Podium zur Entwicklung Sempachersee

Wachstum in den bestehenden Siedlungen

Was ist qualitatives Wachstum? Das 3. Wirtschaftspodium Sempachersee nahm sich dieser Frage an. Es diskutierten (v.l.): Roger Brunner, Armin Hartmann, Andreas Hofer, Ruth Bachmann und Thomas Häfliger. (Bild: les)

Die Region Sempachersee entwickelt sich und der Begriff qualitatives Wachstum ist in aller Munde. Nun endlich will man auch die Bedürfnisse der Bevölkerung einbeziehen. Zumindest in den Köpfen der Experten.

Die Region Sempachersee ist ein Wachstumsmotor des Kantons Luzern. Dies ist auch so im kantonalen Richtplan vorgesehen. Allerdings soll dieses Wachstum vor allem qualitativ erfolgen, wie die drei Referate Wirtschaftspodium im «Granolissimo» in Sursee aufzeigen sollten. Wobei, ganz einig waren sich die Referenten nicht.

Raumentwicklung integral weiterdenken

Roger Brunner, Vorstandsmitglied des Vereins Plattform Gemeinde- Stadt- und Regionalentwicklung, stellte zu Beginn seines Referats die Stärken der Region Sempachersee ins Zentrum. Gute verkehrstechnische Erschliessung sowie attraktive Steuersätze auf der einen Seite, vielfältige Landschaften rund um den Sempachersee auf der anderen. Der Einzonungsstopp sei ein einschneidendes Element der Raumentwicklung und habe zu einem Paradigmenwechsel geführt, so Brunner. «Der Fokus liege nun auf den bereits vorhandenen Siedlungen.» Dort habe das qualitative Wachstum zu erfolgen.

«Raumentwicklung ist eine Gemeinschaftsaufgabe.»

Roger Brunner, Experte für Raumentwicklung

Brunner sprach in diesem Zusammenhang stets von integraler Raumentwicklung. Und rückte dabei vor allem eine soziale Dimension ins Zentrum. Gemeinsame Werte und kollektive Bedürfnisse würden demnach die Lebensqualität steigern. Dazu gehören bedarfs- und nutzergerechte Räume für alle. «Um diese zu erfassen, müssen alle Bevölkerungsschichten einbezogen werden, Kinder genauso wie Rentner. Schliesslich ist Raumentwicklung eine Gemeinschaftsaufgabe», erklärt Brunner.

Kinder und alte Menschen als Indikatoren

In der Folge sprach Ruth Bachmann, Leiterin der Fachstelle für Gesellschaftsfragen des Kantons Luzern, etwas konkreter über die Lebensräume, sprich alle Räume, die zwischen den Wohnräumen der Bevölkerung liegen. Dabei unterschied sie zwischen Stadt, Agglomeration, Zentren im ländlichen Raum und den Landgemeinden, wobei die Funktion der Lebensräume überall die gleiche sei. «Es sind Begegnungsorte und Treffpunkte, wo die Menschen etwa Sport treiben, die Natur geniessen, kulturelle Angebote nutzen – kurz, wo sie ihre Freizeit verbringen», beschrieb Bachmann.

«Kinder, die draussen spielen, sind gesünder.»

Ruth Bachmann, Leiterin Fachstelle für Gesellschaftsfragen

Dabei stehe die Gesellschaft vor grossen Herausforderungen. Die Bedürfnisse von Familien haben sich geändert, die Leute werden immer älter, die Zuwanderung ist eine Tatsache und die Anzahl Singlehaushalte steigt. Bachmann zitierte zur Beschreibung eines guten Lebensraums den dänischen Architekten Jan Gehl: «Schauen Sie, wie viele Kinder und alte Menschen auf Strassen und Plätzen unterwegs sind.» In der Folge zeigte Bachmann Zusammenhänge aus interessanten Studien auf. «Je mehr Kinder draussen spielen, statt ihre Zeit vor dem TV oder mit Computerspielen zu verbringen, umso gesünder sind diese und umso mehr soziale Kontakte entstehen», so Bachmann. An den Faktoren Atmosphäre, Verweilqualität oder Nutzungsvielfalt lasse sich die Qualität eines Lebensraums messen. Und ein kinderfreundlicher Lebensraum sei stets auch ein menschenfreundlicher Lebensraum.

Es braucht Geld, um qualitativ zu wachsen

Als letzter Referent sprach SVP-Kantonsrat und Gemeindeammann von Schlierbach Armin Hartmann zu den Anwesenden. Er anerkannte die positiven Punkte qualitativen Wachstums; ganz leicht umzusetzen sei dies allerdings nicht, wie seine Erfahrungen in Schlierbach zeigten. «Das Hauptproblem waren die fehlenden finanziellen Mittel, um überhaupt qualitativ wachsen zu können. Deshalb mussten erst mit quantitativem Wachstum neue Steuerzahler angezogen werden, um die Finanzen ins Lot zu bringen», erklärte Hartmann die Situation in Schlierbach.

«Die Politik muss die Grenzen des Wachstums definieren.»

Armin Hartmann, Gemeindeammann Schlierbach

Dies sei in jeder Gemeinde möglich, hielt Hartmann fest: «Jede Gemeinde hat ihre Identität und Stärken.» Als Volkswirtschafter erklärte er eindrücklich die Unterschiede zwischen absoluten und komparativen Vorteilen. Anstatt dass sich jede Gemeinde einem Wettlauf aussetzen müsse, sei es besser, auf die Nischen zu setzen, wo man Stärken habe. Wachstum sei stets langfristig zu betrachten und liege in unserem System, so Hartmann. Dies liege insbesondere an der Generierung von neuem Wissen, am technischen Fortschritt. Doch Wachstum habe auch Schattenseiten. «Aufgabe der Politik ist es, die Grenzen des Wachstums zu definieren und die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu setzen», erklärte sich Hartmann seinen Job als Kantonsrat gleich selbst.

Angeregte Podiumsdiskussion wiederholt Erkenntnisse aus Referaten

Im Anschluss an die drei Referate fand eine kurze Podiumsdiskussion statt. Der grüne Kantonsrat Andreas Hofer rückte dabei die ökologischen Punkte eines guten Lebensraums ins Zentrum. Für ihn sei zentral, zu Fuss oder mit dem Velo, in die Natur- und Erholungsräume kommen zu können. «Als Berufsfischer erlebe ich den Siedlungsdruck hautnah», so Hofer.

Immobilien-Treuhänder Thomas Häfliger von der Redinvest-Gruppe brachte Marktansichten in die Runde. Schlussendlich gäbe es harte und weiche Kriterien. Während harte Kriterien wie Kosten, Steuern oder die Distanz zum Arbeitsplatz fix seien, würden die weichen Kriterien wie eben die Ausgestaltung der Lebensräume in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Häfliger hielt aber fest, dass viele Elemente in der Raumentwicklung Anlageobjekte sind und der finanzielle Gewinn das entscheidende Element sei. «Man baut nicht aus Idealismus, sondern als Kapitalanlage», fasste er zusammen.

Armin Hartmann appellierte daran, dass die Debatte nicht nur unter Spezialisten stattfinden dürfte. Solange es die Menschen nicht direkt betreffe, sei die Raumentwicklung kein Problem. Die Konkretisierung führe allerdings zu Schwierigkeiten, wir würden in einer Betroffenheitsdemokratie leben. Es brauche die breite Unterstützung der Bevölkerung. Oder wie Roger Brunner bereits in seinem Einleitungsreferat festhielt: Raumentwicklung ist eine Gemeinschaftsaufgabe.

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