Entsorgungssorgen in Zug

Es wird eng für den Ökihof

Der Ökihof auf dem Güterbahnhof-Areal muss weg. Die SBB hegen dort Neubaupläne. Nachdem das Gebiet Unterfeld ausscheidet, geht die Suche nun von Neuem los. (Bild: anm)

Der Ökihof Zug: bewährt, äusserst beliebt – aber bald heimatlos. Der Vertrag am Bahnhof läuft aus, und der Umzug ins Gebiet Unterfeld ist gestrichen. Die Stadt gerät nun unter Zeitdruck. Unsere Recherchen zeigen zudem, dass nicht viele Alternativen übrig bleiben.

Knapp 40’000 Menschen besuchen den Ökihof und das integrierte Brockenhaus beim Güterbahnhof der Stadt Zug monatlich. Diese werden allerdings schon bald gezwungen, sich an einen anderen Standort zu begeben. Denn der Ökihof muss seinen angestammten Platz verlassen – der Mietvertrag mit den SBB läuft auf Ende 2019 aus. Nun muss die Stadt dringend einen neuen Ort finden.

Zurzeit ist eine Arbeitsgruppe damit beschäftigt, eine Auslegeordnung zu erstellen. Zu diesem laufenden Prozess möchte sich der Zuger Bauchef André Wicki nicht äussern. Allerdings wurde die erwähnte Arbeitsgruppe schon einmal mit der Suche nach möglichen Alternativen beauftragt. Deren Abschlussbericht resultierte in der jüngst verworfenen Option Unterfeld (zentral+ berichtete). Beurteilt wurden aber noch andere Standorte – die im laufenden Prozess wohl erneut in den Fokus rücken. Die Unterlagen liegen zentral+ nun vor und listen sechs Standorte auf, die jetzt wieder zur Debatte stehen:

1. Industriestrasse 51–53 (Steinlager)

Am Standort Industriestrasse könnte ein Ökihof nur mit der Erteilung von verschiedenen Ausnahmebewilligungen und nur mit aufwendigen baulichen Massnahmen realisiert werden. Es ist zudem nur ein zweigeschossiger Bau möglich. Reserve- und Lagerflächen für den Werkhof würden fehlen. Der Gewässerabstand von sechs Metern für den Göblibach müsste reduziert und ein Überbaurecht gewährt werden. Ausserdem müsste eine Umzonung vorgenommen werden. Fazit: ein klares Nein.

Standortanforderungen

Ein guter Standort für einen Ökihof müsse die Anliegen der Bevölkerung und des Betriebs möglichst optimal vereinen. So steht es im Abschlussbericht vom Januar 2015. Die Entsorgungsstelle sollte also mit dem Auto, dem öffentlichen Verkehr und dem Langsamverkehr gut erreichbar sein. Gleichzeitig muss genügend Raum vorhanden sein, damit der Besucher- und Betriebsverkehr getrennt geführt werden kann und der Abtransport der Wertstoffe mit Bahn oder LKW problemlos möglich ist. Ausserdem befürwortet es die Projektgruppe, die Synergien zwischen Ökihof und Brockenhaus auch an einem neuen Ort zu nutzen.

2. Werkhof- und Feuerwehrareal Göbli

Das Werkhof- und Feuerwehrareal ist aus verkehrstechnischen Gründen für die Ansiedlung eines Ökihofs mit hohem Verkehrsaufkommen nicht geeignet, da die Feuerwehr jederzeit ungehindert zu den Einsatzorten gelangen muss. Eine Integration in die bestehende Anlage oder allenfalls die Auslagerung des Werkhofs und der Feuerwehr an einen alternativen Standort würde den zur Verfügung stehenden Zeitrahmen sprengen. Auch dieser Standort wird abgelehnt.

3. Schleifeareal

Auf dem Schleifeareal ist einerseits die Überbauung Feldpark im Bau und andererseits der Bebauungsplan Unterfeld in Vorbereitung. Das Areal steht somit nicht mehr als Ökihofstandort zur Verfügung.

4. Gaswerkareal

Im Rahmen der Standort-Evaluation für einen neuen Ökihof wurden auch alle möglichen im Eigentum des Kantons und der Korporation stehenden, nicht bebauten Grundstücke näher betrachtet. Das Gaswerk ist das einzige Areal (Stadt und Kanton), welches für eine Ökihofnutzung geeignet wäre. Allerdings ist die Parzelle frühestens ab 2022 mit dem Fokus auf andere Nutzungen verfügbar. Ebenfalls ein Nein.

5. Güterbahnhof SBB

Der Mietvertrag für den heutigen Standort beim alten Güterbahnhof läuft aus. Ausserdem ist die Verkehrssituation aufgrund des grossen Besucherandranges seit langem unbefriedigend. Die Arbeitsgruppe sagte aus diesen Gründen zwar klar nein zur bestehenden Unterbringung am Bahnhof. Das letzte Wort in dieser Sache ist allerdings noch nicht gesprochen. Dazu später mehr.

6. Standort Göbli / Verlängerung Industriestrasse

Obwohl der Grosse Gemeinderat nur das Landtauschgeschäft mit der Korporation, nicht aber das Tauschgeschäft mit der WWZ AG genehmigte, erfüllt der Standort Göbli die Voraussetzungen für die Errichtung eines neuen Ökihofs. Die Grösse der Parzelle ist ausreichend, und der Standort ist gut mit dem Individualverkehr und dem öffentlichen Verkehr erreichbar. Die Nähe zur Gemeinde Baar könnte jedoch zu einem überproportionalen Besucherandrang führen.

Überprüfte Standorte für einen neuen Ökihof in der Stadt Zug. Quelle: Baudepartement, Januar 2015.

Überprüfte Standorte für einen neuen Ökihof in der Stadt Zug. Quelle: Baudepartement, Januar 2015.

Unterfeld versus Göbli

Die Arbeitsgruppe kam zum Schluss, dass sich nur die Areale Göbli und Unterfeld als neue Standorte für den Ökihof und das Brockenhaus eignen. Von diesen beiden wurde der Standort Unterfeld/Unterwerk Herti von der Projektgruppe deutlich favolisiert. Das Göbli eigne sich zwar grundsätzlich, sei jedoch mit einigen Schwierigkeiten verbunden.

Die nutzbare Landfläche im Göbli umfasst gut 5700 Quadratmeter. Das Land gehört der Stadt Zug und wäre somit sofort verfügbar. Gemäss Einschätzung der Arbeitsgruppe könnte der Ökihof im Göbli im ersten Quartal 2018 in Betrieb genommen werden. Dank der Vertragsverlängerung seitens der SBB wäre eine Übergangslösung somit nicht notwendig. Probleme gibt’s allerdings mit der Umgebung. Zum einen müsste die Erschliessungsstrasse für den motorisierten Individualverkehr noch gebaut werden. Zum anderen befinden sich in der Nachbarschaft Wohnliegenschaften, sodass das Einsprachepotenzial als gross eingeschätzt wird.

Die Standorte Unterfeld und Göbli im Vergleich. Quelle: Abschlussbericht «Neuplanung Ökihof», Januar 2015.

Die Standorte Unterfeld und Göbli im Vergleich. Quelle: Abschlussbericht «Neuplanung Ökihof», Januar 2015.

Also ab ins Göbli?

Aus zwei mach eins. Da das Gebiet Unterfeld nun vom Tisch ist, bleibt eigentlich nur noch das Göbli – trotz der Vorbehalte. Zum jetzigen Zeitpunkt möchte sich Bauchef André Wicki jedoch nicht darauf festlegen. «Wir warten die Auslegeordnung ab, dann können wir mehr sagen.» Ob und welche Standorte in der laufenden Evaluation neu dazukommen, ist ungewiss. Auch hier gelte die Devise: abwarten. Neue mögliche Standorte heute schon aus dem Hosensack herzuzaubern, sei zwar wünschenswert, aber nicht pragmatisch – und schon gar nicht professionell, betont Wicki.

«Wer die Verteilung auf verschiedene Standorte vorschlägt, zeigt damit, dass er nicht wirklich versteht, was einen Ökihof ausmacht.»

Benno Zimmermann, Betriebsleiter Ökihof

Der Blick wurde zwischenzeitlich allerdings etwas erweitert. Man untersucht nicht nur zentrale, sondern neu auch dezentrale Lösungen. Das heisst, der Ökihof könnte künftig auf verschiedene Standorte aufgeteilt werden. Sehr zum Unmut von Benno Zimmermann, dem Betriebsleiter am Standort Güterbahnhof: «Wer die Verteilung auf verschiedene Standorte vorschlägt, zeigt damit, dass er nicht wirklich versteht, was einen Ökihof ausmacht.»

Gemäss Swissrecycling ist ein Sammelstellenkonzept mit einem grossen zentralen Ökihof kosteneffizienter als der Unterhalt von mehreren, dezentralen Sammelstellen in den Quartieren. Eine dezentrale Lösung wäre nur schon aus logistischen Gründen nicht sinnvoll, findet Betriebsleiter Zimmermann. «Ausserdem ist der Ökihof auch eine Begegnungsstätte. Die Leute, vor allem ältere, treffen sich hier und pflegen soziale Kontakte. Das ginge durch eine Aufteilung verloren.» Zimmermann plädiert klar dafür, dass man am angestammten Platz bleibt. Seine Hoffnung ist indessen nicht ganz unbegründet.

Status quo

Denn die Option einer Verlängerung oder gar Beibehaltung des aktuelles Standorts beim Güterbahnhof ist nicht definitiv vom Tisch. André Wicki appellierte im Oktober 2015 zwar an die Gemeinderäte, eine entsprechende Motion nicht zu unterstützen, stiess im Parlament aber auf wenig Gehör. Die Motion wurde mit 23 Ja- zu 15 Nein-Stimmen für erheblich erklärt (zentral+ berichtete). Damit erteilte der Grosse Gemeinderat der Stadt den Auftrag, sich für die Beibehaltung des Ökihofs am heutigen Standort einzusetzen.

«Der Eingriff ins Privateigentum der SBB ist unverhältnismässig.»

André Wicki, Bauchef Stadt Zug

Das ist allerdings nicht ganz unproblematisch. Denn die SBB hätten nachgewiesen, dass sie den südlichen Teil des Areals nicht mehr für den Bahnbetrieb brauchten. Eine Umzonung des Baugebiets in eine andere Zone sei zudem unzulässig. «Die SBB und auch die Zuger Kantonsregierung haben eine Umzonung als juristisch nicht realisierbar erklärt. Der Eingriff ins Privateigentum der SBB ist unverhältnismässig», sagt Wicki. Auch sei der Bedarf für eine Zone des öffentlichen Interesses nicht gegeben.

Motionär Willi Vollenweider ist anderer Meinung: «Mit meiner Motion haben wir ein Druckmittel in der Hand, um dafür zu sorgen, dass das Areal nicht spekulativen Partikularinteressen geopfert wird, wie es mit der Versteigerung von Wohnraum in der Europa-Allee in Zürich passiert ist. Die SBB haben einen Transportauftrag und nicht den Auftrag, Spekulationen mit ihren Grundstücken zu betreiben», sagte er vor der Debatte im GGR.

Das Tauziehen um den Ökihof ist also längst nicht entschieden. Ausgehend vom Abschlussbericht der Arbeitsgruppe «Neuplanung Ökihof» darf die zweite Auslegeordnung mit Spannung erwartet werden. Vieles spricht für die Variante Göbli. Das könnte zeitlich allerdings knapp werden. Oder wird sich der Ökihof letztlich doch auf verschiedene Standorte aufteilen? Das Geplänkel rund um die Beibehaltung auf dem SBB-Areal darf ebenfalls nicht ausser Acht gelassen werden – eine allfällige Konsensfindung würde zumindest einen zeitlichen Aufschub bei der Suche nach dem künftigen Zuhause des Ökihofs gewähren.

Frist um Frist

Seit dem 1. Dezember 1999 befindet sich der Ökihof Zug provisorisch und ursprünglich zeitlich befristet bis Ende 2014 beim alten Güterbahnhof in Zug. Das Areal wird durch die Stadt Zug von den SBB gemietet. 2010 gewährten die SBB eine Vertragsverlängerung bis Ende 2015, da dies dem Zeitpunkt entspricht, bis zu welchem die Zonierung des Areals festzulegen ist.

Die SBB beabsichtigen, das Güterbahnhof-Areal auf die zukünftigen Bedürfnisse auszurichten und das heute «unternutzte Areal» für einen Freiverlad im nördlichen Teil und für eine städtebauliche Entwicklung im südlichen Teil umzunutzen. Aufgrund der Verlegung/Konzentration des Freiverlads in den nördlichen Teil des Areals wird auch das Güterschuppen-Areal benötigt, und die darauf befindlichen Gebäude müssen abgebrochen werden.

Im Zusammenhang mit der weiteren Planung des Freiverlads und des Entwicklungsareals gewährten die SBB eine Vertragsverlängerung bis 31. Dezember 2019. In einer Sitzung vom 1. September 2015 beschloss der Stadtrat die Unterzeichnung des Mietvertrages. Damit sind die Dienstleitungen von Ökihof und Brockenhaus bis Ende 2019 für die Bevölkerung gesichert.

Bereits im Dezember 2007 teilten die SBB der Stadt Zug mit, dass noch keine definitiven Entscheide zur bahnbetrieblichen Zukunft des Areals vorliegen und deshalb keine Verlängerung des Mietvertrags bis ins Jahr 2020 möglich sei.

Gemäss eigenen Aussagen verfügen die SBB gesamtschweizerisch nur über wenige vergleichbare Entwicklungsgebiete von derartiger Qualität. Aufgrund dieser Überlegungen sahen die SBB keine Möglichkeit, den Mietvertrag für den stets als Provisorium betrachteten Standort für den Ökihof zu verlängern.

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