Ausstellung im Luzerner Himmelrich

Treten Sie ein!

Eintauchen in andere Welten: Das «Zwischenrich» ist vom 2. bis zum 5. September für Besucher geöffnet.. (Bild: azi)

Knapp zwei Monate lang haben sich die Künstler im «Zwischenrich» ausgetobt – nun ist das Resultat für die Öffentlichkeit zugänglich. zentral+ hat sich umgesehen. Und nicht schlecht gestaunt.

Die Himmelrich-Siedlung in der Luzerner Neustadt steht vor dem Abbruch. Die ganze Siedlung wird ab Mitte September abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Doch vorerst gingen die Schlüssel von über 60 Wohnungen an der Tödistrasse 9 bis 17 an Kunst- und Kulturschaffende (zentral+ berichtete). Von Ende Juli bis anfangs September konnten sie sich in den Abbruchwohnungen verwirklichen.

Nun ist das «Zwischenrich» vom 2. bis zum 5. September für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Künstler zeigen in einer Ausstellung ihre Werke und Projekte. zentral+ begab sich auf einen Augenschein vor Ort.

Unser erster Halt ist bei Kurt F. Hunkeler. Seine Ausstellung steht unter dem Titel «Wild Brav». Während sich Hunkeler in seinem «wilden Raum» innert kürzester Zeit voll austoben konnte, präsentiert er im Nebenraum Bilder, zu deren Erstellung er Monate bis hin zu Jahren benötigt hatte. Anstatt knalliger Farben und Chaos dominieren dort geometrische Formen und Pastelltöne.

Kurt F. Hunkeler steht in seinem «wilden Raum». (Bild: azi)

Kurt F. Hunkeler steht in seinem «wilden Raum». (Bild: azi)

Der Berufskünstler scheint die Zeit im Himmelrich zu geniessen. «Es ist ein Ort für Auseinandersetzungen, Gespräche über Kunst, Gott und die Welt», so Hunkeler. Vielleicht sogar die Gelegenheit, eines seiner Bilder zu verkaufen. «Das würde mich natürlich freuen», sagt er. Viel wichtiger ist ihm jedoch der Tapetenwechsel. «Die Zeit hier war sehr inspirierend.»

Zeit zum Loslassen

Nicht ausgelassen werden darf natürlich ein Besuch bei dem Künstler-Duo, das sich mit seinem Wandbild in die Herzen der Luzerner katapultierte – die Rede ist von Veronika Bürgi und Marco Schmid von QueenKong (zentral+ berichtete). «Es tut uns nicht weh, dass hier alles abgerissen wird», sagt das Künstlerpaar, das bis vor kurzem noch selber in der Himmelrich-Siedlung wohnhaft war. «Wir haben es gewusst, bevor wir uns darauf eingelassen haben.»

Hinter QueenKong stehen Veronika Bürgi und Marco Schmid. (Bild: azi)

Hinter QueenKong stehen Veronika Bürgi und Marco Schmid. (Bild: azi)

Die beiden arbeiten in «ihrer» Wohnung an verschiedenen Projekten. «Für uns hat das hier alles mit loslassen und Abschied nehmen zu tun», sagt Bürgi. Es sei ein heilsamer Prozess, der zugleich auch für einen Neubeginn stehe.

Wird man in Luzern schon bald mehr von QueenKong sehen? «Wir würden uns natürlich sehr freuen», sagen sie. Das sei allerdings nicht ganz so einfach, bedauern die beiden international bekannten Künstler. «Wenn es eine Möglichkeit gäbe, dann würden wir sie auf jeden Fall ergreifen.»

Die Simmung im «Zwischenrich» ist ausgelassen, der Besucheransturm bei der Eröffnung bereits gross. Denn hier gibt es was zu sehen. Während Musik und Gelächter aus verschiedenen Wohnungen strömen, stösst man im Treppenhaus auf ehemalige Bewohner der Himmelrich-Siedlung, die sich ansehen wollen, was aus ihrem ehemaligen Zuhause geworden ist. Enttäuscht scheint hier niemand zu sein, auch wenn darin teilweise Kunst vorzufinden ist, die nicht jedermanns Geschmack trifft.

Ein Tempel für einen Guru

Vor einer Wohnung heisst es, dass die Schuhe vor dem Eintreten auszuziehen seien. Denn hier betritt man keinen normalen Ausstellungsraum, sondern einen Tempel. Errichtet für den Guru Nin, dem Oberhaubt der Religionsgemeinschaft der Mamba. Entsprungen ist die Glaubensgemeinschaft der Vorstellungskraft von Joel Sutter, dessen dunkle Kunst nicht selten polarisiert (zentral+ berichtete).

Joel Sutter in einem Raum seines Mamba-Tempels. (Bild: azi)

Joel Sutter in einem Raum seines Mamba-Tempels. (Bild: azi)

Mit seiner fiktiven Gemeinschaft wolle er die Praktiken und das Prinzip von Religionen illustrieren. «Obwohl ich selbst als Atheist geboren bin, respektiere ich den Glauben anderer Menschen.» Dennoch will er einen kritischen Blick darauf werfen. Denn: Menschen mit bestimmten Voraussetzungen würden leicht in den Sog einer solchen Gemeinschaft, wie er sie geschaffen hat, geraten.

Wie bereits in seinen früheren Arbeiten hat er beim Projekt «Mamba» alles akribisch durchgedacht, gar eine eigene Schrift und Symbole (siehe Bildergalerie) entwickelt. In den verschiedenen Räumen der Wohnung sind ein Pendel, ein Orakel, Bilder und einige Skulpturen vorzufinden. Nicht zuletzt der Guru Nin, der im Herzstück des Tempels vorzufinden ist – und dem von den Besuchern ein Blutopfer dargeboten werden muss. Eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte.

Schwimmen mit Delfinen

Auch wer schon immer einmal mit Delfinen schwimmen wollte, kommt im «Zwischenrich» auf seine Kosten. Buchautorin Marlis Bühler zeigt uns im Badezimmer auch gleich wie das geht.

Schwimmt in der Badewanne mit Delfinen: Marlis Bühler. (Bild: azi)

Schwimmt in der Badewanne mit Delfinen: Marlis Bühler. (Bild: azi)

Den «Delfinraum», der sich über eine ganze Wohnung erstreckt, hat sie gemeinsam mit Kolleginnen gestaltet. Auch Schulklassen waren vor Ort und haben mit den Eltern die Wände gestaltet. «Es sollte mehr solche Begegnungsräume geben», sagt Bühler. «Mit dem Delfinraum möchte ich der Öffentlichkeit einen kraftvollen Ort zur Verfügung stellen, in dem sie positive Energien tanken können.»

Ein Raum zum Nachdenken

Yvonne Emmenegger von Art Lozärn vor ihrer Goldengelwand. (Bild: azi)

Yvonne Emmenegger von Art Lozärn vor ihrer Goldengelwand. (Bild: azi)

Yvonne Emmenegger von «Art Lozärn» hat sich in einem ihrer Räume mit dem «in der Freude schlummernden Bösen» beschäftigt. «Das ist in allem, was wir tun, vorzufinden», sagt sie und will mit ihrer Objektkunst und ihren Installationen zum Nachdenken anregen.

Zum Nachdenken regt im «Zwischenrich» so einiges an. Sei es «Barbie Porn» (siehe Bildergalerie) oder die Frage, warum Luzern so lange gebraucht hat, um einen derart lebendigen Raum für Kunst und Kultur zu schaffen. Und dass dessen Tage leider bereits gezählt sind – oder schon von Beginn gezählt waren.

Eindrücke von den Abbruchtagen im Zwischenrich. (Bild: azi)

Eindrücke von den Abbruchtagen im Zwischenrich. (Bild: azi)

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1 Kommentar
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    coolarts.ch, 03.09.2015, 09:00 Uhr

    Schade gibt es solche öffentlichen Räume nicht dauerhaft. Es ist eine Bereicherung für jede Stadt.

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