«First Friday» zu Gubel-Erfahrungen

Geschichten über milchlose Kühe

Recht gut besucht ist sie, die «First Friday»-Veranstaltung zu den Asylsuchenden vom Gubel. (Bild: wia)

Es kommen Menschen – was tut Zug? Das Thema Flüchtlinge, das sowieso in aller Munde ist, hat sich auch die Veranstaltungsreihe «First Friday» vorgeknüpft. Inklusive einem Ständerat, ermutigender Anekdoten und einer passenden Feel-Good-Geschichte zum Schluss.

Nein, diese Leute sind nicht hier, weil es nachher einen reichhaltigen Apero gibt. Jedenfalls nicht in erster Linie. Die Menschen, die an die «First Friday»-Veranstaltung gekommen sind, wollen mehr wissen. Dazu, wie es dort oben läuft, auf dem Gubel. Was man tut, damit die Asylsuchenden, die seit Mai dort einquartiert sind, nicht versauern vor lauter Langeweile und nicht frieren müssen. Was gemacht wird, um Probleme zu minimieren, und woran es noch fehlt.

Die Referenten an diesem Freitag sind Tony Mehr, der Leiter der «IG Zentrum Gubel» (zentral+ berichtete) und Benno Riedo, ein Menzinger Pensionär, der ebenfalls im Kernteam der IG mitwirkt. Es ist ein Thema, das offenbar bewegt. Der kleine Raum ist gut gefüllt, man habe mit weniger Leuten gerechnet, so Rupan Sivaganesan, der Initiant von «First Friday».

Nun sind es aber bereits 30 Nasen, darunter einige Politiker, Barbara Beck-Iselin, Gemeinderätin von Menzingen ist da, SP-Kantonsrätin Barbara Gysel sitzt in den Reihen und gar Ständerat Joachim Eder hat sich die Zeit genommen für einen doch recht gemütlichen Anlass. Einer, «der bewusst nicht parteipolitisch sein soll», betont Sivaganesan.

Für Debatten gebe es andere Gelegenheiten. Hier soll sachlich informiert, und danach respektvoll diskutiert werden.  Das heutige Thema würden die Redner sehr wohl als Erfolgsgeschichte betiteln. Denn die Toleranz, die seit Eröffnung des Bundesasylzentrum auf dem Gubel gewachsen ist, hat Vorbildcharakter.

«Die Opposition ist nicht vorbei.»

Benno Riedo von der IG Zentrum Gubel

Dennoch mahnt Riedo bereits zu Beginn zur Vorsicht: «Zwar schrieb letzthin sogar unser Gemeindepräsident Peter Dittli, dass es keine Probleme auf dem Gubel gebe, doch müssen wir aufpassen. Wir unterhalten uns oft mit unseresgleichen. Am Stammtisch gibt es teilweise andere Eindrücke. Die Opposition ist nicht vorbei.» Dennoch habe man viele der Probleme mittlerweile angehört und auch gelöst.

Von Kühen, die keine Milch mehr geben

Und so langsam, scheint es, löst sich die Angst der Menzinger auf, das Engagement für die Asylbewerber wächst hingegen. Mehr erklärt berührt: «Mittlerweile habe ich einen Anruf pro Tag von jemandem, der sich einbringen und helfen möchte.» Und genau das sei es, was es brauche, so Mehr. Leute, die in Kontakt treten möchten, sei es, um ein paar Asylbewerber in der Besenbeiz auf dem Gubel zum Kaffee einzuladen, sei es, um mit ihnen Schach zu spielen oder Wanderungen zu unternehmen.

Immer wieder werden Mehrs Ausführungen untermalt von kleinen, feinen Anekdoten aus der Zusammenarbeit mit den Asylbewerbern. «Ich unternehme regelmässige Dorfführungen, zeige ihnen beispielsweise auch, wo die Kirche ist und erkläre, dass auch Moslems in dieser beten dürfen.»

Und da gäbe es auch mal spannende Austausche. «Letzthin, als wir an einem Bauernhof vorbeigekommen sind, wollten die Asylsuchenden wissen, wieviel Milch denn so eine Kuh gebe. Denn dort, wo diese Menschen  herkommen, gibt es drei Monate Regenzeit, in der die Kühe Milch geben, danach, in der Trockenzeit, verebbt diese Milch wieder.»

Das Internet erfordert Geduld

Einige Angebote stehen und funktionieren also, an anderen beissen sich die IG-Vorreiter fast die Zähne aus. Mehr erzählt: «Wir haben nun drei Monate lang mit der Swisscom hin und her kommuniziert, unter anderem, weil nicht klar war, ob man eine Internetleitung zum Bundeszentrum verlegen könne. Nun haben wir seit kurzem eine Satellitenverbindung.» Internet, das sei ein dringendes Bedürfnis der Asylsuchenden. Insbesondere um per Skype mit ihren Familien zu sprechen. «Uns ist klar, dass das auch mit Risiken verbunden ist und haben deshalb auch mit der Polizei gesprochen.»

«Ich frage mich, wie das im Winter rauskommen soll, wenn die Kinder vor allem drinnen spielen.»

Barbara Beck, ALG-Gemeinderätin von Menzingen

Nach den Vorträgen der beiden Referenten meldet sich das Publikum. So auch die Menzinger Gemeinderätin Barbara Beck. Seit einer Woche hat sich die Zahl der Asylbewerber wegen den vielen neuen Flüchtlingen von 120 auf 168 vergrössert. Eine Tatsache, die Beck Bauchschmerzen machen. «Das heisst, dass man in den sowieso beschränkten Räumen zusätzliche Betten gestellt hat. Momentan geht das noch, weil es einigermassen warm ist und man nach draussen gehen kann, aber ich frage mich, wie das im Winter rauskommen soll, wenn die Kinder vor allem drinnen spielen.»

Andere Teilnehmer des Anlasses wollen wissen, wo sie sich melden müssen, um eine Flüchtlingsfamilie zum Mittagessen einzuladen. Am besten solle sie sich direkt beim Zentrum melden, lautet die Antwort. Und dort solle sie dann hartnäckig bleiben. Kritischere Stimmen in der Runde prophezeien das Ende dieser selbstlosen Phase. Was, wenn immer mehr Freiwillige abspringen? Dann müsse man halt pragmatisch sein, findet Mehr, und das Angebot wieder eindämmen.

Der Kieferchirurge im Deutschkurs

Auf eine Frage, welchen Bildungshintergrund denn diese Asylbewerber hätten, weiss zuerst niemand eine Antwort. Dann reckt eine Dame die Hand. «Ich unterrichte Deutsch für Asylbewerber. Und da habe ich alles. Leute, die gar nie zur Schule gegangen sind, aber auch Wirtschaftsleute, Kieferchirurgen. Es kommt die gleiche Gesellschaft hier her, wie wir es sind.»

«Ich warne vor dieser trügerischen Ruhe.»

FDP-Ständerat Joachim Eder

FDP-Ständerat Joachim Eder betont zwar, er finde den Einsatz der Freiwilligen grossartig und sei froh um die Sensibilisierung, die mit dem aktiven Programm der IG Zentrum Gubel einher gehe, dennoch gibt er zu Bedenken: «Auf dem Gubel haben wir ein Bundeszentrum. Gleichzeitig haben wir kantonal zugewiesene Flüchtlinge, die gerecht aufgeteilt werden müssen unter den Gemeinden. Und das bringen wir nicht fertig.» Er schickt gleich eine Warnung hinterher. «Das Asylwesen ist momentan die grösste Herausforderung in der Politik. Und auch wenn auf dem Gubel alles soweit gut läuft. Ich warne vor dieser trügerischen Ruhe.»

Abdullah, der Bäcker

Geschickt hat Sivaganesan für den Schluss noch eine Feel-Good-Geschichte aufgespart. Abdullah, ein ehemaliger somalischer Flüchtling, erzählt den Besuchern seine Geschichte. Vom 16-Jährigen, der kein Wort Deutsch und Englisch sprach, zum ausgebildeten Bäcker, der «Steuern und AHV zahlt und nicht von der Sozialhilfe abhängig ist», sagt er stolz. Für Abdullah ist klar: «Was wir als Asylsuchende brauchen, ist ein System. Wir brauchen eine Ausbildung. Denn wir können arbeiten.»

Der Anlass «First Friday» wurde am 2. Oktober zum 17. Mal durchgeführt. Ein Angebot, das sich bewährt hat? Rupan Sivaganesan sagt: «Absolut. Wir sind nun durchschnittlich jeweils 20 Leute, und das passt ganz gut. So können wir den Anlass in kleinem Rahmen abhalten, die Gemütlichkeit bleibt erhalten. Ich bin sehr zufrieden.» Und nein, es seien nicht immer die gleichen Leute, die dabei sind. «Heute waren etwa Dreiviertel der Besucher zum ersten Mal hier.» Nächsten Monat geht es jugendlicher zu und her. «Dann reden wir über Graffitis und übers Sprayen.»

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