In den letzten Tagen wurden viele Luzerner in den Strassen auf ihre finanziellen Verhältnisse angesprochen. Einige blieben und erzählten ihre Geschichten, andere fühlten sich angegriffen und flohen. Hinter der Aktion stehen aber keine Marktforscher, sondern Theatermacher für ein Stück im Südpol.
Sind Sie reich? Erzählen Sie!
Mit solchen Fragen stellten sich die Schauspieler Andreas Liebmann und Nina Langensand in Luzern auf die Strassen. Das im Rahmen des Performance-Projekts «Trust».
Ganz konkret wollten sie es wissen: Wie viel verdienen die Leute, welche Probleme haben sie mit dem Geld. Und daraus ensteht eine Produktion im Südpol. Am Donnerstag- und Freitagabend zeigen die beiden Schauspieler, was sie auf Luzerns Strassen erfahren haben. Es sei spannend und aufwühlend gewesen, sagt Langensand. «Mit einigen Leuten haben wir über eine Stunde gesprochen», erklärt die Luzernerin. Insgesamt seien dabei rund 40 Stunden Material zusammengekommen.
Schicksale, Träume, Geld
Bei vielen Leuten seien ganz berührende, intensive Gespräche entstanden. «Es war kein Frage-Antwort-Spiel, sondern wir führten Diskussionen und hörten Erzählungen über Schicksalsschläge, Ängste, Scheidungen. Geladene Geschichten.»
«Das schlechte Gewissen ist eine Eigenschaft der Bourgeoisie.»
Jean-Paul Sartre
Dass sich nicht alle Leute auf ein solches Gespräch einlassen würden, war klar. «Die Leute, die sich mit uns unterhalten haben, die verdienen wenige mehr als 4’000 Franken pro Monat», erklärt Langensand.
«Andere haben sich durch die Fragen angegriffen gefühlt und sind schnell weitergegangen. Die, die Geld haben, die wollen doch eher weniger darüber sprechen», sagt Langensand und zitiert Jean-Paul Sartre: «Das schlechte Gewissen ist eine Eigenschaft der Bourgeoisie.»
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Aber auch bei den Leuten, die sich einliessen, seien im Gespräch Zweifel über das Verhältnis zu Geld aufgetaucht. Und auch mal Gesellschaftskritik.
«Da waren zum Beispiel Alleinerziehende, welche um Dinge kämpfen wie eine Zweitausbildung oder eine faire Aufteilung des Unterhalts.» Und doch hätten viele im Gespräch schliesslich erwähnt, man habe ja eigentlich doch sehr kleine Sorgen.
Und so sei oftmals der Stress um das Geld Thema geworden. Und weniger, wie viel man davon habe oder tatsächlich brauche.
Fragezeichen tauchen automatisch auf
Es gehe in künstlerischer Hinsicht vor allem darum, Fragen zu präzisieren. «Wir wollen nicht belehren, sondern Themen aufwerfen. Die Fragezeichen tauchen dann automatisch auf», sagt Langensand.
Das Stück beinhalte schliesslich nicht nur die Erfahrungen von der Strasse: «Es geht um konkrete Geschichten und Erlebnisse der Bevölkerung, aber es dreht sich auch allgemein ums Geld. Das Geld, das in unserem Leben so wichtig ist. Aber wenn man es sich genau anschaut, ist es bloss Fiktion. Jedes Tier würde an einem Haufen Geld vorbeilaufen, ohne es zu beachten.»
«Trust» wurde von Andreas Liebmann auch schon in Kopenhagen und Stuttgart durchgeführt und ist ein Langzeitprojekt, das das schicksalshafte Zusammenleben der Europäer mit ihrem Geld untersucht.
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