Luzerner Sparpaket auf Prüfstand

Linke attackieren Sparerei bei Bildung und Jugend

Während der Aktion Flimmerkiste diesen März, organisiert von der Jugend- und Quartierarbeit, spielten Kinder und Jugendliche draussen, unter anderem hier auf dem Maihof-Vorplatz.

(Bild: zvg)

Kein Abbau bei der Quartierarbeit, der integrativen Förderung sowie beim Deutschunterricht für Ausländer: Auf diesen Forderungen beharren die Linken. Und sie drohen mit einer drastischen Massnahme, falls ihnen das bürgerlich dominierte Stadtparlament nicht entgegenkommt.

Das wird ein heisser Donnerstag. Nicht nur informiert der Luzerner Säckelmeister Marcel Schwerzmann am 22. Oktober um 10 Uhr über das neuste Riesen-Sparpaket der Regierung. Auch die Stadt beugt sich ab 8.30 Uhr über ihr brandaktuelles 14-Millionen-Sparpaket. So muss das Parlament entscheiden, welche der 83 Massnahmen aus dem Sparprojekt es ab 2016 umsetzen will.

SP will zwei Millionen weniger sparen

Am umstrittensten sind drei Sparmassnahmen, welche Grüne und SP vehement bekämpfen: Der geplante Abbau bei der Quartierarbeit, bei der integrativen Förderung sowie beim Deutschunterricht für Fremdsprachige (Details dazu siehe Auflistung unten). Über 2’000 Personen haben in den vergangenen Wochen einen entsprechenden, von den Grünen initiierten Bevölkerungsantrag unterschrieben. Unterstützt wurden sie von einem breit abgestützten Komitee mit Vertretern aus Schule, Elternschaft, Quartiervereinen und der Jugendarbeit. Das Komitee will vor der Sitzung des Stadtparlaments am Donnerstag mit einer Kundgebung nochmals auf das Anliegen aufmerksam machen.

Der Verzicht auf diese drei Massnahmen würde sich auf insgesamt rund 1,3 Millionen Franken summieren. Zusammen mit weiteren zehn kleineren Verzichtsmassnahmen, welche speziell die SP fordert (siehe Auflistung), würde das aktuelle Sparpaket namens «Haushalt im Gleichgewicht» um rund zwei Millionen Franken abgespeckt.

Allzu grosse Chancen können sich die in dieser Frage vereinten Linken jedoch nicht machen. Denn gemäss Mitteilung der Geschäftsprüfungskommission (GPK) hält eine Mehrheit des bürgerlich dominierten Stadtrates daran fest, das Sparpaket fast ohne Abstriche umzusetzen. Wenn auch knapp.

«Unser Vorschlag ist sehr, sehr moderat», findet hingegen SP-Grossstadtrat Daniel Furrer. «Wir sind der Meinung, dass kein Druck besteht, auf Vorrat sinnvolle Leistungen abzubauen. Das Sparpaket umfasst auch nach dieser Anpassung noch über 10 Millionen Franken. Damit sind wir ja sogar einverstanden.»

Im Notfall kommt das Referendum

Daniel Furrer

Daniel Furrer

(Bild: zVg)

Laut Furrer (Bild) gibt es ein paar Entwicklungen, welche die Stadtpolitiker neu in ihre Überlegungen aufnehmen müssten. «Die vergangenen Jahre zeigen, dass die Stadt immer zu pessimistisch budgetiert hat. Ende Jahr konnte dann jeweils trotzdem ein ansehnlicher Gewinn verkündet werden.» Auch dieses Jahr, so könne man es der Gesamtplanung entnehmen, scheine sich ein wesentlich höherer Gewinn als budgetiert abzuzeichnen. Furrer führt weiter aus: «Zudem ist es sehr wahrscheinlich, dass weitere Entlastungen aus dem erst letztes Jahr in Kraft getretenen kantonalen Sparpaket ‹Leistungen und Strukturen II› für die Stadt anfallen.» Dieses bescherte der Stadt bislang gesicherte Entlastungen von einer Million Franken ab 2016 und 1,5 Millionen ab 2017.

«Es gibt aus unserer Sicht deshalb keinen Grund, gute, bewährte Leistungen wie etwa die Quartierarbeit ohne Grund abzubauen.»

Daniel Furrer, SP-Grossstadtrat

Weiter geht Furrer davon aus, dass die Stadt auch von den neusten, diesen Donnerstag präsentierten Sparübungen des Kantons entlastet werde. «Es gibt aus unserer Sicht deshalb keinen Grund, gute, bewährte Leistungen wie etwa die Quartierarbeit ohne Grund abzubauen.» Ob die Stadt aber tatsächlich vom neusten Sparkurs des Kantons profitieren könnte, ist unklar. Das sagt der städtische Finanzverwalter Roland Brunner. Aber: «Es ist es derzeit völlig unklar, wie die Auswirkungen ausfallen werden. Es könnten sowohl Entlastungen als auch Mehrbelastungen für die Stadt anfallen. Wir hoffen sicher, dass der Kanton Wort hält und die Gemeinden nicht mit zusätzlichen Belastungen in die Pflicht nehmen will.»

Die SP gibt sich laut Furrer kompromissbereit: Mindestens bei den erwähnten drei Sparmassnahmen müsse ihr das Parlament entgegenkommen. Falls nicht, werde man das Referendum ergreifen. Dieses würde wohl am 28. Februar 2016 stattfinden.

Das Referendum würde dazu führen, dass die Stadt  – wie Anfang 2012 – über kein rechtskräftiges Budget verfügen würde. Finanzverwalter Brunner erklärt die Auswirkungen: «Es dürften nur noch gebundene und wirtschaftlich notwendige Ausgaben getätigt werden. Das führt in der Verwaltung zu einem Mehraufwand, etwa betreffend Handhabung und Beurteilung von Ausgaben.»

Genossen umgarnen CVP

Um im 48-köpfigen Stadtparlament eine Mehrheit hinzukriegen, brauchen SP und Grüne (zusammen 19 Sitze) Rückendeckung. Und die käme nebst von der GLP (vier Sitze) am ehesten von der CVP (neun Sitze). Schliesslich hat die CVP vor ein paar Jahren der flächendeckenden Einführung der Quartier- und Stadtteilpolitik erst zum Durchbruch verholfen. Seitens SVP und FDP ist kaum mit Support zu rechnen. So sagt etwa FDP-Stadtpräsident Fabian Reinhard: «Wenn man das Paket nun aufschnürt, hat das kein Ende. Es ist nur fair, dass alle ihren Sparbeitrag leisten.» Deshalb umweibeln die Genossen derzeit möglichst viele CVPler.

Doch laut CVP-Fraktionschefin Franziska Bitzi Staub ist man eher zurückhaltend, das Sparpaket aufzuweichen: «Bislang hatten wir die Devise, das Paket integral umzusetzen. Auch wenn einzelne Massnahmen, etwa bezüglich Quartierarbeit, natürlich sehr weh tun.» Man werde nun an der Fraktionssitzung diesen Montagabend über das weitere Vorgehen entscheiden. Bezüglich der Hoffnung der Linken, dass die Stadt von den aktuellen Sparbemühungen des Kantons weiter entlastet wird, ist Bitzi skeptisch. «Bislang deutet nichts darauf hin, das muss sich erst noch zeigen.»

46 Vollzeitstellen fallen weg

Aktuell operiert die Stadt mit einem Budget von 610 Millionen Franken. Davon sind laut Stadt jedoch nur 50 Millionen beeinflussbar. Die Sparvorgabe von 14 Millionen umzusetzen, ist insofern eine happige Aufgabe. Insgesamt werden 46,1 Vollzeitstellen gekürzt. Bei einem Personalbestand der Stadt von 1’636 Vollzeitstellen entspricht dies knapp 2,8 Prozent. Am härtesten trifft es die Volksschule. Dort müssen 32 Vollzeitstellen gekürzt werden.

 

Die Bildung trifft’s am härtesten

Das aktuelle, schrittweise ab 2016 gültige Sparpaket umfasst 83 Einzelmassnahmen (siehe grosse Übersicht samt Interview mit Stadtpräsident Stefan Roth). Anbei nochmals die wichtigsten Punkte:

Wie viel wird konkret in der Sozialdirektion von Martin Merki gespart/entlastet?

Insgesamt 3,3 Millionen Franken. Die grössten Brocken sind:

– 940’000 Franken Einsparungen bei den Heimen, konkret der Pflegefinanzierung im stationären Bereich. Die Stadt will mit der ausgelagerten Viva Luzern AG, der alle städtischen Heime angehören, neue einheitliche Verträge aushandeln. Heute bewegen sich die Tarife zwischen 1,24 und 1,33 Franken pro Minute. Die Stadt strebt bis 2019 einen Einheitstarif von 1,29 Franken an. Die Heime werden also effizienter arbeiten müssen.

– 270’000 Franken Einsparungen bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. Erreicht werden soll dies durch Aufgaben- und Pensenverschiebungen sowie Effizienzsteigerungen.

– Von den Linken bekämpft: 180’000 Franken Einsparungen bei der Quartier- und Stadtteilpolitik. Hier werden bei der Stellenleitung 20 Prozent gekürzt, die Fachmitarbeit von 50 Stellenprozent wird gestrichen und auf den Standort Tribschen/Langensand/Schönbül wird verzichtet. Die übrigen sechs Standorte bleiben erhalten. Sie sollen ihr Einzugsgebiet aber so vergrössern, dass trotz Verzicht auf den letzten und siebten Standort die ganze Stadt abgedeckt ist. Neu stehen für die Quartierarbeit noch 480 statt 560 Stellenprozent zur Verfügung.

– 150’000 Franken Einsparungen bei der Wohnbegleitung von Sozialhilfebezügern. Hier wird auf den geplanten Ausbau um eine Vollzeitstelle verzichtet.

– 150’000 Franken Einsparungen an die Pflegevollkosten der Spitex. Die Spitex soll dies laut Stadt durch optimierten Einsatz der Mitarbeitenden erreichen.

Wie wird in der Bildungsdirektion von Ursula Stämmer gespart/entlastet?

Stämmer musste den happigsten Anteil beisteuern, insgesamt 4,5 Millionen Franken. Die grössten Brocken sind:

– Von den Linken bekämpft: 1,86 Millionen Franken Einsparungen bei Deutschkursen für Ausländer (DaZ). Hier reduziert die Stadt ihr Angebot von einer Lektion Deutsch auf die kantonale Minimalvorgabe von 0,66 Lektion pro Lernenden. Verzichten muss deshalb niemand auf das Angebot. Die finanziellen Einsparungen werden durch grössere Lerngruppen und 1’614 gestrichene Stellenprozent oder gut 16 Vollzeitstellen erreicht.

– Von den Linken bekämpft: 434’000 Franken Einsparungen bei der Integrativen Förderung. Hier geht’s um die zusätzliche gezielte Förderung von Schülern in bestimmten Fächern. Bislang liess sich die Stadt das viel kosten: Sie lag mit 410 Lektionen weit über den kantonalen Vorgaben. Nun kürzt sie das Angebot um einen Viertel. 345 Stellenprozente werden gestrichen. Die pädagogischen Ziele könnten trotzdem erreicht werden.

– 70’000 Franken Einsparungen beim Angebot der Musikschule. Hier werden allein 50’000 Franken durch die Streichung der 50-Minuten-Lektionen gespart. Davon betroffen sind rund 100 entweder speziell talentierte oder lernbehinderte Jugendliche.

Wie wird in der Direktion Umwelt, Verkehr und Sicherheit von Adrian Borgula gespart/entlastet?

Insgesamt 2,3 Millionen Franken. Die grössten Brocken sind:

– 315’000 Franken Mehreinnahmen bei den Kremationskosten. Neu müssen Angehörige diese Kosten selber bezahlen. Laut Stadt wird das schon in vielen Gemeinden so gehandhabt, etwa in Emmen, Horw, Kriens und Ebikon.

– 300’000 Franken Einsparungen bei der Strassenreinigung. In den Zonen ausserhalb des Stadtzentrums wird weniger geputzt. Teils nur noch jeden zweiten Tag anstatt täglich oder einmal im Monat anstatt zweimal. So kann Personal abgebaut und Geld gespart werden. Entlassungen sind laut Stadt jedoch keine nötig, Pensionierungen sollen es richten.

– 250’000 Franken Einsparungen bei der SIP-Truppe (Sicherheit Intervention Prävention). Dies entspricht einem Drittel des Gesamtaufwandes. Laut Stadt ist dies vertretbar, unter anderem wegen der Einführung des Polizeiprojekts CityPlus. 280 Stellenprozent müssen bei der SIP gestrichen werden. Vereinzelt kommt es hier zu Kündigungen. Ein vollständiger Verzicht auf die SIP wurde von der Stadt zwar geprüft, aber verworfen. «Die SIP trägt wesentlich zu einer besseren Sicherheit in den Brennpunkten bei», schreibt die Stadt.

– 200’000 Franken Einsparungen in der Werkstatt und dem Baupikett des Strasseninspektorats. Zwei Personen, die bald in Pension gehen, werden hier nicht mehr ersetzt.

– 200’000 Franken Mehreinnahmen bei der Kompostierung. Neu will die Stadt die Kompost-Arbeit der Stadtgärtnerei beim Abfallverband Real in Rechnung stellen.

– 80’000 Franken durch Mehreinnahmen bei den Einbürgerungsgesuchen. Laut Stadt nimmt die Bearbeitung eines Gesuches drei bis fünf Stunden mehr Zeit in Anspruch als bislang angenommen. Das wird neu voll verrechnet. Die Einbürgerungsgebühren werden deshalb durchschnittlich um 280 Franken höher als bisher ausfallen.

– 100’000 Franken Mehreinnahmen bei den Parkplätzen für Reisecars. Hier verdoppelt die Stadt die Gebühren. Sämtliche Carparkplätze sollen bewirtschaftet werden. Nicht von der Erhöhung betroffen ist jedoch der Schwanenplatz.

– 65’000 Franken Einsparungen beim Veloordnungsdienst. Hier sind sich aber der Stadtrat und die GPK nicht einig. Gut möglich also, dass sie an dieser Massnahme noch etwas ändert, wenn sie am 22. Oktober vors Parlament kommt.

– 40’000 Franken Mehreinnahmen durch höhere Bahnhofsplatzgebühren. Wer den Bahnhofvorplatz für kommerzielle Aktionen nutzen will, zahlt heute 12 Franken pro Quadratmeter und Tag. Neu soll dieser Betrag verdoppelt werden. Ein Tag kostet neu mindestens 1’000 Franken mit Infrastruktur, 500 Franken ohne.

– Bereits bekannt ist, dass die Stadt 450’000 Franken weniger in den Energiefonds stecken will. Laut Stadt können dadurch etwa 30 Prozent der angestrebten CO2-Einsparungen nicht erreicht werden.

Wie wird in der Baudirektion von Manuela Jost gespart/entlastet?

Insgesamt 1,1 Millionen Franken. Die grössten Brocken sind:

– 376’000 Franken Einsparung beim Unterhalt der Liegenschaften. Das entspricht zehn Prozent des gesamten Betrages. Der verbleibende Betrag von 3,38 Millionen Franken müsse so eingesetzt werden, dass keine Folgeschäden entstehen würden.

– 340’000 Franken Einsparung bei der Bewirtschaftung der Liegenschaften. Hier wird an den Schulen und Kindergärten weniger und optimierter geputzt. 500 Stellenprozent werden so eingespart.

– 25’000 Franken Mehreinnahmen bei den Reklamegebühren. Heute gilt eine Mindestgebühr pro Reklame an städtischen Haltern von 50 Franken. Diese Gebühr wird auf 100 Franken verdoppelt. Luzern sei damit schweizweit im Mittelfeld.

– 25’000 Franken Einsparungen im Projektpool Quartierleben. Damit sollen Anlässe und Projekte der Quartiervereine finanziert werden. Neu liegen in diesem Kässeli noch 50’000 Franken.

Wie wird in der Finanzdirektion von Stefan Roth gespart/entlastet?

Insgesamt 1,4 Millionen Franken. Die grössten Brocken sind:

– 287’000 Franken Einsparungen bei den Stadtratslöhnen. Dies erfolgt jedoch nicht freiwillig, sondern nach einem Ja des Stimmvolkes zu einer entsprechenden SVP-Initiative.

– 260’000 Franken Einsparungen bei der Wirtschaftsförderung. Hier werden Gelder für Projekte der Wirtschaftsförderung gestrichen.

– 153’000 Franken Einsparungen beim Kauf von IT-Geräten.

– 75’000 Franken Einsparungen beim Kauf von neuem Mobiliar. Das entsprechende Budget wird somit fast halbiert.

– 60’000 Franken Einsparungen bei der Filmförderung. Damit wird diese Subvention um fast die Hälfte auf noch 70’000 Franken reduziert. Hauptsächlich fliesst dieses Geld in die Krimiserie Tatort. Die GPK möchte gleich den gesamten Beitrag streichen.

– 40’000 Franken Einsparungen bei der städtischen Kommunikationsstelle. Neu stehen noch 165’000 Franken zur Verfügung. Gespart wird beim Stadtmagazin, dem Internetauftritt der Stadt und punktuellen, kleineren Massnahmen.

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