50 Fragen an… Angela Rosengart

Keine Zeit für wilde Zeiten

Die 83-jährige Angela Rosengart führt das Museum Sammlung Rosengart als Direktorin und Präsidentin der Stiftung. (Bild: Christian Scholz)

Sie ist Luzerns Grand Dame der Kunst. Angela Rosengart ist Direktorin der Sammlung Rosengart und eine der einzigen Frauen, die von Pablo Picasso porträtiert wurden und nicht seine Geliebte waren. In unseren 50 Fragen verrät die 83-Jährige, woran sie glaubt, worin sie wirklich schlecht ist und weshalb sie den heutigen Kunstmarkt abstossend findet.

Von der überfüllten, lauten Pilatusstrasse rein in die Sammlung Rosengart – als die Tür zufällt, ist es still. An der Kasse stehen zwar einige Besucher, doch die Gespräche sind gedämpft. Hier kann man auch einige Drucke der ausgestellten Bilder kaufen. Auch eines der Porträts, die Pablo Picasso von Angela Rosengart anfertigte, steht dabei.

Da kommt sie mit schnellen Schritten zwischen Picassos Werken um die Ecke gebogen. Angela Rosengart merkt man ihre 83 Jahre ganz bestimmt nicht an. Die schlanke, elegante Frau wechselt ein paar Worte mit der Mitarbeiterin an der Museumskasse und geht dann unter den neugierigen Blicken der Besucher auf uns zu.

Wir setzen uns in das Museum, zwischen Picassos Werke, auf eine Bank und starten – mit den 50 Fragen.

zentral+: 1. Wie wichtig ist die Kunst in Ihrem Leben?

Angela Rosengart: Sie lacht. Die Kunst ist alles für mich.

2. Wie viel arbeiten Sie noch?

Ich arbeite noch ganz tüchtig als Direktorin hier. Zudem leite ich noch die Galerie, die ich gemeinsam mit meinem Vater führte. Die ist jedoch nicht öffentlich zugänglich. Ich bin völlig ausgelastet.

3. Wie ist Ihre Beziehung zu den anderen Museen oder Galerien in Luzern?

Unsere Kuratorin, Martina Kral, unterhält gute Beziehungen zu den anderen Museen. Manchmal treffen wir uns auch gemeinsam, aber das kommt eher selten vor. Die Ausstellungen besuche ich jedoch immer – nicht nur in Luzern, auch in anderen Städten, auch ausserhalb der Schweiz, wenn ich es einrichten kann.

«Die Kunst ist alles für mich.»

4. Wie hat sich der Kunstmarkt in den letzten Jahren verändert?

Er hat sich grundlegend verändert. Ich dachte erst kürzlich, dass mein Vater, der 1985 gestorben ist, die heutige Welt nicht mehr verstehen würde. Man konnte sich damals nicht vorstellen, dass ein Bild derartige Summen erzielen könnte. Dass jemand so frech ist, solche Preise zu verlangen, und auch noch jemand bereit dazu ist, diese zu bezahlen! Ich finde es eigentlich sehr abstossend.

5. Kaufen Sie denn noch?

Eigentlich nicht. Ich kann gar nicht – wenn man sich die Preise anschaut. Mein Vermögen habe ich mit meiner Sammlung weggegeben und das Haus für das Museum war auch nicht gerade billig. Und wenn ich etwas kaufen würde, möchte ich bei der Qualität keine Abstriche machen. Und das müsste ich, wenn ich mir die Preise anschaue.

6. Aber bei jungen, unbekannten Künstlern wäre der Preis wohl kaum ein Problem?

Bisher habe ich leider noch niemanden gefunden, der meinen Standards entspricht.

7. Was heisst denn Standard? Was muss ein Künstler haben, damit Sie ihn kaufen würden?

Sie legt ihre Hand auf die Brust. Es muss hier drin zu zittern anfangen. Aber natürlich ist das sehr individuell. Ich vergleiche halt auch stark. Aber das geschieht automatisch und ist nichts Schlechtes.

8. Bereits als junge Frau mussten Sie sich in einer Männerdomäne durchsetzen. Sind Sie eine Feministin?

Das würde ich nicht so sagen. Ich machte da nie einen Unterschied. Entweder ist jemand qualifiziert oder nicht. Entweder setzt sich jemand durch und ist tüchtig oder nicht. Das Geschlecht ist mir dabei egal. Trotzdem hat es mir geholfen, als ich das Geschäft nach dem Tod meines Vaters allein weiter führen wollte und ein Kunde meinte: Können Sie das denn überhaupt? Dem werd ich’s zeigen, sagte ich mir.

9. Hatten Sie jemals einen Plan B?

Nein. Ich hatte gar nie die Zeit dafür. Ich bin ja mit 16 bei meinem Vater eingestiegen und habe bald gemerkt: Das ist es, was mich erfüllt.

10. Künstler sind bekanntlich nicht immer die einfachsten, umgänglichsten Zeitgenossen. Wie haben Sie das erlebt?

Die, die ich kannte, Picasso, Chagall, Matisse, Miró, habe ich nie unangenehm oder überheblich erlebt. Sobald sie merkten, dass jemand ihrer Kunst mit Liebe und Interesse begegnete, waren sie sehr offen.

11. Sie hatten durch Ihren Vater bestimmt auch einen guten Start?

Natürlich. Er kannte diese Künstler oft schon, als sie noch jung und unbekannt waren. Er lehrte mich vieles im Umgang mit Künstlern und ich lernte viele von ihnen in freundschaftlichen, fast familiären Treffen kennen.

«Dass jemand so frech ist, solche Preise zu verlangen. Ich finde es abstossend.»

12. Wovor fürchten Sie sich?

Sie überlegt eine Weile. Ich habe eigentlich keine Angst. Ich nehme die Dinge so, wie sie kommen.

13. Glauben Sie an Gott?

Nein. Ich bin Atheistin.

14. Beatles oder Rolling Stones?

Sie winkt ab. Weder noch.

15. Welche Musik hören Sie denn?

Vor allem Klassik. Aber wir hatten zum Beispiel im letzten Jahr hier im Museum ein Konzert der Hujässler: In dieser Art finde ich Volksmusik wunderbar. Aber Schlager, Pop oder Rock ist überhaupt nichts für mich. Da hat das Radio glücklicherweise einen Knopf – um es auszumachen. Sie lacht.

16. Sind Sie eine gute Tänzerin?

Sie lacht. Nein. Ganz fürchterlich. Ein Freund versuchte es mir vor einigen Jahren noch beizubringen und ist hoffnungslos gescheitert, der arme Kerl.

«Wir wissen nicht, wo wir das Geld noch einsparen können.»

17. Was steht bei Ihnen auf dem Nachttisch?

Eine Fotografie meiner Eltern und ein Radio, da ich sehr oft die Nachrichten höre. Seltener Bücher. Da ich viele Zeitungen lesen muss, bin ich damit meist voll ausgelastet.

18. Der Kanton Luzern spart bei der Kultur, was auch Sie betrifft. Wie sehr beschäftigt Sie diese Kürzung?

Das war ein Schlag für uns. Fast 40 Prozent unserer Subventionen vom Kanton wurden gestrichen. Wir wissen nicht, wo wir das Geld noch einsparen können. Wir sind sowieso sehr sparsam und wissen momentan nicht weiter.

19. Sind Sie politisch engagiert?

Nicht aktiv. Ich würde niemals in diesem Polit-Betrieb drinstecken wollen. Aber ich verfolge das Geschehen sehr aufmerksam. Und seit es das Frauenstimmrecht gibt, habe ich nur eine einzige Abstimmung versäumt. Das war, als ich krank im Bett lag und man noch nicht brieflich abstimmen konnte.

20. Sind Sie selbst musikalisch, künstlerisch, schauspielerisch aktiv?

Ich habe in jungen Jahren Querflöte gespielt, später hatte ich dafür leider keine Zeit mehr. Gemalt habe ich nie. Geschrieben ein bisschen: über das Leben meines Vaters, über die Besuche bei Picasso. Früher habe ich auch für mich selbst geschrieben. Ich war ein richtiger Theaterfan. Ich war ständig dort und habe nach jeder Vorstellung eine Rezension geschrieben, wie für die Zeitung, aber bloss für mich selbst. Und ich war wirklich viel im Theater. Heute nicht mehr. Ich finde, das heutige Theater vergewaltigt die klassischen Stoffe regelrecht. Da fühle ich mich im Theater nur noch unwohl.

21. Sind Sie lustig?

Ich bin gerne lustig. Ich mache auch gerne mal Blödsinn. Das muss auch Platz haben.

22. Wer sind die Helden Ihrer Kindheit?

Mein Vater. Sie lacht. Oder dann Shakespeare – und viele seiner Charaktere.

23. Die Beziehung zu Ihrem Vater Siegfried Rosengart ist immer wieder Thema. Wie war die Beziehung zu Ihrer Mutter?

Sehr gut. Halt ganz anders. Mit meinem Vater war ich jeden Tag im Geschäft, habe mit ihm gearbeitet. So viel Zeit hatte ich mit ihr nicht. Aber wir hatten eine sehr liebevolle Beziehung.

«Ich war sehr fixiert auf meine Eltern.»

24. Waren Sie stets die brave Tochter, oder sind Sie auch mal ausgebrochen?

Nein, nie. Mit 16 Jahren, zu der Zeit, als die meisten langsam ins wilde Alter kommen, da war ich bereits bei meinem Vater eingestiegen. Ich hatte gar keine Zeit dafür. Aber ich glaube, ich war auch nicht der Typ dafür.

25. Typisches Einzelkind?

Wahrscheinlich schon. Ich war sehr fixiert auf meine Eltern.

26. Puppe oder Baumhaus?

Wohl eher Baumhaus. Mein Vater hat mir mit zehn Jahren das Schiessen beigebracht. Meine Mutter war entsetzt. Sie sagte: Du machst ja einen Buben aus unserem Mädchen. Und das ist ihm vielleicht auch ein bisschen gelungen. Sie schmunzelt.

27. Das Schönste an Luzern?

Mein Museum. Sie lacht. Die Landschaft selbstverständlich. See und Berge.

28. Was gefällt Ihnen an Luzern überhaupt nicht?

Wenn ich so darüber nachdenke: vielleicht unsere Regierung.

29. Wo würden Sie leben, wenn nicht in Luzern?

In Basel vielleicht, oder in Bern. Ziemlich sicher in einer Schweizer Stadt.

30. Wie viele Sprachen sprechen Sie?

Ausser Deutsch noch Englisch und Französisch. Und ein kleines bisschen Italienisch – aus Schulzeiten.

31. Wie alt fühlen Sie sich?

Sie lacht. Ich sage immer: Ich bin 38, nicht 83.

32. Gibt es etwas, das Sie bereuen?

Ja, das gibt es. Ein Bild – ein früher Picasso, den wir verkauft haben. Dem trauere ich jetzt, 60 Jahre später, immer noch nach.

33. Hund oder Katze?

Hund. Oder beides.

34. Zeichnen Sie uns doch bitte Ihr Lieblingstier.

Ich kann nicht zeichnen.

35. Und das ist?

Ein Dackel soll es sein. Na, eigentlich ein Labrador, aber den kann ich erst recht nicht zeichnen.

36. Worauf sind Sie besonders stolz?

Sie lacht. Da muss ich jetzt wirklich sagen: mein Museum. Wie könnte es anders sein. Hier steckt mein ganzes Herzblut drin.

«Ich habe in meinem Leben keinen Tropfen Alkohol getrunken.»

37. Bier oder Wein?

Weder noch. Ich habe in meinem ganzen Leben keinen einzigen Tropfen Alkohol getrunken. Ich habe auch nie geraucht.

38. Womit kann man Sie ärgern?

Wenn man nicht das macht, was ich richtig finde. Sie lacht. Nein, wenn jemand sich aufspielt. Wenn jemand mehr sein will, als er ist. Bei Menschen wie unserem grossen Freund Picasso war das zum Beispiel nie der Fall. Er musste sich nicht aufspielen. Er war einfach. Die wirklich Grossen, die müssen nicht so tun als ob.

39. Wie war Ihre Beziehung zu Picasso?

Er war mir ein Freund. Ein liebevoller, reizender Freund. Ich fühlte mich bei ihm sehr wohl und sicher. Und er mochte mich wohl auch, sonst hätte er mich wahrscheinlich nicht porträtiert. Sie lacht.

40. Wurden Sie auch von anderen Künstlern porträtiert?

Nein. Matisse sagte zwar, er würde mich gerne porträtieren, aber er verstarb leider, bevor es dazu kam.

41. Wie sehr ist man bei einem solchen Künstler Bewunderin, wie sehr Freundin?

Das ist eine schwierige Frage. Das geht ineinander über. Die Bewunderung ist gerade für solche Künstler wie Picasso sehr stark, aber auch die Zuneigung zum Menschen. Ich möchte das Persönliche auf keinen Fall missen. [box]

42. Wen rufen Sie an, wenn Sie etwas beschäftigt?

Einen lieben Freund und Mitarbeiter.

43. Was wir eigentlich wissen wollen: Gibt es da einen Mann in Ihrem Leben?

Sie lacht. Ja, den gab es. Es gab immer wieder mal einen Mann in meinem Leben. Ich habe bloss nie geheiratet.

44. Was ist für Sie Luxus?

Zeit zu haben.

45. Haben Sie ein Smartphone?

Nein. Ich habe ein Handy, aber das ist immer ausgeschaltet. Sie kramt es aus ihrer Handtasche hervor. Es ist ein Siemens A57. Ein Methusalem. Sie lacht. Ich habe auch keinen Computer.

46. Theater oder Kino?

Theater. Sie überlegt. Auf jeden Fall früher. Heute vielleicht doch mehr Kino.

47. Mit welchen Worten fluchen Sie?

Das kann ich doch jetzt nicht sagen? Das ist nicht besonders anständig.

48. So ist das beim Fluchen. Verraten Sie es uns doch.

Sie flüstert. Es sind drei Worte: Himmel, Arsch und Zwirn.

49. Ein Klassiker.

Sie lacht. Das passt doch. Meinem Alter entsprechend.

50. Haben Sie schon eine Idee, wen Sie als Nachfolger/in für sich sehen?

Ich möchte, dass meine jetzigen Mitarbeiter das Museum als Gremium weiterführen. Das habe ich dem Stiftungsrat auch schon so mitgeteilt.

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