Intrigieren – vergessene Luzerner Tradition

Als die Fasnacht noch klug und sexy war

An den Maskenbällen wurde in Luzern vor einigen Jahren noch fleissig das Intrigieren gepflegt. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

«Intrigieren» hört sich gut an. Trotzdem ist die Fasnachtstradition, die früher die Maskenbälle dominierte und Pärchen zusammenbrachte, kaum noch bekannt. Doch einige Luzerner Gruppen lassen diese Narrenfreiheit wieder aufleben.

Am Familienfest echauffiert sich plötzlich die ältere Generation. Dabei sorgt das Gesprächsthema Luzerner Fasnacht normalerweise doch eher für Lacher als für lautstarke Diskussionen – aber diesmal nicht. Denn das Thema dreht sich ums «Intrigieren».

«Intrigieren» – ein Wort, welches bei den Jüngeren am Tisch nicht wirklich mit der Fasnacht in Zusammenhang gebracht wird. Doch der Rest kommt in Fahrt: Heute sei Fasnacht doch nicht mehr als «verkleidetes Saufen zu schlechter Musik». Der heutigen Fasnacht fehle es an klugem Witz. Guuggenmusigen, Elektrobars und Saufgelage in billigen Tierkostümen: Das kreative und wilde Fasnachtstreiben von früher verkomme zur grossen lärmigen Party. «Damals aber, ja früher, war das noch ganz anders.» Und für einmal lassen wir Floskel Floskel sein und hören uns an, was denn früher so viel besser war.

Rollenspiel mit Hintergedanken

«Intrigieren», so nannte man noch vor nicht allzu langer Zeit die Spiele, die während der Fasnacht die Maskenbälle und das Treiben in den Beizen dominierten. Maskierte Gruppen, Paare und Einzelmasken mischten sich unter die erkennbaren Gäste und spielten ihre Spielchen mit ihnen. Alois Häcki von den Luzerner Maskenfreunden erklärt: «Das Intrigieren ist eine Art Rollenspiel mit Maskierung. Man geht auf nicht maskierte Fasnächtler zu und verwickelt sie in ein Gespräch, nimmt sie auf den Arm.» Besonders Spass mache es natürlich, wenn man einige Leute in der Menge erkenne. «Dann kann man ihnen indiskrete Geschichten unter die Nase reiben, die man von ihnen weiss.» Das können auch Kleinigkeiten sein, wie wenn man seinen Nachbarn letztens mit einem Glas zu viel erlebt hat. Oder man spricht sie auf ein Hobby an oder auf eine Geschichte aus der Vergangenheit: «Na, heute auch wieder den Penalty reingelassen?» zum Beispiel.

«Ein Glas Weisswein vorher, dann geht das schon.»
Alois Häcki, Luzerner Maskenfreunde

Intrigieren sei «höchnäh», veräppeln und den Leuten auch mal den Spiegel vorhalten. Kennt man sie nicht, geht man passend zum Motto auf die Leute zu. Zum Beispiel ist man als sieben Zwerge unterwegs und sucht sich sein Schneewittchen auf den Strassen und in den Beizen. Und dabei wird nicht an Süssholzgeraspel und Körperkontakt gespart.

Kreative Kontaktbörse

Besonders die aussterbenden Maskenbälle waren früher der Spielplatz der Intrigierenden. In den verschiedenen Quartieren fanden noch vor wenigen Jahren zahlreiche solcher Fasnachtsbälle statt. «Ich bin im Würzenbach aufgewachsen. Dort wurde am Quartiermaskenball immer intrigiert. Meist waren mehr maskierte Frauen als Männer unterwegs», erinntert sich Häcki. Am besten sei es, wenn man eine «Halbe/halbe»-Aufteilung habe.

Nicht selten hätten sich früher Pärchen so kennengelernt. «Auch die Jüngeren waren voll dabei und haben an den Maskenbällen und in den Beizen stundenlang maskiert geflirtet, bevor um Mitternacht die Masken gelüftet wurden», erklärt Häcki. Ein lockeres Mundwerk ist dabei unabdingbar. «Ein Glas Weisswein vorher, dann geht das schon», meint Häcki lachend. Trotzdem: «Schnörren» alleine, das reiche aber nicht. «Man muss als Gruppe, oder umso mehr als Einzelmaske, einen Auftritt hinlegen, welcher akustisch und optisch auffällt.»

Eine Gruppe maskierter Frauen schnappt sich einen nicht maskierten Jüngling. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Eine Gruppe maskierter Frauen schnappt sich einen nicht maskierten Jüngling. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Laute Strassen, Techno-Beizen statt witzige Tanzgesellschaften

Bruno Gisi von der Maskenliebhaber-Gesellschaft Luzern ist ebenfalls einer der Fasnächtler, welche noch für Masken und das Intrigieren einstehen. Der Verlust der Maskenbälle führe auch zu schwierigern Umständen fürs Intrigieren, betont Gisi.

Und Luzern habe halt nicht mehr die Grösse, dass man auf den Strassen ständig Leute erkenne, von welchen man einige indiskrete Geheimnisse wisse, bedauert er. Auch wenn man sich nicht kenne, werde weniger aufeinander eingegangen. Auf den Strassen fehle das Intrigieren heute oft gänzlich. «Es gibt kleine maskierte Gruppen, die etwas Ähnliches machen wie das traditionelle Intrigieren.» Aber dasselbe sei es natürlich nicht, so Gisi.

Auch in vielen Beizen sei das Intrigieren nicht mehr richtig möglich. Der Kontakt zwischen Masken und dem Fussvolk bleibe oberflächlich. «Der Lärmpegel lässt es oft schlicht nicht zu», so Gisi.

Wo wird heuer intrigiert?

Die Luzerner Maskenfreunde wollen auch 2016 das Intrigieren pflegen und werden auf die Gassen gehen und Restaurants besuchen. Am Rüüdigen Samstag, 6. Februar, ziehen auch weitere Kleinformationen und «Kult-Ur-Fasnächtler» durch die Lokale der Stadt. Intrigieren und Maskentreiben inklusive.

Die Maskenliebhaber-Gesellschaft Luzern kürt am Güdismäntig am eigenen Maskenball im Schweizerhof den «Goldig Grend». Ab 20 Uhr stehen die Türen zum bunten Treiben offen.

Das bestätigt auch Alois Häcki. «In den letzten Jahren waren in regelmässigen Abständen auch oft Guggenmusigen in den Beizen und Restaurants zu Gast. Manchmal im Stundenrhythmus.» Da werde längeren Gesprächen und Auftritten von Kleingruppen weniger Platz eingeräumt.

Doch die Tradition scheint einigen am Herzen zu liegen. Kleine Gruppen mit Bezug zu den Maskenfreunden, der Maskenliebhaber-Gesellschaft oder anderen Vereinen sind auch dieses Jahr wieder unterwegs. Vielleicht in einem Dutzend Restaurants in der Stadt Luzern, wie dem «Wilden Mann» oder dem «Galliker», könne man noch intrigieren, so Häcki. Und bei den älteren Generationen, die gerne auch ein paar Bier oder Kafi Schnaps im Restaurant geniessen, da sei das Intrigieren nach wie vor beliebt. «Letztes Jahr haben wir am Schmutzigen Donnerstag besonders in den älteren, urchigeren Beizen gemerkt, wie die Leute richtig auf uns gewartet haben», freut sich Häcki. 

Emanuel Ammon hatte die Kamera dabei – so sah es an den Maskenbällen der 70er-Jahre in Luzern aus:

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