Kanton will Grafik-Klasse wegsparen

«Das macht keinen Sinn»

Erich Brechbühl ist erfolgreicher Grafiker und hat für seine Arbeiten zahlreiche Preise gewonnen. (Bild: zvg)

Die Luzerner Regierung will sparen und deshalb die Fachklasse Grafik schliessen. Das sei schwer verständlich, sagt Erich Brechbühl. Der 38-jährige Grafiker engagiert sich seit Jahren für die Luzerner Kreativwirtschaft: «Die Grafik-Klasse ist eine einzige Erfolgsgeschichte.»

Naht das Ende? Die Luzerner Regierung will die Fachklasse Grafik schliessen und dadurch Ausgaben sparen. Dies berichtete die «Neue Luzerner Zeitung» am Mittwoch und stützt sich auf mehrere voneinander unabhängige Quellen. 

Die Klasse gehört zum Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrum des Kantons und bietet ein Vollzeit-Studium mit gestalterischer Berufsmatura an.

Noch will sich von der Regierung niemand zu den Sparplänen äussern. Einzig ein nächstes «Konsolidierungsprogramm» ist angekündigt, zu dem der Kanton erst Ende Oktober Weiteres verraten will. Die Grafik-Klasse kostet im laufenden Jahr 2,9 Millionen Franken, wie Sandra Kilchmann, die Kommunikationsbeauftragte der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung, gegenüber der «NLZ» sagte.

 

Arbeiten der Fachklasse Grafik: Vernissage «Denkzettel» zum Jahreswechsel beim Theaterplatz Luzern im Januar 2015.

Arbeiten der Fachklasse Grafik: Vernissage «Denkzettel» zum Jahreswechsel beim Theaterplatz Luzern im Januar 2015.

(Bild: Kanton Luzern)

Für Erich Brechbühl ist die Nachricht zur drohenden Schliessung der Grafikklasse eine Hiobsbotschaft. Er gehört zu den bekanntesten Grafikern und ist Vertreter der Kreativwirtschaft Luzern. In den letzten Jahren hat er viel für die Luzerner Grafikerszene getan. Der 38-Jährige ist Präsident des Plakatfestivals «Weltformat» und hat zahlreiche internationale Preise gewonnen. 

zentral+: Herr Brechbühl, wie haben Sie die Meldung über eine mögliche Schliessung der Grafik-Klasse aufgenommen? 

Erich Brechbühl: Ich bin sehr überrascht. Gerade, weil die Klasse des Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrums eine einzige Erfolgsgeschichte ist. Die Fachklasse hat immer sehr gute Berufskräfte ausgebildet. Verstehen würde ich eine solche Massnahme nur, wenn die Grafik-Klasse keine guten Leute hervorbrächte. Aber das Gegenteil ist der Fall. 

zentral+: Was macht denn die Qualität dieser Schule konkret aus?

Brechbühl: Die Fachklasse des Kantons ist meiner Beurteilung nach sehr nahe an der Berufswelt, und der Stoff wird daher bestens vermittelt. Ich selber komme aus der Praxis und habe eine Lehre absolviert. Das System funktioniert sehr gut. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten an ganz konkreten Projekten und sorgen regelmässig für Aufsehen. Und was zudem sehr wichtig ist: Die Klasse ist offen für Nicht-Akademiker oder für Leute, die keine Matura haben. Um Grafiker zu werden, braucht man viel Talent und Übung und nicht unbedingt gute Schulnoten in Französisch, um es etwas salopp zu sagen. 

zentral+: Was bedeutet die Botschaft für die Kreativwirtschaft? 

Brechbühl: Sie ist schädlich für den guten Ruf, der in den letzten Jahren aufgebaut wurde. Luzern wird von der Branche und vermehrt auch von ausländischen Beobachtern als Grafikstadt wahrgenommen. Das ist ein starkes Zeichen und nicht zu unterschätzen. Hier geht in dieser Sache ziemlich was ab. Für die Kreativwirtschaft und für die Leute, die sich stark engagieren, wäre die Schliessung der Fachklasse wie eine Ohrfeige. 

zentral+: Was sind denn die Alternativen für Schülerinnen und Schüler, die Grafiker werden wollen? 

Brechbühl: Eine Ausbildung an der Hochschule für Gestaltung und Kunst wäre eine Alternative. Dazu braucht man aber wie gesagt die Berufsmatura. Aber sonst gibt es immer weniger Ausbildungsmöglichkeiten. Die Lehrstellenangebote in diesem Bereich reduzierten sich von Jahr zu Jahr. Ich konnte mich damals noch glücklich schätzen, eine Lehre zu absolvieren. Heute sind diese Stellen sehr rar. Deshalb ist dieser Bildungsweg extrem wichtig für unseren Beruf. 

Neben der Hochschule wäre natürlich auch eine Ausbildung in einem anderen Kanton möglich. Damit spart der Kanton Luzern jedoch nicht wirklich. Das Geld landet dann einfach in einem anderen Kanton. Weil der Kanton wohl dann für jeden Schüler, der in einem anderen Kanton studiert, aufkommen muss.

zentral+: Die Klasse nimmt pro Jahr rund 30 neue Studenten auf. Derzeit studieren in Luzern 100 zukünftige Grafikerinnen und Grafiker. Sind so viele Absolventen im Arbeitsmarkt wirklich gefragt?

Brechbühl: Ja, sie sind sogar sehr gefragt. Eben, weil sie bereits praxiserprobt sind. Gerade haben zum Beispiel zwei junge Grafikerinnen die grafische Gestaltung des Südpols übernommen. Sie haben dieses Jahr die Fachklasse abgeschlossen und man wird in Zukunft wohl noch viel von ihnen sehen.


 SP und Gewerkschaftsbund sind «schockiert»

Die SP, die Grünen sowie der Luzerner Gewerkschaftsbund haben bereits auf die Nachricht reagiert.  

«Die Fachklasse Grafik hat eine Strahlkraft, die weit über die Kantonsgrenzen hinausreicht», sagt der Luzerner SP-Präsident David Roth. «Dass unterdessen aber selbst seit 140 Jahren fest verankerte und funktionierende Strukturen zerstört werden sollen, zeigt, wohin uns die Steuerdumping-Politik der Bürgerlichen geführt hat», fügt er hinzu (zum Artikel). 

Empört ist man auch beim Luzerner Gewerkschaftsbund (LGB). «Benötigt die Luzerner Wirtschaft nach Ansicht des Regierungsrates keine Grafiker mehr?» fragt sich LGB-Präsident Giorgio Pardini. Dass von den zwei bisher bekannten Massnahmen des Abbau-Budgets 2016 die Berufsbildung betroffen ist, sei kein gutes Zeichen.

Und auch die Grünen können dieser Sparmassnahme nichts abgewinnen. In einer Stellungnahme schreibt die Partei, dass der Regierungsrat damit die Demontage des Bildungsstandorts Luzern weiter führe. «Die verfehlte Steuerstrategie und die deswegen fehlenden Einnahmen zwingen den Kanton zum Sparen, was besonders den Bildungsbereich trifft», schreibt Co-Präsidentin Katharina Meile. (zum Artikel)

Die bürgerlichen Parteieien CVP, SVP, FDP und Grünliberalen wollen zuerst abwarten, was der Kanton Ende Oktober tatsächlich kommuniziert. Zuerst soll eine Gesamtbewertung der einzelnen Sparmassnahmen gemacht werden, so der Tenor.

Die Ausnahme bei den bürgerlichen ist die BDP Kanton Luzern: Man habe am Donnerstag ihren Augen nicht getraut, als sie davon Kenntnis nahm, dass der Kanton Luzern jetzt die Fachklasse Grafik schliessen und somit den Rotstift dort ansetzen will, wie es in einer Mitteilung der Partei heisst. «Das ist dermassen stossend und ungerecht und zeigt auf, wie die Lebensqualität im Kanton abnimmt.» (zum Artikel)

 

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