Zuger Heimatschutz gegen Salesianum

«Ich befürchte, dass es durchkommt»

Hat der Heimatschutz geschlafen? Das Salesianum dürfte eigentlich gar nicht überbaut werden – die Bauordnung der Stadt ist nicht konform mit dem zwingenden Ortsbildschutz des Bundes. (Bild: Beat Blättler)

Der Zuger Heimatschutz wehrt sich gegen den Bebauungsplan Salesianum. Aber nur ganz leise. Weshalb scheut der Verein den Abstimmungskampf? Und wieso hat er die einmalige Chance verpasst, das Areal absolut sicher vor jeder Überbauung zu schützen? Meinrad Huser sagt: «Wir sind kein Kampfverein.»

Meinrad Huser wohnt im dritten Stock. Zuoberst am Zugerberg, weiter oben ist nur noch der Wald und das Restaurant Rötelberg. Wahrscheinlich braucht man einen guten Ausblick auf die Landschaft, als Präsident des Zuger Heimatschutzes. Was er allerdings momentan unten im Tal zu sehen bekommt, gefällt Huser gar nicht. Sein Verein hat sich dem Gegnerkomitee der Salesianum-Abstimmung angeschlossen.

zentral+: Herr Huser, wie schätzen Sie die Lage ein – wird das Volk ja sagen?

Meinrad Huser: (Kneift die Augen zusammen, überlegt kurz.) Ich befürchte, dass es durchkommt.

zentral+: Der Zuger Heimatschutz hat sich dem Gegnerkomitee angeschlossen. Ist denn der Bebauungsplan tatsächlich so schlimm?

Huser: Das Gegnerkomitee ist ein ganz heterogener Verein, ich kann nur für die Anliegen des Zuger Heimatschutzes sprechen. Was uns an der Abstimmung stört, ist der Fakt, dass das ISOS viel zu wenig beachtet wird. Das Salesianum-Areal ist im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz enthalten. Was wir wollen, ist, dass auf dem Areal des Salesianums so gebaut wird, dass sich ein Wandel von der städtischen zur ländlichen Gegend erkennbar macht. Das fordert das ISOS, und daran müssen sich die Kantone und Gemeinden halten. Und zudem müssen die bestehenden Gebäude entsprechend den kommenden Nutzungsentscheiden erweitert werden können. Der Bebauungsplan erfüllt diese Vorgabe überhaupt nicht.

zentral+: Allerdings haben Sie sich nur sehr vorsichtig in den Abstimmungskampf eingebracht. Weshalb diese Zurückhaltung?

Huser: Das stimmt, das kann man so sehen. Der Punkt ist, dass sich unser Anliegen nur schlecht verkaufen lässt. Unsere Idee ist zwar wichtig, aber sie ist zu komplex für eine Volksabstimmung und nicht so gut kommunizierbar. Zudem ist der Zuger Heimatschutz keine Kampforganisation, sondern setzt sich mit sachlichen Argumenten für das Recht ein.

«Ich habe die Ansicht gehört, dass man 90 Prozent Wohnen machen könne und ein bisschen öffentliche Nutzung. Das stimmt nicht.»

Meinrad Huser, Präsident Heimatschutz

zentral+: Was ist denn genau der Punkt, an dem sich der Heimatschutz stört?

Huser: Das Wichtigste für uns ist, dass in Zukunft das ISOS wieder stärker beachtet wird. Das ist eine Aufgabe des Zuger und des Schweizer Heimatschutzes. Und das ISOS verlangt, dass – wenn überhaupt auf dem Areal gebaut wird – es einen Übergang von der städtischen in die ländliche Zone gibt. Das erfüllt der vorliegende Bebauungsplan überhaupt nicht.

Was ist das ISOS?

Das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) beinhaltet 1237 schützenswerte Ortsbilder. Das Salesianum und das anliegende Areal sind beide im ISOS festgehalten. Das Gebäude wird im ISOS mit «A» bewertet: Das ISOS fordert die integrale Erhaltung der Gebäude. Das Areal rund ums Salesianum, das nun überbaut werden soll, wird im ISOS mit «A» bewertet.

Bei diesen Zonen gelte, dass die Beschaffenheit als Kulturland oder Freifläche erhalten werden müsse, schreibt das Zuger Verwaltungsgericht in seinem Urteil. Die für das Ortsbild wesentliche Vegetation und die Altbauten sollen bewahrt und störende Veränderungen beseitigt werden. Weiter gelten hier als generelle Erhaltungshinweise: «Kein Baugebiet, strenge Gestaltungsvorschriften für standortgebundene Bauten, spezielle Vorschriften für Veränderungen an Altbauten.» Die Zuger Bau- und Zonenordnung hat jedoch das Gebiet als Bauzone eingestuft. Das ist mit dem ISOS nicht konform. Das Bundesgericht hat 2009 festgelegt, dass das ISOS für Kantone und Gemeinden zwingend ist. Der Widerspruch bleibt bis zur nächsten Zonenplanänderung bestehen.

Daneben stört uns der Fokus des Bebauungsplans: In der Bauordnung der Stadt Zug steht, dass das gesamte Areal, auf dem das Salesianum steht, ganz klar für die öffentliche Nutzung vorgesehen ist (blättert in der Bauordnung). Hier: «Die Bauzone Salesianum ist für öffentlich zugängliche Nutzungen wie Schulen, Kultur usw. und fürs Wohnen bestimmt.» Und für Wohnen. Ich habe die Ansicht gehört, dass man 90 Prozent Wohnen machen könne und ein bisschen öffentliche Nutzung. Und wir sagen: Das stimmt nicht. Die Bauordnung wurde extra so angelegt, um dem ISOS möglichst Rechnung zu tragen. Die öffentliche Nutzung erscheint uns insgesamt und für die gesamte Überbauungsfläche wichtiger als das Wohnen.

zentral+: Nur ist Ihr Verein auch ein Stück weit selber schuld, dass das ISOS auf dem Salesianum-Areal ignoriert wird: Die Bauordnung der Stadt Zug ist 2009 in Kraft getreten, obwohl die Einzonung des Salesianum-Areals als Bauland mit dem ISOS in Konflikt stand. Es dürfte gar kein Bauland sein. Sie hätten Einsprache halten müssen. Warum haben Sie das verpasst?

Huser: Wir haben damals abgewartet. Es war eine zeitliche Vermischung, denn es war auch das Jahr 2009, als das Bundesgericht entschied, dass das ISOS für die Kantone bindend ist und dass diese sie in der Nutzungs- beziehungsweise Bauordnung umsetzen müssen. Die Stadt war gerade daran, die Bau- und Zonenordnung zu revidieren. Damals ist viel auf einmal passiert, und die Lage war nicht überschaubar. Die Stadt hat dann das ISOS in ihrer Bauordnung umgesetzt, und dies ist wohl rechtsverbindlich geworden.

«Jetzt geht es darum, dass man sich auch daran hält und unbestimmte Begriffe in der Vorschrift im Sinne und Geiste des ISOS umsetzt.»

zentral+: Wie hat die Stadt das ISOS umgesetzt? Immerhin fordert dieses, dass grundsätzlich nicht gebaut werden dürfe.

Huser: Indem es das Areal des Salesianums der «Bauzone mit speziellen Vorschriften Salesianum» zugeführt hat. Die Bestimmung, dass das Areal einem öffentlichen Nutzen und Wohnen dienen muss, und die Sonderbestimmungen zum Areal, das sind direkte Folgen des ISOS. Jetzt geht es darum, dass man sich auch daran hält und unbestimmte Begriffe in der Vorschrift im Sinne und Geiste des ISOS umsetzt.

zentral+: Nur steht das dummerweise nicht zur Debatte: Was auf dem Tisch liegt, ist ein Vorschlag des Privateigentümers. Die Bevölkerung kann jetzt ja oder nein zu diesem Projekt sagen und ist sich vielleicht nicht im Klaren, dass das Projekt nicht mit dem Ortsbildschutz konform ist. Hat die Stadt zu wenig hart verhandelt? Hätte sie eine Vision entwickeln müssen?

Huser: Es ist schwierig zu sagen, wo im Prozess Fehler gemacht wurden. Das Problem scheint mir vielmehr, dass im Kanton Zug die Grundstückeigentümer die Bebauungspläne selber machen müssen. Sie machen sie natürlich so, dass sie ihren Interessen entsprechen. Das Volk kann dann darüber abstimmen. Dann wird er vom Regierungsrat überprüft. Dieser Vorgang ist problematisch. Es wäre besser, wenn die Behörden die Bebauungspläne erarbeiten müssten, wie das in anderen Kantonen der Fall ist.

zentral+: Der Prozess ist auch bei einem Ja noch nicht zu Ende. Werden Sie wieder vor Gericht gehen?

Huser: Für uns ist das nicht so klar. Wissen Sie, das Zuger Verwaltungsgericht vermag sehr differenziert zu urteilen. Ich verliere nicht gerne (lacht), und die Ausgangslage ist alles andere als sicher. Immerhin sehe ich doch einige Punkte, die rechtlich ins Feld geführt werden könnten.

zentral+: Das Hauptargument der massiv überhöhten Ausnutzung ist allerdings vom Tisch.

Huser: Genau, und es wird schwierig werden, aufgrund der Bauordnung zu argumentieren. Denn diese lässt tatsächlich viel offen. Es ist noch nicht sicher, ob wir vor Gericht gehen werden oder nicht. Was wir uns aber wünschen würden, ist, dass es bei solchen Projekten mehr Einbezug geben würde, von uns, vielleicht auch von den Nachbarn (lacht). Und was mich wirklich stutzig macht, ist, dass der Denkmalschutz das einfach durchgewinkt hat. Obwohl es nicht mit dem ISOS konform ist. ISOS ist eine Form von Denkmalschutz. Offenbar ist die Denkmalpflege so unter politischen Druck geraten, dass sie sich jetzt gar nicht mehr getraut, einzugreifen.

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