immer gesagt, dass christliche Symbole im mobilen Zustand überhaupt kein Problem darstellen.

zentralplus: CVP und SVP kritisierten das Stadtparlament scharf und stiessen damit bei ihren Wählern auf offene Ohren. Schaut man etwa in die Leserbrief-Spalten, kann man sehen, dass sich nicht einmal die Stadtluzerner darüber aufregen, sondern insbesondere die Landbevölkerung. Steckt also Kalkül hinter der ausgelösten Diskussion?

Borgula: Das müssen Sie die Parteien fragen. Dass sich auch die Bevölkerung von ausserhalb der Stadt in die politische Diskussion in der Stadt einmischt, ist durchaus üblich. Wir verstehen uns ja auch als Zentrum der Zentralschweiz. Die unterlegenen Parteien richteten sich an die Öffentlichkeit und wollen damit eine Diskussion auslösen.

zentralplus: Jetzt haben auch noch die «Sieger-Parteien» ein dringliches Postulat eingereicht, welches eigentlich genau das fordert, was der Stadtrat nun bereits entschieden hat. Was halten Sie davon?

«Ein herkömmlicher gewellter Vorhang wäre eine starke optische Belastung für den Raum.»

Adrian Borgula, Stadtrat

Borgula: Ich kenne die genauen Details des Vorstosses noch nicht. Aber wenn alle flexible Lösungen fordern, hat der Stadtrat jetzt einen zweckmässigen Entscheid gefällt, der alle zufriedenstellt und somit ein pragmatischer, gangbarer Kompromiss ist.

zentralplus: Wie geht es nun weiter?

Borgula: Im Moment gilt der Parlamentsentscheid, die ganzen Vorstösse müssen erst abgehandelt werden. Anschliessend werden wir eine Lösung präsentieren. Aber ich muss schon sagen, dass ein herkömmlicher gewellter Vorhang eine starke optische Belastung für den Raum wäre. Deshalb werden nun im Rahmen des Vorprojekts subtilere Möglichkeiten geprüft.

«Schlussendlich ist die Gestaltung der Abdankungshalle kein weltbewegendes Faktum, das Verhältnis der Religionen zueinander allerdings schon.»

Adrian Borgula, Stadtrat

zentralplus: Angenommen, es wird eine gute Lösung mit einem geeigneten Vorhang gefunden. Ist es nicht ein riesiges Theater um eine eigentliche Lappalie?

Borgula: Das will ich nicht beurteilen. Wir wollten eine Aufwertung der Abdankungshalle und nicht eine Grundsatzdiskussion über Religionen. Aber diese Fragen sind nun mal tangiert und wenn die politischen Akteure das zum Thema machen wollen, ist das ihr Recht. Aber sie haben Recht, schlussendlich ist die Gestaltung der Abdankungshalle kein weltbewegendes Faktum, das Verhältnis der Religionen zueinander allerdings schon.

Was machen die Parteien? Ein CVP-Komitee hat das Referendum gegen den Entscheid des Parlaments ergriffen. CVP und SVP haben ein dringliches Postulat eingereicht, das prüfen soll, ob eine flexible Lösung möglich sei. SP, FDP, Grüne und Grünliberale haben ebenfalls ein dringliches Postulat eingereicht, das prüfen soll, ob eine flexible Lösung möglich sei. Verwirrend? Die Parteien erklären sich.

«Wer den Untergang der christlichen Kultur herbeiredete, hat schlicht übertrieben.»

Simon Roth von der SP erklärt: «Auch wenn die Forderungen nahezu identisch klingen, gibt es einige wesentliche Unterschiede.» Zuerst wäre da die Haltung, die hinter den Forderungen stehe. «SVP und CVP bauschen die Diskussion um die Abdankungshallen zu einer Frage um das Schicksal der ‹christlich-abendländischen Kultur›, wie es CVP-Präsidentin Andrea Gmür nennt, auf.» Zudem sei die Möglichkeit, die christlichen Symbole abzudecken, in ihrem Postulat lediglich eine «kann»-Formulierung. Die SP fordere aber mit ihren Unterstützern, dass eine Trauergemeinschaft eine gleichwertige Wahl zwischen sichtbaren oder abgedeckten christlichen Symbolen hat.

Für CVP-Präsidentin Andrea Gmür ging es um mehr als Kreuze:

 

Und auch FDP-Präsident Fabian Reinhards Statement geht in eine ähnliche Richtung. «Es ging hier um die konfessionsneutrale Gestaltung der Abdankungshalle.» Er respektiere Menschen jeden Glaubens und habe Verständnis, dass es sich um ein emotionales Thema handelt. «Aber wer hier den Untergang der christlichen Kultur herbeiredete, hat schlicht übertrieben.» Nun habe der Stadtrat eine pragmatische Entscheidung getroffen, was auch gut sei. «Hätten wir vom Entscheid gewusst, hätte es unser Postulat nicht mehr gebraucht. Aber es war wichtig, dass die Beibehaltung von Kreuzen und Wandbild aus rein pragmatischen Gründen getroffen wurde und nicht aus Angst vom Verlust unserer Kultur.»

«Wir wollen einfach die christliche Herkunft unserer Gesellschaft nicht vernebeln.»

Markus Mächler, CVP-Grossstadtrat

Referendum noch nicht vom Tisch

Auch SVP-Fraktionschef Marcel Lingg sieht sich als Sieger aus der ganzen Diskussion hervorgehen. «Der Entscheid des Stadtrats ist sicher positiv und unserem Sinne. Auch der Stadtrat darf mal einen Fehler eingestehen und korrigieren.» Ganz gegessen sei die Sache aber noch nicht, sagt CVP-Grossstadtrat Markus Mächler. «Mit unserem Referendum wollen wir die christlichen Symbole in der Abdankungshalle verbindlich im Reglement verankern.» Er ist der Ansicht, dass der Stadtrat die Vorstösse ruhig beantworten solle. «Je nach Entwicklung können wir unter Umständen das Referendum fallen lassen.»

«Von einer generellen Entfernung der Kreuze an Kirchen oder anderen öffentlich zugänglichen Gebäuden war nie die Rede.»

Jules Gut, Grossstadtrat Grünliberale

Trotzdem die Frage: Lohnte sich der riesige Wirbel um einen Vorhang? «Ganz sicher», sagt Mächler. Der Stadtrat sei sich ganz offenkundig nicht bewusst gewesen, um was es ging. Er habe das Thema als Randnotiz betrachtet. «Aber hier gehe es um die christliche Kultur. Wir müssen unsere Werte doch nicht weiter verbergen.» Die vielen positiven Rückmeldungen auf den Widerstand seiner Partei bestärken Mächler in seiner Haltung. «Trotzdem lasse ich den Vorwurf, wir würden Wahlkampf betreiben, nicht gelten. Wir wollen einfach die christliche Herkunft unserer Gesellschaft nicht vernebeln.»

Versöhnlichere Töne kommen von den Grünen und den Grünliberalen. «Die nun angestrebte Lösung ist ein guter Kompromiss. Damit sollten nun alle Bedürfnisse abgedeckt werden können», sagt Grünen-Fraktionschefin Korintha Bärtsch. Und Jules Gut von den Grünliberalen fasst das Geschehene zusammen: «Ob nun eine feste Wand zur Abdeckung notwendig ist oder ob auch flexible Lösungen wie beispielsweise Vorhänge oder eine Stele wie in Wohlen den Zweck erfüllt, überlasse ich gerne der Friedhofverwaltung und der Arbeitsgruppe der Glaubensgemeinschaften.» In der Baukommission wie auch im Parlament sei eine sehr sachliche Diskussion geführt worden. «Von einer generellen Entfernung der Kreuze an Kirchen oder anderen öffentlich zugänglichen Gebäuden war nie die Rede.»

Lesen Sie zum Thema auch das Pro + Contra zwischen Jules Gut und Andrea Gmür.

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