Luzern: Keine Kreuze mehr in der Abdankungshalle

«Ein Affront gegenüber unseren Staatsreligionen»

Mit Kreuzen und Engeln: Die Abdankungshalle im Friedental bei einer Abschiedsfeier im Jahr 2005. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Kreuze und religiöse Wandbilder werden aus der Abdankungshalle des Friedhofs entfernt, das hat das Luzerner Stadtparlament beschlossen. CVP und SVP wollten die christlichen Wandbilder retten – und bissen in der Debatte auf Granit.

Traktandiert war im Grossen Stadtrat das «Friedhofs- und Bestattungswesen». Aus einem einfachen Sanierungsprojekt wurde in der Sitzung am Donnerstag eine Debatte zur Rolle der Religion im Staat. Es ging um die Abdankungshalle im Luzerner Friedhof Friedental.

«Für Nichtgläubige, wie zum Beispiel mich, soll es ebenfalls einen Ort geben.»

Adrian Borgula, Stadtrat Grüne

Heute mit weissem Tuch abgedeckt

Alle paar Tage kämen Leute auf die Stadt zu, die an einer Abdankungsfeier keine christlichen Symbole wollten, erklärt Cornel Suter, Leiter der Stadtgärtnerei: «Es werden ja nicht nur Christen, sondern auch Muslime, Hindus, Buddhisten oder Atheisten im Friedental begraben. Bisher haben wir die Kreuze und biblischen Wandgemälde in der Abdankungshalle jeweils mit einem weissen Tuch abgedeckt.»

«Die Bilder und Kreuze gehören zu uns wie die Fronleichnamsprozession.»

Markus Mächler, CVP

Bald wird dies nicht mehr nötig sein. Im Rahmen der Erneuerung der Abdankungshalle (siehe Box) wird diese nämlich konfessionell neutral gestaltet. Will heissen: Aufgestellte Kreuze und weitere christliche Symbole werden entfernt. «Christen können ihren Abschiedsgottesdienst in der Kirche feiern. Für Andersgläubige und Nichtgläubige, wie zum Beispiel mich, soll es ebenfalls einen Ort für eine Feier geben», begründete Stadtrat Adrian Borgula die Änderung in der Ratsdebatte. «Wir erfüllen damit ein Bedürfnis für immer mehr Friedhofsbenutzer.»

CVP wollte Kreuze retten

Nicht einverstanden war damit die CVP. Sie wollte die Kreuze in der Abdankungshalle mit einer Protokollbemerkung erhalten. «Sie sind ein Zeugnis der christlichen Herkunft unserer Kultur», sagte etwa Grossstadtrat Markus Mächler. «Wenn jemand kein Kreuz will, kann man es wie bisher mit Tüchern abdecken. Ich sehe nicht ein, wieso man das ändern sollte. Die Bilder und Kreuze gehören zu uns wie die Fronleichnamsprozession oder die Kreuze auf unseren Berggipfeln.»

«Sie argumentieren wie im 19. Jahrhundert.»

Stefan Sägesser, Grünliberale

«Eben nicht», konterte GLP-Ratsmitglied Stefan Sägesser. Der Religionswissenschafter und Ex-Öffentlichkeitsbeauftragte der reformierten Kirche schlug mit einer historischen Abhandlung («Ich habe auch eine Arbeit darüber geschrieben») zurück: Der Friedhof Friedental sei der erste Ort gewesen, wo Bestattungen für alle Konfessionen und Religionen gemeinsam möglich waren. «Früher durften nur Katholiken innerhalb der Friedhofsmauern bestattet werden. Zum Glück sind wir heute weiter. Die CVP argumentiert hier wie im 19. Jahrhundert», nervte Sägesser sich.

«Vielleicht findet Adrian Borgula zum Glauben, wenn es ihm einmal nicht so gut geht?»

Joseph Schärli, SVP

«Ein Affront gegenüber unseren Staatsreligionen»

Parlament kürzt Kredit

Das Stadtparlament hat am Donnerstag das Bestattungs- und Friedhofswesen der Stadt Luzern behandelt. So sollen die städtischen Friedhöfe für 1,5 Millionen Franken saniert werden. Dieses Geld fliesst in den nächsten drei Jahren und wird hauptsächlich im grössten Friedhof der Stadt im Friedental investiert. Neben der Abdankungshalle werden auch weitere Infrastrukturen wie Wege, Mauern, Treppen, Tore und Leitungen erneuert. Weiter soll das Friedhofsreglement der Stadt Luzern nun auch auf die ehemaligen Littauer Friedhöfe angewandt werden.

Für FDP, SVP, GLP und CVP war die geplante Erneuerung der Abdankungshalle mit 500’000 Franken zu teuer. Auf Antrag von Rieska Dommann (FDP) kürzte der Rat den Kredit für die Erneuerung deshalb um 100’000 Franken. Wo dieser Fünftel eingespart werden soll, konnte oder wollte Dommann nicht sagen, die genaue Aufstellung der Kosten unterliege dem Kommissionsgeheimnis, beteuerte er im Rat.

Unterstützung fand die CVP hingegen von der SVP. Joseph Schärli sah in der Entfernung der Kreuze einen «Affront gegenüber unseren Staatsreligionen» und eine unzulässige Anpassung der Mehrheit an eine Minderheit. Schärli berichtete, dass sich im Spital seiner Erfahrung nach viele Konfessionslose wieder Gott zuwendeten. «Vielleicht wird auch Adrian Borgula wieder zum Glauben finden, wenn es ihm einmal nicht so gut geht?», versuchte er den Stadtrat der Grünen zu provozieren.

Stadtrat Borgula ging darauf gar nicht ein. Er überzeugte den Rat mit dem Argument, dass sich die Stadt neutral gegenüber allen Religionen verhalten solle. «Wenn Sie wollen, können Sie natürlich weiterhin ein Kreuz an die Abdankungsfeier mitnehmen.» Eine Mehrheit aus FDP, Grünliberalen, Grünen und SP lehnte den Antrag, die religiösen Symbole zu behalten, ab.

Nicht säkularisiert wird die jüdische Abdankungshalle an der Sedelstrasse. Diese befindet sich im Besitz der jüdischen Gemeinde und nicht der Stadt. Bereits verschwunden sind die religiösen Symbole hingegen aus der Leichenhalle im Friedental: Bei der Sanierung vor einigen Jahren wurden dort religiöse Symbole bereits entfernt. «Das hat ohne Probleme funktioniert und es gab viele positive Rückmeldungen», berichtet Stadtgärtner Suter.

zentral+ berichtet bereits über das Friedhofs- und Bestattungswesen der Stadt Luzern:

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4 Kommentare
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    Dominik, 01.03.2016, 14:58 Uhr

    Im Nachgang zu dieser Sitzung des Luzerner Stadtparlaments beklagt sich SVP-Kantonalpräsident Franz Grüter in einem Leserbrief und Meinungsbeitrag auf lu-wahlen.ch, «unsere christlich-abendländische Kultur» werde «immer unverhohlener unterlaufen» und mahnt, es sei «Zeit, umzudenken und sich zu besinnen, (…) welche Werte uns prägen und zu diesen (…) zu stehen». Sollen diese Sätze glaubwürdig sein, darf sie Franz Grüter nicht nur auf die sichtbaren christlichen Symbole beziehen, die ihm Anlass für seinen Leserbrief gaben. Solche Symbole sind zwar wichtig und sollen keinesfalls aus unserem Alltag verdrängt werden. Noch wichtiger aber ist es, die damit zum Ausdruck gebrachte Werthaltung im eigenen Alltag tatsächlich zu leben. Franz Grüter muss sich als Nationalrat und Parteipräsident daran messen lassen, wie er entscheidet, wenn es um die Hilfe für sozial Schwache geht, für Benachteiligte, für Menschen mit einer Behinderung, für Flüchtlinge; wenn Geschäfte wie die Ladenöffnungszeiten, der Schutz der Umwelt oder die Jugendförderung auf der Traktandenliste stehen.

    Dominik Thali, Hochdorf

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    Leo, 01.03.2016, 10:12 Uhr

    «Für Nichtgläubige, wie zum Beispiel mich, soll es ebenfalls einen Ort geben.»
    Adrian Borgula, Stadtrat Grüne
    Also, baue Dir oder Euch doch ein neues, zusätzliches Gebäude – sofern ihr so eines überhaupt braucht, aber lasse der gläubigen Mehrheit das ihre stehen wie es ist.
    Gläibig sind nicht nur Christen, sondern z.B. auch Muslime und Juden. Auch wenn diese nicht unbedingt die christliche Abdankungshalle benutzen. Aber ich kenne einige, die diese immer wieder mal besuchen, weil sie christlichen Freunden auf dem Friedhof die Ehre erweisen.

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    Sarastro, 26.02.2016, 14:13 Uhr

    Wenn der grüne Stadtrat mal das Zeitliche segnet, müsste er sich linientreu und standesgemäss kompostieren lassen. Im Hinblick auf die kommenden Wahlen wäre es wohl angebracht, seine Wahlfeier in der Abdankungshalle durchzuführen.
    G.St.W.

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  • Profilfoto von mariostuebi
    mariostuebi, 26.02.2016, 09:02 Uhr

    Was noch interessant zu wissen wäre: Warum hat die CVP dem Kürzungsantrag der FDP zugestimmt? Was waren ihre Gründe? Die Bevölkerung erfährt es nicht, weil die Fraktion kein Votum abgegeben hat vor der Ratsabstimmung. Nicht das erste mal, dass man bei CVP nicht weiss, warum sie für oder gegen etwas ist, sondern einfach mit der Mehrheit geht.

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