Der Gastwirt Peter Hegglin verköstigt Asylsuchende

Kein Fondue, dafür Älplermakkaronen

Ein Koch im Asylzentrum Gubel verwertet Resten vom Mittagessen. Gekocht wird nämlich vor Ort. (Bild: wia)

Das Asylzentrum Gubel wird nicht, wie vergleichbare Betriebe, von Grosslieferanten verköstigt. Der Besitzer des Restaurant und Hotel Ochsen in Menzingen hatte im richtigen Moment den richtigen Riecher, ist nun für die Verköstigung der 150 Asylbewerber verantwortlich. Obwohl er damit wohl kaum reich wird.

Peter Hegglin ist im Schuss. Auf dem Weg zum Interview wechselt er einige Worte mit ein paar Stammgästen des Restaurants, das als Interview-Treffpunkt dient. Auch während des Gesprächs wird Hegglin mehrmals aufstehen, um Gästen die Hände zu schütteln. Er scheint eine Bekanntheit im Dorf Menzingen zu sein. Und das, obwohl es sich nicht um den Zuger Regierungsrat, sondern um den Besitzer des Restaurant und Hotel Ochsen handelt. Und nicht nur das. Seit Mai dieses Jahres koordiniert er die Verpflegung der rund 150 Menschen, die derzeit im Asylzentrum auf dem Gubel einquartiert sind.

zentral+: Herr Hegglin, neben einem Restaurant- und Hotelbetrieb tragen Sie nun auch die Verantwortung dafür, dass rund 150 Menschen täglich Mittag- und Abendessen bekommen. Wie ist das gekommen?

Peter Hegglin: Ein Jahr vor der Eröffnung erwähnte die Regierungsrätin Manuela Weichelt in einem Interview, dass man es bevorzugen würde, wenn das örtliche Gewerbe miteinbezogen würde ins Asylzentrum Gubel.

Nach einigen Überlegungen haben wir, meine Frau und ich, beim Regierungsrat ein entsprechendes Konzept eingereicht mit der Ausgangslage, dass direkt auf dem Gubel gekocht wird. Das war bisher nicht üblich. Das Bundesasylzentrum in Bremgarten etwa bezieht das Essen von extern.

Erst Anfang 2015 wurden wir an ein Treffen mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) eingeladen. Wir hatten den Fall damals eigentlich schon abgeschlossen, da wir so lange nichts gehört hatten. Ursprünglich hatte ich mir gedacht, man könnte Asylbewerber in der Küche mitarbeiten lassen. An der Sitzung mit dem SEM wurde mir aber mitgeteilt, dass das aus sicherheits- und arbeitstechnischer Sicht nicht gehe. Erst dann haben wir richtig angefangen, zu rechnen und zu budgetieren, was es brauchen würde.

«Denn das Ganze steht und fällt mit einem eigenständigen Küchenteam, welches an 365 Tagen im Jahr die Mahlzeitenproduktion garantiert.»

zentral+: Und dann?

Hegglin: Einen Monat später kam die Ausschreibung. Es ging dann plötzlich sehr schnell. Neben einigen Anpassungen, die in der Küche des Asylzentrums noch gemacht werden mussten, begannen wir mit der Mitarbeitersuche. Denn das Ganze steht und fällt mit einem eigenständigen Küchenteam, welches an 365 Tagen im Jahr die Mahlzeitenproduktion garantiert. Bei der Offerteingabe hatten wir den Küchenchef bereits gefunden und Anfang April, also fünf Wochen vor Eröffnung, haben wir den Auftrag dann erhalten.

zentral+: Da blieb Ihnen aber nicht sehr viel Zeit.

Hegglin: Nein, tatsächlich. Erst jetzt begannen wir, das Küchenteam zu vervollständigen, und konnten Arbeitsverträge abschliessen. Der Küchenchef begann mit der Menüplanung und gemeinsam haben wir den Einkauf organisiert. Als Untermieter des SEM gab es noch verschiedene Details zu definieren. So musste unsere fiktive Kalkulation für Miete, Energie, Unterhalt der Küchengeräte etc. vertraglich festgelegt werden.

Peter Hegglin, Restaurantbesitzer

Peter Hegglin, Restaurantbesitzer

(Bild: zvg)

zentral+: Gab es denn keine Mitbewerber für diesen Auftrag?

Hegglin: Wir haben nach der Vergabe erfahren, dass es noch vier andere Bewerber gab. Ich weiss jedoch nicht, was das für Betriebe waren. Ich weiss nur, dass in der näheren Umgebung viele Gastbetriebe und Institutionen von Produktionsküchen eine Einladung zur Offertstellung erhalten haben.  

Es kann sein, dass unsere Offerte nicht die günstigste war. Doch unser Konzept, vor Ort zu kochen, hat die Entscheidungsträger vielleicht überzeugt. Wir haben das in der Offerte auch entsprechend positiv gewichtet.

zentral+: Wie denn?

Hegglin: Dass es beispielsweise eine gewisse Normalität in den Alltag der Bewohner bringen kann, wenn im Asylzentrum nicht nur Betreuungs- und Wachpersonal anzutreffen ist, sondern auch ein Küchenteam. Das ist positiver zu werten, als wenn das Essen in einer Kiste angeliefert wird. Zudem können wir eine viel bessere Qualität leisten, als wenn das Essen über längere Zeit warm gehalten werden muss.

«Mit dem Gubel tragen wir halt ein gewisses Risiko, da niemand im Voraus weiss, wie gross die Belegung sein wird.»

zentral+: Aber lohnt es sich denn für einen Restaurantbetrieb, plötzlich auch noch für ein Asylzentrum zu kochen? 

Hegglin: Ich hoffe schon, dass wir Ende Jahr ein Plus schreiben. Sonst ist das natürlich wenig sinnvoll. Grundsätzlich sind wir davon ausgegangen, dass es sich ab 200 Mahlzeiten täglich lohnen kann, eine eigenständige Produktionsküche zu betreiben. Die Synergien liegen für uns vor allem im Austausch von Küchenmitarbeitern und im administrativen Bereich. Aber es ist schon so: Unser Hauptbetrieb ist hier unten, das Restaurant. Dazu kommt, dass wir mit dem Gubel halt ein gewisses Risiko tragen, da niemand im Voraus weiss, wie gross die Belegung sein wird.

zentral+: Ist denn das schwierig einzuschätzen?

Hegglin: Eigentlich können wir sehr spontan agieren, müssen einfach entsprechend flexibel sein. Theoretisch erfahren wir immer 24 Stunden vorher, wie viele Mahlzeiten bestellt werden. Aber im Alltag ist es zurzeit für die Verantwortlichen schwierig, die Abmachung immer einzuhalten. Das Flüchtlingswesen ist nicht bis ins Detail planbar.  

zentral+: Können Sie sagen, was denn die zwei Mahlzeiten pro Asylsuchenden täglich kosten?

Hegglin: Ich könnte schon, aber ich will nicht. Sonst fängt jeder sofort an zu rechnen und bei solchen Rechnungen ist der Umsatz auch gleich der Gewinn. Nur so viel: Die Aufstockung der Belegung im Oktober hat auch den Menüpreis nach unten beeinflusst.

«Bei einem Risotto, das ‹al dente› gekocht wurde, wird schon mal die Nase gerümpft.»

zentral+: Ich war letzthin bei einer Führung durchs Asylzentrum dabei (zentral+ berichtete). Dort wurde mir gesagt, dass gewisse Dinge, wie beispielsweise Schweinefleisch, gar nicht erst eingekauft werden.

Hegglin: Ja, das war in der Vorlage schon festgelegt. Die Vorgaben, die wir haben, sind klar. Am Mittag gibt es Fisch oder Fleisch, am Abend ein vegetarisches Menü. Doch einige Tendenzen gibt es schon. Älplermakkaronen, als Fertiggericht, wie wir es kennen, kommt nicht gut an. Also haben wir begonnen, die Teigwaren und die Käsesauce separat zu servieren, und das funktioniert. Oder bei einem Risotto, das «al dente» gekocht wurde, wird schon mal die Nase gerümpft, also wird der Reis jetzt weichgekocht. Zudem schmecken wir das Essen im Asylzentrum etwas rassiger ab als sonst.

zentral+: Tatsächlich?

Hegglin: Ja, die meisten Bewohner sind sich das so gewohnt. Der Chefkoch oben macht beispielsweise auch eine eigene Sambal-Oelek-Sauce, welche separat gereicht wird. Mit wenig Aufwand kann man so auf ein Fertigprodukt verzichten. Das ist einerseits günstiger und schmeckt dennoch.

zentral+: Wie ist es mit Käse?

Hegglin: Käseschnitte macht der Koch nicht, aber Gratins essen sie. Auch beim Frühstück gibt es Käse, aber nicht so häufig. Auch Reibkäse nehmen einige über die Teigwaren. Ein Fondue würden wir hingegen nicht servieren.

zentral+: Woher beziehen Sie die Lebensmittel?

Hegglin: Wir versuchen, örtliche Lieferanten zu berücksichtigen, können das aber nicht immer. Das Fleisch beziehen wir häufig von der Dorfmetzgerei meines Bruders. Andere Lebensmittel beziehen wir vom Grosslieferanten. Die Asylorganisation Zürich (AOZ), die das Frühstück bereitstellt, bezieht Milchprodukte und Brot ebenfalls im Dorf. Kartoffeln bekommen wir von zwei lokalen Bauern. Ansonsten wird hier oben kein Gemüse angebaut. Das beziehen wir von extern, aber natürlich saisonal und frisch, wenn immer möglich.

Inländischer Fisch ist schwierig zu bekommen. Dort achten wir jedoch darauf, dass er aus zertifiziertem Fang oder Zucht kommt. Auch Lammfleisch ist importiert. Das Rind- und Pouletfleisch hingegen kommt immer aus der Schweiz.

«Grundsätzlich ist die Stimmung beim Essen dankbar und es wird geschätzt, was gekocht wird.»

zentral+: Unterscheidet sich das Kochen für die Asylbewerber auch in anderen Punkten von beispielsweise lokalen Gruppen?

Hegglin: Sie sind relativ gute Esser. Zwar gibt es für jeden Bewohner nur eine bestimmte Menge Fleisch. Beilagen können sie jedoch nachschöpfen, so viel sie möchten. Das unterscheidet sich auch nach Ethnien.

Grundsätzlich ist die Stimmung beim Essen dankbar und es wird geschätzt, was gekocht wird. Es braucht etwas Disziplin beim Schöpfen, dass beispielsweise darauf geachtet wird, dass nicht jemand ein zweites Mal den Teller füllt, bevor andere überhaupt etwas gegessen haben. Da müssen die, welche das Essen herausgeben, lernen, konsequent und streng zu sein.

«Im Sommer war ja der letzte Ramadan. Es waren aber mit etwa 30 Leuten erstaunlich wenig, die sich daran gehalten haben.»

zentral+: Wie läuft das während des Ramadans? Hat man das in der Küche berücksichtigt?

Hegglin: Im Sommer war ja der letzte Ramadan. Es waren aber mit etwa 30 Leuten erstaunlich wenig, die sich daran gehalten haben. Diese assen dann abends das Menü vom Mittag und konnten sich das Abendessen am nächsten Morgen aufwärmen lassen. Das übernahm das AOZ oder das Wachpersonal. So musste die Küchenmannschaft nicht länger arbeiten. Das lief alles problemlos ab.

Wir haben zudem erfahren, dass es im arabischen Raum üblich ist, solange es dunkel ist, immer getrocknete Datteln bereitzuhalten. Das haben wir dann auch geboten und es wurde gar nicht so viel davon genascht.

zentral+: Das Asylzentrum ist ja terminiert bis 2018. Bleibt’s bis dahin für Sie, wie es ist?

Wir haben einen Vertrag bis Mai 2018, dann läuft auch der Mietvertrag zwischen SEM und Armee aus. Klar ist auch, dass sich bis dann das Flüchtlingsproblem kaum in Luft auflösen wird – aktuell findet ja das Gegenteil statt. Grundsätzlich sehe ich das auch aus Sicht des Steuerzahlers und ich sehe, dass die Unterbringung in solchen Zentren eine teure Angelegenheit ist. Und zwar nicht unbedingt wegen des Essens, sondern als Ganzes, mit den Investitionen für die Einrichtungen, der Betreuung, der Sicherheit, der Verfahren, der Transporte und so weiter. Aber gibt es Alternativen? So wie es bei uns läuft, ist es doch einigermassen gut organisiert und vor allem kontrolliert, was für die Sicherheit der Bevölkerung längerfristig sehr wichtig ist.

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