Informatik-Departement an Hochschule Luzern?

Kantone Luzern und Zug reissen sich um Informatiker

Am Hochschulstandort Horw soll Platz für eine weitere Schule geschaffen werden. Geplant ist ein Neubau für rund 50 bis 70 Millionen Franken. (Bild: hch)

Noch dieses Jahr dürfte sich entscheiden, ob die Fachhochschule der Zentralschweiz ein Departement Informatik erhält und wo dieses angesiedelt wird. Zur Diskussion stehen die Standorte Luzern, Horw, Sursee oder Zug. Während sich Zug nicht zuletzt mit finanziellen Argumenten in Position bringt, spricht sich die Luzerner Regierung für eine Zentralisierung aus. Für Luzerns Bildungsdirektor Reto Wyss resultieren Mehrkosten in Millionenhöhe und eine ungemütliche Doppelrolle.

Seit Wochen wird hinter den Kulissen emsiges Lobbying betrieben, um sich als zukünftigen Standort für das sechste Departement der Hochschule Luzern anzupreisen. Kürzlich goss der Luzerner CVP-Kantonsrat Gianmarco Helfenstein Öl ins Feuer. Er kritisiert in seiner dringlichen Anfrage, «es entsteht der Verdacht, dass die Luzerner Regierung einen Wegzug von Teilen der Hochschule begrüsst oder mindestens nicht verhindern will.»

Helfenstein ist als ehemaliger Gemeindeammann von Horw Partei. Aus seiner Sicht dränge sich der Standort im Luzerner Vorort förmlich auf. Es gehe um die Attraktivität als Bildungsstandort und um Synergien und Projekte der künftigen Informatiker mit lokalen Firmen des Standortkantons. Damit steht Horw in Konkurrenz zur Stadt Luzern und Sursee, die ebenfalls im Gespräch sind. Offiziell beworben hat sich ausserdem Zug.

Die Reaktion erfolgt nun postwendend. «Der Luzerner Regierungsrat will ein neues Hochschul-Departement Informatik, und zwar mit Standort im Kanton Luzern», teilt  Bildungs- und Kulturdirektor Reto Wyss in einer Medienmitteilung mit. Er sei beauftragt worden, sich dafür im Konkordatsrat der Fachhochschule Zentralschweiz einzusetzen.

Knifflige Ausgangslage für Luzerns Bildungsdirektor

Traktandiert ist die Informatik-Frage laut Reto Wyss «noch vor Weihnachten». Erst gelte es jedoch, die Grundsatzfrage zu klären, ob überhaupt ein Informatikdepartement geschaffen werde, und erst danach, wo dieses angesiedelt werde. Mit der Schaffung des neuen Departements würden die bestehenden Informatikabteilungen der Departemente Technik und Architektur in Horw mit dem Wirtschaftsinformatik-Lehrgang des Departements Wirtschaft in Luzern zusammengelegt.

Grosser Bedarf an Informatikern

2013 waren 268 Studierende im Studiengang Informatik der Hochschule Technik & Architektur und 186 im Bachelor-Studiengang Wirtschaftsinformatik der Hochschule Wirtschaft eingeschrieben; 17 machten den neu eingeführten Master Wirtschaftsinformatik. Mit dem geplanten Departement Informatik ist geplant, die Studentenzahl auf über 1000 zu erhöhen.

Ausserdem soll eine Standortevaluation erfolgen, in der die Hochschule Aussagen zum von ihr gewünschten Standort macht. «Ich gehe davon aus, dass die Hochschule analysiert, ob die Standorte gleichwertig sind, oder ob einer bevorzugt wird», sagt Reto Wyss.

Entschieden wird die Frage durch den Konkordatsrat, dem politischen Verwaltungsrat der von den Kantonen getragenen Fachhochschule. In diesem sitzen die Bildungsdirektoren der Trägerkantone Luzern, Nid- und Obwalden, Schwyz, Uri und Zug. Pikant dabei: Präsidiert wird der Konkordatsrat von Reto Wyss, der an der entscheidenden Sitzung einerseits die Luzerner Interessen durchzusetzen hat, gleichzeitig aber auch die bestmögliche Wahl für die Schule treffen soll. «Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Standort im Kanton Luzern, der ernsthaft in Frage kommt, derart viel schlechter ist», sagt Reto Wyss dazu gegenüber zentral+. Alle Standorte hätten Vor- und Nachteile.

Ob der Standortentscheid noch im Dezember fällt, lässt der Luzerner Bildungsdirektor offen. «Der Konkordatsrat wird aufgrund eines Berichts der Hochschule prüfen, ob dieser bereits die Grundlage für eine Entscheidung ist oder ob wir noch weitere Unterlagen zur Prüfung brauchen. Die getroffene Lösung soll schliesslich viele Jahre Bestand haben», so Wyss. Ob er sich aufgrund des Zielkonfliktes seiner Mandate als Interessenvertreter Luzerns und Ratspräsident auch vorstellen könne, in Ausstand zu treten? «Das müsste sich im Rahmen der Entscheidfindung zeigen».

Bericht unter Verschluss

Die Hochschule will sich nicht dazu äussern, welchen Standort sie bevorzugt. Mediensprecherin Cariola Sigrid: «Die Hochschule Luzern hat den Bericht erarbeitet, dieser ist aber nicht öffentlich.»

Reto Wyss betont, dass die Meinung der Hochschule zentral sei. «Es geht nicht darum, einem Kanton eine Freude zu machen, sondern eine Lösung zu finden, welche die Hochschule befürwortet und stärkt und eine Weiterentwicklung des Bildungsstandorts Zentralschweiz ermöglicht», sagt der Regierungsrat. Gleichzeitig schreibt der Kanton Luzern in seiner Medienmitteilung, dass ein Departement Informatik Luzern als Hochschulplatz und als attraktiven Wirtschaftsstandort stärke und im Interesse der Informatikbranche stehe. Dies klingt dann doch wieder nach Standortförderung.

Was sagen Luzerner Bildungspolitiker?

Mit diesem Wunsch ist Wyss beileibe nicht alleine. Die Einschätzung, dass die Informatik in Luzern bleiben solle, stösst im Kanton auf breiten Konsens. Unbedingt sogar, wie die grüne Kantonsrätin Monique Frey meint. «Der Standort Sursee, der ebenfalls diskutiert wurde, ist schon weit weg, Zug noch weiter.» Ausserdem werde der Grundsatz, dass man «die guten Leute in Luzern behalten will», andernfalls infrage gestellt. Zum anderen lobt das Mitglied der Bildungskommission die «effiziente zentralistische Organisation» der Hochschule Luzern.

Kann sich Luzern ein weiteres Departement leisten?

Doch kann sich der Kanton Luzern angesichts seiner finanziellen Lage dieses weitere Department überhaupt leisten? Der Standortkanton jedes Departements zahlt neben dem normalen Beitrag an die Hochschule auch einen Betrag für den «Standortvorteil». Dieser würde sechs Prozent des erwarteten Jahresumsatzes des neuen Informatik-Departements betragen. Gemäss Wyss rechnet man mit zusätzlichen 1,5 bis 2 Millionen Franken jährlich. Der CVP-Bildungsdirektor: «Die Luzerner Regierung ist der Meinung, dass es finanziell gerechtfertigt wäre, die Informatik in unserem Kanton anzusiedeln.»

Fragt sich nur, wie dies finanziert werden soll. Aktuell schreibt die Schule ein jährliches Defizit von drei bis fünf Millionen Franken. Bis in zwei Jahren wird das Eigenkapital der Schule aufgebraucht sein, wie Verwaltungsdirektor Andreas Kallmann in der Oktober-Ausgabe des Hochschulmagazins schrieb.

Bereit, die Mittel zu stellen

Dann müssten die Bürgerlichen halt ihre Steuerpolitik ändern, um mehr Einnahmen zu generieren, fordert Monique Frey: «Luzern muss sich das leisten». Dies findet auch Reto Wyss: «Die Luzerner Regierung ist der Ansicht, dieses Projekt hat ein grosses Potenzial, das Chancen für die Studierenden, die Hochschule und den Wirtschaftsstandort Luzern bietet. Darum ist die Regierung bereit, die notwendigen Mittel bereitzustellen».

Adrian Bühler (CVP), ebenfalls Mitglied der Bildungskommission, weist auf die vom Kantonsrat im letzten Jahr unterstützte Strategie für die Weiterentwicklung der Hochschulen in Luzern hin. «Wir haben 2012 festgelegt, dass sich die Hochschule an vier Orten entwickeln soll, in Luzern, Horw, Emmen und Zug.» Zug sei deshalb eine Option, die vom Konkordatsrat ernsthaft geprüft werden müsse. «Es wäre nicht redlich, jetzt von der beschlossenen Strategie abzurücken und einen Standort kategorisch auszuschliessen nach dem Motto, dass alle Departemente in Luzern sein müssen.» Zur finanziellen Belastung des Kantons Luzern sagt der Vizepräsident der CVP-Fraktion: «Wir müssen genau prüfen, ob wir das finanziell stemmen können.»

Zuger Bildungskommission begrüsst Projekt

In Zug hat sich die Bildungskommission des Kantonsrats im Zusammenhang mit dem Leistungsauftrag 2013-2015 mit der Standortfrage des Informatik-Departements befasst. Hier besteht eine breite Zustimmung für die Ansiedlung eines Departementes Informatik. Dass Zug damit einen höheren Standortbeitrag leisten müsste, wurde zur Kenntnis genommen.

An der Beratung vom 11. November nahmen auch der Zuger Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel und der Rektor der Hochschule Luzern, Markus Hodel, teil. Martin Pfister (CVP), Präsident der Bildungskommission erklärte auf Anfrage: «Der Regierungsrat und die Hochschulleitung haben uns den Standort Zug schmackhaft gemacht.»

Die in Zug gehörten Argumente sind denn auch nicht von der Hand zu weisen. Im Kanton Zug sind zahlreiche Informatik-Unternehmen tätig. Und mit der Nähe zum Grossraum Zürich könnten zusätzliche Studierende angezogen werden. Dieser Effekt sei beim Institut für Finanzdienstleistungen der Hochschule eingetreten, das bereits in Zug angesiedelt ist. Aus bildungspolitischer Sicht begrüsse die Bildungskommission das Vorhaben eines Informatik-Departements in Zug. Die Kommission habe aber nur zum Leistungsauftrag wirklich etwas zu sagen, erklärt Pfister.

Verlockendes Angebot aus Zug

Ein Argument, das die Standortwahl beeinflussen könnte, sind die klammen Finanzen Luzerns. Bereits beschlossen hat der Zuger Regierungsrat ein verlockendes Angebot: Neben der Standortabgeltung, die Zug übernehmen würde, will sich der Kanton an der Anschubfinanzierung beteiligen, wie er das bereits beim Institut für Finanzdienstleistungen und dem Institut für Wissen, Energie und Rohstoffe gemacht hat.

Lobbying in Horw

Während die Politik auf die Entscheidung des Konkordatsrats wartet, lobbieren andere dafür, dass das Departement im Kanton Luzern realisiert wird. So auch Gallius Appius, von 1977 bis 1995 verantwortlich für Informatik an der Vorgängerschule, dem Zentralschweizerischen Technikum Luzern in Horw. In einem Leserbrief in der «Neuen Luzerner Zeitung» verweist er auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit an der Schule. «Es gibt keine Informatik ohne Technik, aber auch keine Technik ohne Informatik». Die aktuellsten Informatikanwendungen sind laut Appius meistens Nebenprodukte von Forschungsarbeiten.

Die Position, so Appius gegenüber zentral+, widerspiegle sowohl seine Meinung wie auch jene der Schule in Horw. Er habe seinen Leserbrief einem Mitglied der Schulleitung vorgelegt und dieser habe nichts beanstandet. Der Diplom-Ingenieur ETH findet es im Übrigen unerhört, die Frage nach einem anderen Standort überhaupt zu stellen. Es sei logisch, dass die Informatik im bestehenden Departement Technik und Architektur integriert werden müsse. Alles andere erachtet er als «Schwächung» der Hochschule. Zudem habe die Schule mit dem Erwerb von Landreserven schon früh für einen Ausbau vorgesorgt.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von kad
    kad, 10.12.2013, 07:52 Uhr

    Die Attraktivität einer Fachhochschule kann nicht nur über die Finanzierung erzeugt werden, sondern über einen interaktionsfördernden Campus, der interdisziplinäres Zusammenarbeiten fördert. Für Studierende ist ein Studium das ein hin- und herpendeln zwischen mehreren Standorten erfordert auf alle Fälle auch wenig anziehend. Und dies wäre wohl nötig, um auch in den Grundlagen und angewandten Gebieten entsprechende Ausbildung (Labors, interdisziplinäre Projekte) zu bekommen.
    Deshalb gehört eine Informatikabteilung nach Horw/Luzern.
    Auch Foschungseinrichtungen profitieren von der räumlichen Nähe verschiedener Institutionen (z. b. iHomeLab zw. Elektro- und Gebäudetechnik, Informatik, Design und Sozialwissenschaften).

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon