Crash für autofreundliche SVP-Initiative

SVP und FDP unterliegen in gehässiger Debatte

Verkehr beim Luzerner Kasernenplatz: Welche Fahrzeugarten will die Stadt künftig fördern?

(Bild: lwo)

Wie erwartet sorgte die SVP-Initiative «Für einen flüssigen Verkehr» an diesem Donnerstag im Stadtparlament für hitzige Diskussionen. Stadtrat Adrian Borgula wurde gar vorgeworfen, «Unwahrheiten» zu erzählen. Und der SVP wurde unterstellt, mit der Initiative bloss Wahlkampf zu betreiben.

Die SVP-Initiative will die Plafonierung des Autoverkehrs, wie sie im aktuellen Reglement festgelegt ist, aufheben. Gleichzeitig sollen der ÖV sowie der Velo- und Fussgängerverkehr gefördert werden. Auch sollen künftig keine Parkplätze mehr abgebaut werden sowie keine Temporeduktionen oder Abbiegeverbote mehr realisiert werden.

«Die Initiative ist eine Mogelpackung»

Markus Mächler (CVP) machte den Auftakt zur munteren Verkehrsdebatte. Der Verkehr beschäftige die Bevölkerung in sehr grossem Masse. «In vielen Diskussionen kommt eine sehr persönliche Sicht der Betroffenen zutage. Nur schon eine verstopfte Strasse auf dem Weg  zur Arbeit sorgt für rote Köpfe.»

«Wir haben allerdings nur etwa drei Stunden pro Tag ein Kapazitätsproblem. Die anderen 21 Stunden läuft alles reibungslos.»

Markus Mächler, CVP

Oft werde dann der Stadtrat dafür verantwortlich gemacht. «Wir haben allerdings nur etwa drei Stunden pro Tag ein Kapazitätsproblem. Die anderen 21 Stunden läuft alles reibungslos. Die Initiative ist eine Mogelpackung. Sie verspricht etwas, das sie niemals halten kann. Flüssiger Verkehr wird nicht erreicht, indem noch mehr Fahrzeuge auf die Strasse gebracht werden.» Mehr Autos bedeuten laut Mächler mehr Stau und mehr Chaos. In der Stadt gibt es laut Mächler zudem nicht mehr Platz, um zusätzliche Strassen zu bauen. «Deshalb muss der Verkehr besser organisiert werden.» Die Initianten würden einen mässigen, gezielten Ausbau der Strassenkapazität verlangen. «Fakt ist: Ohne den Abriss von Häusern oder Anlagen gibt es keinen Strassenausbau. Zudem haben Parkplätze in der Innenstadt in den letzten Jahren zu- und nicht abgenommen. Die CVP stimmt allem zu, was den Verkehr flüssiger macht. Die Initiative taugt dazu aber nichts.»

Wahlkampfvehikel der SVP?

Genau gleich sah es Nico van der Heiden (SP). Die Initiative sei zwar höchst interessant. «Doch das Stimmvolk hat ja bekanntlich 2010 das Mobilitätsreglement angenommen. Nun will die SVP diesen Entscheid kippen. Ich dachte immer, die SVP stellt den Volksentscheid über alles? Offenbar lag das Volk 2010 falsch.»

«Die Initiative wird hochkantig scheitern.»

Nico van der Heiden, SP

Van der Heiden argwöhnte zudem, er werde den Eindruck nicht los, dass es sich mehr um eine Wahlkampfinitiative der SVP handle. Und er prophezeite: «Die Initiative wird in der Stadt hochkantig scheitern. Bereits heute gibt es hier 40 Prozent autofreie Haushalte, die restlichen 60 Prozent benutzen ihr Auto sehr selektiv. Der Ausbau der Strassenkapazität, das ist eine Binsenwahrheit, führt nur zu noch mehr Verkehr.» Die Annahme der Initiative würde laut dem Präsidenten von Pro Velo Luzern zu einer Blockierung der städtischen Verkehrspolitik führen. «Ein Ausbau der Bus- und Velospuren wäre nicht mehr möglich, weil dies die Autos einschränken würde.» Van der Heiden rief seinen Ratskollegen zu: «Nur wenn Sie mehr Stau, Abgas und eine Verkehrspolitik wollen wie in den 60er-Jahren, stimmen Sie der Initiative zu.»

«Wollen Situation nicht verschlimmern»

Nicht ganz überraschend blies auch Laurin Murer von den Grünen ins selbe Horn. Die Initiative enthalte zwar schöne Versprechungen. «Sie produziert aber nur mehr Stau. Wir wollen das nicht. Wir wollen einen ökologischen und funktionierenden Verkehr. Der Platz ist rar, die einzige Lösung ist es, den ÖV gezielt zu fördern.» Allerdings könnten sich die Grünen auch nicht zu 100 Prozent mit dem aktuellen Mobilitätsreglement identifizieren. «Das ist uns zu lasch.» Der ÖV hat laut Murer vor allem ein Problem: «Er ist noch immer keine wirkliche Alternative zum Auto, da er oft mit den Autos im Stau steht. Wir finden die Situation auch nicht ideal, im Gegensatz zur FDP und SVP wollen wir sie aber nicht noch zusätzlich verschlimmern.»

«Es wird neuen Verkehr geben»

Fabian Reinhard, Neo-Grossstadtrat und Neo-FDP-Stadt-Präsident, schilderte anschliessend seine ganz andere Sicht der Dinge. «Die Stadt wächst pro Jahr um fast 2000 Einwohner. Das heisst: Die Mobilität steigt, der Verkehr wächst. Doch der Autoverkehr ist per Reglement plafoniert. Das ist ein Problem.» Ob die Stadt keinen Platz für mehr Strassen habe, fragte Reinhard seine Kollegen, und gab die Antwort gleich selbst: «Das stimmt nicht. In Littau wirds neue Strassen brauchen, das wird neuen Verkehr geben. Zudem gibts Projekte wie den Bypass, die könnten die Stadt vom Durchgangsverkehr entlasten.»

«Die Stadt soll nicht nur mit dem Velo gut erreichbar sein.»

Fabian Reinhard, FDP

Für die Stadt und besonders das Gewerbe sei es absolut zentral, dass das Zentrum gut erreichbar bleibe. «Die Stadt soll nicht nur mit dem Velo gut erreichbar sei. Die aktuelle Verkehrspolitik ist uns zu einseitig. Mit einem Ja zur Initiative will die FDP-Fraktion ein politisches Zeichen setzen, auch wenn die Initiative nicht perfekt ist.» Die FDP wolle kein starres Korsett in der Verkehrspolitik.

«Initiative geht in völlig falsche Richtung»

Laura Kopp von der GLP hielt Reinhard entgegen: «Wir stimmen dem Initiativkomitee in einem Punkt zu: Zu Stosszeiten ist das Verkehrschaos ärgerlich.»

«Das Chaos wäre mit der Initiative vorprogrammiert.»

Laura Kopp, GLP

Sympathisch wirke auch die Forderung, den Durchgangsverkehr zu reduzieren. «Aber das ist eine Mogelpackung. Sie geht in eine völlig falsche Richtung. Die Initianten sind der Idee, das Problem lasse sich mit noch mehr Verkehr lösen. Das Chaos, das man beseitigen will, ist vorprogrammiert.» Die Initiative führe laut Kopp zu mehr Steh- anstatt mehr Fahrzeiten für alle. Die Initiative sei deshalb auch wirtschaftsfeindlich: «Der Autoverkehr – und damit auch das Gewerbe – steht länger im Stau, weil es mehr Verkehr geben wird.»

«So gehts nicht weiter»

Dann durfte jener Mann sprechen, aus dessen Küche die Initiative stammt: SVP-Parteipräsident Peter With. Es habe sich in letzter Zeit gezeigt, dass im aktuellen Verkehrsreglement eine unrealistische Plafonierung des Autoverkehrs drin sei. «Wir haben realisiert: So gehts nicht weiter. Das ist keine Missachtung des damaligen Volksentscheids.» Sondern eine Nachbesserung, zusammen mit dem Volk.

«Man weiss, hier herrscht ein Verkehrschaos.»

Peter With, SVP

Die Stadt Luzern habe in Sachen Verkehr einen schlechten Ruf. «Man weiss, hier herrscht ein Verkehrschaos. Ob nur zu gewissen Zeiten, mag so sein, aber es stört.» Die Stadtunternehmen seien laut With mit dem Auto leider kaum mehr erreichbar. «Zudem sind wir eine Touristenstadt, viele kommen mit Cars. Aber der grösste Teil kommt mit dem Auto. Auch für die müssen wir eine Lösung finden.» Etwa mit genügend Parkplätzen.

Die Initiative wolle die Plafonierung aufheben, so With, schliesslich wachse ja auch die Bevölkerung. Weiter müsse ein vernünftiges Wachstum möglich sein. «Es gibt visionäre Projekte, die eine Lösung bieten würden. Im Moment etwa das Parkhaus Musegg oder die Metro sowie der Bypass. Die Stadt sagt dann aber immer: Es darf alles nicht zu Mehrverkehr führen. Das kann jedoch dazu führen, dass der Bund das Geld anderswo investiert.»

Zugfahren bei Touristen nicht im Trend

Kommen immer mehr Touristen mit dem Zug nach Luzern, wie das Adrian Borgula vor dem Stadtparlament gesagt hat? Bei Luzern Tourismus heisst es, dass dem nicht so sei. Grössere Gruppen kämen nicht mit dem Zug, sondern in der Regel per Car. Es gebe allgemein zwar einen Trend, dass Asiaten vermehrt in Kleingruppen reisten. Aber einen Trend in Richtung ÖV stellt man nicht fest.

Gut fürs Klima

Withs Aussagen widersprach der zuständige Stadtrat Adrian Borgula (Grüne). Der Stadtrat suche mit allen Partnern zusammen nach guten Lösungen, um auch den Verkehr für die Wirtschaft zu verbessern. Dazu gehöre das Gesamtverkehrskonzept. Zudem wies auch Borgula darauf hin: «Drei Stunden lang ist es bezüglich Verkehr in der Stadt schwierig, 21 Stunden läuft es gut.» Mit der SVP-Initiative könnte das Hauptziel der Initiative, nämlich flüssiger Verkehr, nicht erreicht. «Im Gegenteil.» Die Stadt müsse auf flächeneffiziente Verkehrsmittel setzen. «Damit erreichen wir auch einen guten Beitrag zur Klimapolitik.»

Der Stadtrat vermisse gemäss Borgula von der SVP Vorschläge, wie die Initiative umgesetzt werden könne. «Ja, die Stadt wächst, und wir können nicht warten, bis die Grossprojekte realisiert werden. Deshalb setzen wir auf das Gesamtverkehrskonzept.» Dann zweifelte Borgula noch an der Aussage von Peter With, dass der grösste Teil der Tagestouristen zunehmend mit dem Auto nach Luzern kommt. «Das stimmt nicht. Grössere Reisegruppen kommen zunehmend mit dem Zug.» Davon wusste man am Donnerstagnachmittag bei Luzern Tourismus allerdings nichts (siehe Box).

«Wir müssen diese Plafonierung aufheben, das ist Träumerei.»

Dieter Haller, SVP

Lügt Borgula?

Schliesslich sorgte noch Dieter Haller (SVP) für kurzfristig höhere Temperaturen im Rathaus am Kornmarkt. Haller attackierte Borgula direkt und warf ihm vor, «Unwahrheiten» zu erzählen. Allerdings ohne konkret zu werden. Dafür sagte Haller: «Im Kanton Luzern werden Jahr für Jahr 7000 Autos eingelöst. Dieser Verkehr kommt auch in die Stadt und in unsere Quartiere. Wir müssen diese Plafonierung aufheben, das ist Träumerei.»

Das wiederum liess sich Stadtrat Borgula, der gleich vis-à-vis von Haller sitzt, nicht bieten: «Ich verwahre mich gegen den Vorwurf, Unwahrheiten zu erzählen! Ich möchte dann schon genau wissen, was denn nicht stimmen soll.» Haller nickte energisch und die beiden vereinbarten, das später unter vier Augen zu regeln.

Nach dem Njet des Parlaments zur SVP-Verkehrsinitiative darf man nun gespannt sein, wie die Stadtluzerner darüber am 15. November an der Urne urteilen werden.

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