Florian Mauchle – ein Pirat für den Nationalrat

Nägel lackieren mit Piratenpräsident

Die Zentralschweizer Piratenpartei kandidiert für alles, was überhaupt möglich ist. zentral+ traf den Präsidenten Florian Mauchle. Eine Irrfahrt durch ein Gespräch, dessen roter Faden innert Sekunden verloren ging.

Der Präsident der Zentralschweizer Piratenpartei geniesst einen der letzten Sommertage im Café Luz. Wobei geniessen zu hoch gegriffen ist. Glaubt man Florian Mauchles Tweets, zählt er die Stunden, bis es wieder kühler wird. Seine Kleidung ist dennoch sehr sommerlich. Er erscheint im leuchtenden, piraten-orangen Polo-Shirt, die Fingernägel der linken Hand sind passend bemalt.

«Was, Sie wollen die Hand fotografieren? Dann muss ich das schon noch etwas verbessern», sagt er und kramt kurzerhand den entsprechenden Nagellack aus seiner Tasche. Und während er so malt, erklärt er: «Eigentlich gehört auf den Nagellack noch ein Top Coat drauf, damit die Farbe nicht abblättert. Den finde ich aber gerade nicht mehr.»

Mit einer Spock-Pose hat sich Mauchle auf Google Street View verewigt. Unverpixelt, versteht sich.

Mit einer Spock-Pose hat sich Mauchle auf Google Street View verewigt. Unverpixelt, versteht sich.

(Bild: Google Street View)

Hyperaktiv auf Twitter

Bereits bei den ersten Notizen der Autorin bemerkt Mauchle: «Aha, eine Southpaw». Und hat damit korrekt  bemerkt, dass die Interviewerin Linkshänderin ist. Überhaupt scheinen ihm keine Details zu entgehen. Er merkt innert Minuten, dass Christoph Mörgeli wieder auf Facebook anzutreffen ist, sieht, wenn sich «Tatortreiniger» nach Menzingen verirren und welche Plakate vor welchem Laden hängen.

«Ausserdem gebe ich zwar sehr viel, aber bei weitem nicht alles preis. Das kann auch eine Strategie sein: Unter der grossen Menge ist es schwierig, das zu finden, was mich ausmacht.»

Florian Mauchle, Präsident der Piratenpartei Zentralschweiz

Wieso man das alles weiss? Mauchle ist äusserst aktiv, wenn nicht gar hyperaktiv auf Twitter vertreten, macht beinah stündlich Einträge. Widerspricht sich das nicht? Die Piratenpartei setzt sich doch intensiv dafür ein, dass private Daten nicht nach aussen gelangen. «Nein, es geht vielmehr darum, dass ich selber entscheiden kann, welche Daten von mir öffentlich werden. Ausserdem gebe ich zwar sehr viel, aber bei weitem nicht alles preis. Das kann auch eine Strategie sein: Unter der grossen Menge ist es schwierig, dass zu finden, was mich ausmacht.»

Das kann sein, Mauchles Twitteraccount ist ein lieblicher, kunterbunter Themen-Kompott, der den Followern gut verdaulich und mit einer grossen Portion Humor aufgetischt wird. Dennoch zeichnen sich Muster ab. So sticht Mauchles Affinität für Medien und die momentane Flüchtlingssituation klar heraus. Aber immer wieder taucht auch das Thema ÖV und insbesondere SBB auf. Diese thematisiert Mauchle so oft, dass er mittlerweile bereits zu SBB-Anlässen eingeladen wird und offenbar als seriöse Ansprechperson angesehen wird.

«Letzthin bin ich in einem Zugswagen gefahren, unter dem es seltsam gerattert hat. Mir war klar, dass das der Lokführer nicht hören konnte und schickte eine Twittermeldung mit der entsprechenden Zugsnummer an die SBB. Zwei Stationen später stieg der Zugführer tatsächlich aus und schaute unter dem Zug nach.» Die SBB bedankte sich später bei Mauchle.

Adieu roter Faden

Es ist schwer, mit dem Piraten ein gradliniges Interview zu führen. Aus einer ulkigen Geschichte entspringt die nächste, Adieu roter Faden. «Rückmeldungen von der SBB bekam ich aber bereits vor dem Twitter-Zeitalter. 2002 habe ich häufig mein Laptop-Kabel in den inoffiziellen Zugsteckdosen eingesteckt. Ein Kondukteur hat mich einmal angefahren, ich solle das gefälligst unterlassen. Daraufhin habe ich mir eine schriftliche Bestätigung der SBB zusenden lassen, in der deklariert war, dass ich diese Steckdosen auf eigene Gefahr benützen könne.»

Mauchle wohnt im Menzinger Edlibach. Da fährt er ja vor allem mit den Zugerland Verkehrsbetrieben. Warum liest man darüber kaum was? «Die ZVB hat keine Online-Strategie und entsprechend keinen Twitteraccount. Wenn ich dort etwas beanstande, erhalte ich häufig Antwort auf Papier.»

 «Letzthin hat mir grad jemand gesagt, ich solle mich erwachsener verhalten. Lustig war das, weil diese Person zwölf Jahre jünger als ich ist.»

Florian Mauchle

Das Scrollen durch Mauchles Twitteraccount hinterlässt das starke Gefühl, dass er zu allem, was er tut, einen sehr verspielten Zugang hat. «Das stimmt. Ich schaue gern, wie die Dinge aufgebaut sind. Sei das in der IT, der Architektur oder bei Gesetzen. Und dann konzentriere ich mich auf die Lücken.» Natürlich gibt es dazu umgehend die passende Anekdote. «Als ich meine frühere Freundin jeweils vom Flughafen abholen ging, versuchte ich mehrmals, ohne Ticket in den Airside Bereich zu gelangen.» Kunstpause. – Ja und, hat’s geklappt? «Drei von fünf Mal hab ich’s geschafft.»

«Don’t grow up, it’s a trap»

Er lebe ganz nach dem Motto «Don’t grow up, it’s a trap». «Letzthin hat mir grad jemand gesagt, ich solle mich erwachsener verhalten. Lustig war das, weil diese Person zwölf Jahre jünger als ich ist. Ich bin der Ansicht, man sollte den Ernst des Lebens nicht so ernst nehmen.» Dass sich Mauchle dieses Motto zu Herzen nimmt, glaubt man ihm. Doch ist es nicht so, dass er nix Gescheites auf die Reihe bringt. Der Piraten-Präsident studiert an der Universität Luzern Jus und kandidiert, ziemlich beiläufig, auch für den Nationalrat.

Erstaunlich ist das nicht. Mauchle hat vor einem Jahr bei den Zuger Wahlen (zentral+ berichtete) bereits für den Gemeinde- und den Kantonsrat kandidiert. Sein Kollege Stefan Thöni zudem für den Regierungsrat. Dieses Jahr probiert’s Thöni beim Ständerat. Eine Nationalratskandidatur ist da quasi die logische Folge, will man die ganze Palette abdecken. Nur: Letztes Jahr verliefen die Piratenkandidaturen im Sand. «Es ist schade, dass es nicht gereicht hat. Das Resultat war quasi eine direkte Auswirkung der Hürde, die beim aktuellen Wahlsystem besteht.»

«Mittlerweile werden wir zumindest gehört im Kanton.»

Florian Mauchle

Aber seien wir doch mal ehrlich. Grosse Chancen hat die Piratenpartei im Kanton Zug nicht. Warum sollte das dieses Jahr anders werden? «Mittlerweile werden wir zumindest gehört im Kanton. Wir haben unsere Ansprechspartner, die Verbindungen sind also da. Wir können uns hinter den Kulissen, also quasi mit Lobby-Arbeit besser einbringen.» Ungünstig sei, dass die grossen Themen der Piratenpartei – Urheberrecht, Umwelt- und Drogenpolitik – national geregelt seien und nicht kantonal.

Nun wieder zurück nach Island

Und dennoch rechnet sich Mauchle Chancen aus. «Das Bewusstsein für die Datensicherheit hat in den letzten Jahren zugenommen, nicht zuletzt wegen Edward Snowden.» Und was erhofft er sich für die Wahlen im Oktober? «Zwei Sitze im Nationalrat wären mordsmässig, ein Sitz ist aber durchaus realistisch. Die Grundrechte des Menschen werden durch das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs zu stark beschnitten. Und wir Piraten könnten in diesem Bereich grosses Wissen mitbringen.»

Egal, worüber man mit dem Edlibacher redet. Nach mindestens fünf Minuten landet er in Island. Zumindest in Gedanken. «Seit fünf Jahren reise ich jedes Jahr mindestens einmal nach Island. Ausserdem nehme ich wöchentlichen Isländisch-Unterricht.» Ob er denn auswandern wolle? «Irgendwann später vielleicht. Island ist quasi meine Art von Südseeinsel.»

«Ich war eine Zeit lang so aktiv auf Twitter, dass die Leute nach sechs Stunden schon gefragt haben, was los sei, wenn ich mal offline bin.»

Florian Mauchle

Das Gespräch mit Mauchle dauert ungefähr eineinhalb Stunden. Werden seine 2853 Follower nicht langsam nervös, wenn er sich so lange nicht meldet?

«Ich habe vorhin einen Tweet versandt mit dem Hashtag ‹twoff›, also Twitter Off. Aber ja, ich war eine Zeit lang so aktiv, dass die Leute nach sechs Stunden schon gefragt haben, was los sei, wenn ich mal offline war. Mittlerweile melden sie sich erst nach etwa 24 Stunden.»

 

Florian Mauchle hat sich extra für's Interview ins Piratenorange geworfen.

Florian Mauchle hat sich extra für’s Interview ins Piratenorange geworfen.

(Bild: wia)

 

Nägel lackieren mit Piratenpräsident
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