Luzern: Worüber wird abgestimmt?

Schwerer Stand für Grüne Familien-Initiative

Nicht jedes Kind hat die Chance mit Qualitätsspielwaren zu spielen – einige wachsen in Armut auf. Die Grünen wollen nun Ergänzungsleistungen für Familien einführen und damit die Chancengleichheit stärken. (Bild: flickr)

Die Grünen wollen Familienarmut bekämpfen und dafür eine Stange Geld in die Hand nehmen. zentral+ nimmt ihre Initiative «Kinder fördern – Eltern stützen, Ergänzungsleistungen für Familien» unter die Lupe. Dass alle Kindern die gleichen Chancen haben sollen, ist unbestritten. Doch über den Weg dahin streiten sich die Politiker.

Die Zeitungen voll mit Inseraten, hunderte Plakate säumen den Strassenrand, und auf Facebook buhlen Politiker um möglichst viele Likes. Voller Aktionismus legten sich die Kandidaten ins Zeug, um bei den nationalen Wahlen vom 18. Oktober ein möglichst gutes Resultat zu erzielen. Nun hat sich die Aufregung gelegt, der politische Alltag geht weiter. Bereits am 15. November stehen kantonale Abstimmungen an. Und niemand weiss, worum genau es eigentlich geht. Schade, denn es handelt sich um wichtige Themen.

Die Initiative der Grünen «Kinder fördern – Eltern stützen, Ergänzungsleistungen für Familien» verlangt, dass Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien ausgeschüttet werden. Dies analog zu den Ergänzungsleistungen des Bundes zur AHV/IV. Begünstigt würden Familien, die mit ihrem Erwerbseinkommen kaum den Grundbedarf decken können. Diese laufen heute Gefahr, von der Sozialhilfe abhängig zu werden.

«Von Armut betroffen sind besonders Alleinerziehende oder Working Poors»

Hans Stutz, Kantonsrat Grüne

Initiative will die Chancengleichheit erhöhen

«Kinder sind ein Armutsrisiko», sagt der Grüne Kantonsrat Hans Stutz, Mitglied des Initiativkomitees. Diese Aussage kann mit Zahlen aus dem Abstimmungsbüchlein belegt werden. 2013 leben im Kanton Luzern rund 2800 Kinder unter 15 Jahren in Armut. Die Schweizerische Konferenz der Sozialdirektoren definiert Armut wie folgt: «Armut als relatives Phänomen bezeichnet Unterversorgung in wichtigen Lebensbereichen wie Wohnen, Ernährung, Gesundheit, Bildung, Arbeit und sozialen Kontakten. Bedürftigkeit besteht, wenn ein Haushalt die notwendigen Ressourcen für die Lebenshaltung nicht selbst aufbringen kann bzw. wenn das Haushaltseinkommen nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der Steuern unter dem sozialen Existenzminimum liegt.»

Die Konferenz der Sozialdirektoren hat die Armutsgrenzen definiert (Bild: Eigene Berechnungen SKOS).

Die Konferenz der Sozialdirektoren hat die Armutsgrenzen definiert (Bild: Eigene Berechnungen SKOS).

Was sind Ergänzungsleistungen überhaupt? Bisher gibt es diese bei AHV und IV. Sie sollen dort helfen, wo die Renten und das Einkommen nicht die minimalen Lebenskosten decken. Die Ergänzungsleistung ist ein rechtlicher Anspruch und keine Fürsorge oder Sozialhilfe. Sprich: mit den Ergänzungsleistungen für Familien würden gezielt Familien an der Armutsgrenze unterstützt.

«Von Armut betroffen sind besonders Alleinerziehende oder Working Poors», erklärt Stutz. Diese schlechten Aussichten im Kindesalter führten dazu, dass betroffene Kinder später geringere Chancen in Bildung, Ausbildung und Beruf hätten. «Das darf nicht sein, und deshalb wollen wir mit unserer Initiative die Chancengleichheit stärken», sagt er.

Mit diesem Flyer werben die Grünen für ihre Initiative.

Mit diesem Flyer werben die Grünen für ihre Initiative.

Das tönt doch gut. Wir fragen bei CVP-Familienpolitikerin Marlis Roos nach. «Die CVP hätte auf nationaler Ebene Hand für Ergänzungsleistungen für Familien geboten.» Eine Insellösung für den Kanton Luzern lehnt sie gemeinsam mit allen bürgerlichen Parteien ab. «Für den Kanton Luzern wäre eine solche Regelung ein zu grosser finanzieller Kraftakt.» Dass die Grünen argumentieren, Ergänzungsleistungen in den Kantonen Solothurn, Tessin, Waadt und Genf funktionierten, lässt Roos nicht gelten. «Im Unterschied zu diesen Kantonen verfügt Luzern über eine sehr dezentrale Struktur bei der wirtschaftlichen Sozialhilfe.» Das heisst im Klartext, die Luzerner Sozialhilfe bietet den bedürftigen Familien genügend Unterstützung.

Hans Stutz, Kantonsrat Grüne

Hans Stutz, Kantonsrat Grüne

Kosten sind unklar

Stutz meint, die Sozialhilfe sei für Familien mit grosser Unsicherheit verbunden. «Die Ergänzungsleistungen hätten einen Stabilisierungseffekt zur Folge.» Die Familien könnten das Geld besser und langfristiger einplanen. Darauf entgegnet Roos, dass die ständige Überprüfung durch die Sozialhilfe wegen den schwankenden Einkommen der Familien gemacht werde. Im Gegensatz zu den Rentnern, wo die Einkommenssituation stabil sei. «Ist jemand wirklich auf Hilfe angewiesen, so kann er die Sozialhilfe beanspruchen. Man darf diese nicht schlechter machen, als sie ist.» Weiter gebe es genügend Massnahmen, die Familien entlasten, wie etwa die Prämienverbilligung, die Familienzulagen oder Steuerabzüge, zählt Roos auf. Stutz kritisiert, dass diese Instrumente nicht gezielt den von Armut bedrohten Familien nützten und es trotzdem immer noch Familienarmut gebe.

«Man darf die Sozialhilfe nicht schlechter machen, als sie ist.»

Marlis Roos, Kantonsrätin CVP

Marlis Roos, Kantonsrätin CVP

Marlis Roos, Kantonsrätin CVP

(Bild: David Avolio)

In Zeiten grosser Diskussionen um die finanzielle Situation des Kanton Luzerns stellt sich die Frage, ob das Anliegen finanzierbar ist. Im Abstimmungsbüchlein rechnet die Regierung vor, dass die Umsetzung je nach Modell zwischen 5 und 58 Millionen Franken pro Jahr kosten würde. Die Initianten verweisen darauf, dass Ergänzungsleistungen für Familien die Gemeinden entlastet würden, da die Sozialhilfe hinfällig würde. Nämlich um rund 2 Millionen bei Gesamtkosten von zirka 5,8 Millionen Franken. Dies bei einer Umsetzung ähnlich dem Kanton Solothurn. «Das bürgerliche Parlament würde mit Sicherheit eine günstige Umsetzung anstreben. Die Ablehnung der Initiative ist deshalb bedauerlich, weil mit diesem relativ kleinen Beitrag wirklich Bedürftigen geholfen werden könnte», so der Grüne Hans Stutz.

Schwerer Stand bei Regierungs- und Kantonsrat

Die Initiative ist tatsächlich sehr offen formuliert. Es sei denn auch mehr eine allgemeine Anregung, erklärt Stutz. Damit hat CVP-Kantonsrätin Roos Mühe. Einen grossen Verwaltungsapparat für Ergängzungsleistungen von 5,8 Millionen Franken aufzubauen, macht wenig Sinn. «Das lohnt sich nicht.»

Im Kantonsrat hatte die Initiative der Grünen einen schweren Stand. Das Parlament folgte der Empfehlung des Regierungsrates und empfiehlt die Initiative mit 82 zu 24 Stimmen zur Ablehnung. Unterstützung erhalten die Initianten von der SP. Grünliberale, CVP, FDP und SVP haben die Nein-Parole gefasst. Nebst der Familien-Initiative der Grünen kommt am 15. November auf Kantonsebene auch die SVP-Initiative «Für eine gerechte Aufteilung der Pflegefinanzierung» an die Urne.

Weiter findet der zweite Wahlgang für die Wahl in den Ständerat statt. Die beiden Mittepolitiker Konrad Graber (CVP) und Damian Müller (FDP) gelten als Favoriten. SP-Kandidatin Prisca Birrer-Heimo und SVP-Kandidaten Yvette Estermann werden nur geringe Chancen eingeräumt (zentral+ berichtete). In der Stadt Luzern kommt zusätzlich die SVP-Verkehrsinitiative zur Abstimmung (zentral+ berichtete).

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