Fanarbeiter ärgert sich über Berichterstattung

Die Polizei verschwindet aus dem Schussfeld

In Zukunft werden keine SBB-Transportpolizisten mehr in den Fanzügen anwesend sein. (Bild: SRF Rundschau)

Wild-West in FCL-Fanzügen? Dieser Eindruck entsteht, betrachtet man die Berichterstattung über eine neue Vereinbarung der FCL-Fans mit den SBB. Dabei verlaufen die meisten Extrafahrten problemlos. Nun wehrt sich der oberste Schweizer Fanarbeiter, der Luzerner Christian Wandeler.

Seit vergangener Woche ist klar: die SBB-Transportpolizei verschwindet aus den Extrazügen für FCL-Fans. Ein Beitrag der SRF-Sendung «Rundschau» deckte auf, dass der FC Luzern gemeinsam mit den SBB eine neue Rahmenvereinbarung unterzeichnet hat. Hauptgrund seien zwei Zwischenfälle an Auswärtsspielen in St. Gallen, wo drei Transportpolizisten attackiert und aus dem Zug fliehen mussten (zentral+ berichtete), und in Lugano, wo ein Transportpolizist mit einer Flasche am Kopf getroffen und verletzt wurde.

So weit so gut: die neue Regelung ohne Transportpolizisten soll nun die Lage verbessern. Dies erhoffen sich alle involvierten Parteien. In die Pflicht genommen werden durch die neue Regelung aber insbesondere die Fans. Sie sind nun selber dafür verantwortlich, dass es keine Zwischenfälle mehr gibt. Einmal mehr die «bösen» Fans also. Dies die Meinung der Fanarbeit Schweiz, die sich nach dem Rundschau-Beitrag zu einer Stellungnahme genötigt sah.

Fanarbeit kritisiert falsches Bild

Diese Klarstellung tönt wie folgt: «Der Bericht suggeriert, dass eine Mehrheit der Extrazugfahrten der Fussballfans in der Schweiz von Gewalt und Sachbeschädigungen dominiert sind.» Dieser Sichtweise müsse die Fanarbeit Schweiz vehement widersprechen. «In vier von fünf Extrazugfahrten wurden 2014 keine Sachbeschädigungen verursacht.» Die Fanarbeiter Schweiz nimmt die Beteiligten an den wüsten Vorfällen aber keinesfalls in Schutz: «Gewalttätige Auseinandersetzungen insbesondere gegen Mitarbeitende der SBB und der Transportpolizei sind nicht akzeptabel und gutzuheissen.»

Mit diesem Bild des verletzten Polizisten durch eine geworfene Flasche berichtete die Rundschau über die Thematik Fan-Extrazüge (Bild: SRF Rundschau).

Mit diesem Bild des verletzten Polizisten durch eine geworfene Flasche berichtete die Rundschau über die Thematik Fan-Extrazüge (Bild: SRF Rundschau).

«Trotzdem muss festgehalten werden, dass solche Vorfälle nicht an der Tagesordnung stehen und einer absoluten Ausnahme entsprechen. Die Zusammenarbeit mit den Transportpolizisten funktioniert in den meisten Fällen problemlos.» Christian Wandeler, FCL-Fanarbeiter und Geschäftsleiter der Fanarbeit Schweiz, ärgert sich auf Nachfrage über die Rundschau-Berichterstattung. «Aus unschönen Einzelfällen kann man nicht auf die allgemeine Situation schliessen. Es hat schlicht nichts mit der Realität zu tun, wenn ein Bild eines neuen Niveaus von Gewaltexzessen gemalt wird.»

Fans sind in Zukunft selber verantwortlich

Nun verschwindet also die SBB-Transportpolizei aus den Extrazügen. Es tönt zynisch, aber Attacken auf diese wird es in Zukunft keine mehr geben können. Wandeler sagt dazu: «Ich möchte betonen, dass die Zusammenarbeit meistens sehr gut funktioniert hat, in der Tat ist nun aber ein Spannungsfeld weniger vorhanden.» Es könne sein, dass sich potenzielle Gewalttätige nur durch die Anwesenheit der Transportpolizisten provozieren lassen, so Wandeler, der solche Attacken aber nicht schönreden will.

«Ziel ist, dass wir zukünftig weiter gut funktionierende Extrafahrten haben.»

Christian Wandeler, FCL–Fanarbeiter

FCL-Fanarbeiter und Geschäftsleiter Fanarbeit Schweiz: Christian Wandeler.

FCL-Fanarbeiter und Geschäftsleiter Fanarbeit Schweiz: Christian Wandeler.

(Bild: zvg)

Werden die Züge also in Zukunft zum rechtsfreien Raum? «Nein», sagt Wandeler. «Ziel ist, dass wir zukünftig weiter gut funktionierende Extrafahrten haben.» Die neue Regelung setze auf Selbstverantwortung und Selbstregulierung. Begleitet werden die FCL-Fans künftig von 14 geschulten Fans – also ihresgleichen. Diese weisen die Fans bei Fehlverhalten zurecht und unterbinden mögliche Delikte.

Wandeler begrüsst diese Regelung, die vorläufig für die Rückrunde gilt und dann ausgewertet wird. «Das Beispiel zeigt auf, dass lokale Lösungen möglich sind und auch in Zukunft vermehrt gestärkt werden.» Der FCL ist nun der zweite Verein, der ohne SBB-Transportpolizei an die Auswärtsspiele reist. Auch die Berner Young Boys kennen ein solches Modell. Allerdings sind beim YB-Modell die Fanbegleiter als solche gekennzeichnet.

YB fährt mit ähnlichem Modell gut

YB-Fanverantwortlicher Sandro Reinhard meint zu den YB-Fanzügen: «Es sind immer die gleichen Leute mit dabei. Man kennt einander.» Und weil man sich kenne und eine Vertrauensbasis existiere, sei die Zusammenarbeit von Harmonie geprägt. «Die Fans nehmen ihre Selbstverantwortung wahr», so Reinhard. Also hat die reine Anwesenheit der SBB-Transportpolizei schon Probleme verursacht? «Grundsätzlich nicht», betont Reinhard, «aber es kommt immer wieder vor, dass sich die Fans solidarisieren gegen eine behördliche Instanz.»

Auch Reinhard macht deutlich, dass Gewalt nicht gerechtfertigt werden kann. «Aber das Umfeld ist komplexer, als dass man dies immer ausschliessen kann.» Der Fussball ist geprägt von Emotionen: Die Freude über Siege oder der Frust über Niederlagen von 500 bis 600 Leuten könne bei Einzelnen in unkontrollierte Handlungen kippen – zudem komme der Alkoholkonsum hinzu, so Reinhard. Er könne zwar nicht für die Luzerner Situation sprechen, denn die lokalen Begebenheiten seien bei jedem Club wieder anders. Aber: «Für YB ist es ein Vorteil, ohne Transportpolizei zu reisen, und der Entscheid hat zu einer verbesserten Situation mit der SBB beigetragen», resümiert Reinhard.

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