Interview mit Ständerat Konrad Graber

Der Favorit will nicht untergehen

Beim Orientierungslauf schlägt der Puls von Ständerat Konrad Graber beachtenswert tief. Aber in der Politik geht er manchmal über 180. (Bild: bra)

Der Krienser CVP-Mogul Konrad Graber kandidiert für eine dritte Amtszeit als Ständerat: Frisch verschwitzt treffen wir den Spitzenpolitiker im OL-Outfit auf dem Krienser Hausberg. Er spricht über dicke Verwaltungsratsmandate und erklärt, warum er Respekt vor einer starken Konkurrenz hat und in welchen Situationen er mal «schwierig» werden kann.

Am 18. Oktober finden die nationalen Wahlen statt. In einer Serie stellt zentral+ die sieben Luzerner Ständeratskandidaten vor. Ausgerüstet mit Karte, Kompass und Pulsuhr treffen wir den Luzerner CVP-Ständerat Konrad Graber auf dem Sonnenberg. Hobby: Orientierungslauf.

Sein Pulsschlag bewegt sich nach dem Jogging bis hier oben zwischen 120 und 130. Tief durchatmen – Zeit für eine kleine Pause und ein Gespräch. Der 57-Jährige wirkt ruhig, besonnen und offensichtlich: ausdauernd. Er braucht keine lauten Töne, um sich Gehör zu verschaffen. Aber kann diesen erfahrenen Poltiker wirklich nichts aus der Fassung bringen? 

zentral+: Herr Graber, warum treffen wir Sie gerade hier oben?  

Konrad Graber: Sie haben mich bestellt (lacht). Nein, im Ernst: Das hier oben ist meine Erholungszone. Ich wohne ganz in der Nähe. In dieser Umgebung kann ich mich bei einem Rundlauf über den Sonnenberg gut entspannen. Ich versuche, pro Woche mindestens einmal hier hoch zu kommen. 

zentral+: Brauchen Sie den Orientierungslauf, um von der Politik Abstand zu nehmen?

Zur Person

Konrad Graber war von 1985 bis 1989 Krienser Einwohnerrat. 1987 wurde er in den Luzerner Kantonsrat gewählt, dem er bis 2007 angehörte. Von 1997 bis 2001 amtete er als Präsident der kantonalen CVP. Bei den Parlamentswahlen 2007 wurde er als Vertreter des Kantons Luzern in den Ständerat gewählt.

Konrad Graber arbeitet als Wirtschaftsprüfer bei der BDO Visura AG, als Verwaltungsratspräsident der Emmi AG und als Verwaltungsrat der Krankenkasse CSS. Er ist verheiratet und wohnt in Kriens. 

Graber: Ja, bei einem Orientierungslauf muss man abschalten. Sonst verläuft man sich. Ich kann dann an nichts anderes denken und bin fokussiert. Ausser ein Reh lenkt mich ab, oder ein Helikopter. So bin ich auch schon vom Weg abgekommen. 

zentral+: Wie sieht es in der politischen Landschaft aus, wann verlieren Sie da die Orientierung? 

Graber: So richtig verloren habe ich mich in der Politik noch nie. Da kann man sich immer helfen lassen. Es gibt schon Dossiers, die mir inhaltlich nicht so vertraut sind. Zum Beispiel die Asylpolitik oder komplexe Staatsverträge. Eher vertraut bin ich dafür mit Vorlagen zur Wirtschafts-, Verkehrs- oder Gesundheitspolitik.

zentral+: Können Sie in 30 Sekunden erklären, warum Luzernerinnen und Luzerner Sie wieder wählen sollten? 

zentral+: Sie zählen seit Jahren zur nationalen CVP-Spitze. Da munkelt man so dies und das über Ihre Ambitionen. Wann werden Sie Bundesrat? 

Graber: Das ist kein Thema (lacht). Ich muss ja erstens wollen und zweitens können. Bei mir trifft beides nicht zu. Ich erinnere mich an den Hinweis des CVP-Politikers Alphons Egli. Er war Ständerat wie ich, später wurde er in den Bundesrat gewählt. Als er mir zur Wahl in den Ständerat gratulierte, schrieb er, dass das Amt des Ständerates das schönste Amt sei, welches die Schweizer Eidgenossenschaft zu vergeben hat. Das habe ich mir gemerkt. Und ich glaube, er hat recht. 

zentral+: Wie können Sie jetzt schon wissen, dass Bundesrat sein nicht auch schön sein kann? 

Graber:  Die Sache ist die: Ich wäre schon viel früher in Richtung Berufspolitik, also zum Beispiel Regierungsrat, geschwenkt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass ich in Zukunft nur noch Politik mache. Und mir gefällt es im Stöckli. Der Ständerat ist für mich perfekt, und ich kann viel bewegen. Wenn sich zum Beispiel drei Ständeräte inhaltlich finden, ist das bereits ein Viertel einer Kommission. Zudem ist in der kleinen Kammer eine gewisse Kollegialität vorhanden und man diskutiert sachpolitisch. Die Parteilinie spielt eher eine zweitrangige Rolle. 

zentral+: Was wollen Sie für Luzern erreichen? 

Graber: Ein grosses Anliegen ist der Durchgangsbahnhof. Die nächsten vier Jahre werden entscheidend sein, ob wir das Projekt – wortwörtlich – auf die Schiene bekommen. Ansonsten gibt es noch ganz viele andere Themen, wie der Finanzausgleich und die Finanzierung des Verkehrshauses, welche für Luzern relevant sind. 

Die Ausrüstung des OL-Läufers: Kompass, Karte, Pulsuhr.

Die Ausrüstung des OL-Läufers: Kompass, Karte, Pulsuhr.

(Bild: bra)

zentral+: Viele Beobachter sagen, Sie hätten den Ständeratssitz schon so gut wie sicher. Ist das nicht ein wenig langweilig für Sie? 

Graber: Nein, so sicher ist der nicht. Ich hatte noch nie so grosse Konkurrenz wie jetzt. 

zentral+: Ach ja?  

Graber: Ja. Es treten prominente Mitbewerber an, die selber mindestens Nationalräte sind. Vor den letzten Wahlen war einzig Georges Theiler (FDP) als Nationalrat im Rennen. In diesem Jahr sind aber fast alle Spitzenkandidaten Bundesparlamentarier. Da steigt das Risiko für mich, dass ich zwischen Stuhl und Bank fallen könnte. Es könnten alle um den frei werdenden Sitz des abtretenden Georges Theiler kämpfen, und mich vergisst man im Tumult. 

zentral+: Wäre Ihnen das peinlich? 

Graber: Das würde mich bestimmt sehr enttäuschen. Deshalb muss ich ja genauso Wahlkampf betreiben wie die anderen. 

zentral+: Und wie packen Sie den Wahlkampf dieses Jahr an? 

Graber: Ungefähr gleich wie beim letzten Mal. Es werden Plakate aufgehängt, Interviews gegeben, Inserate geschaltet und viele Auftritte organisiert. Übertreiben werde ich es nicht, aber ich bin bestimmt mehr präsent, als in einem «normalen» Amtsjahr. 

«Facebook beherrsche ich nicht.»

zentral+: Sie haben momentan nur acht Likes auf Ihrem offiziellen Facebookprofil. Nicht gerade viel, oder? 

Graber: Nein, das beherrsche ich nicht. (lacht). Ich bin da eher passiv auf dieser Plattform. Ehrlich gesagt verschafft es mir zu viel Arbeit und ich sehe den Nutzen zu wenig. Meinen Blog pflege ich aber regelmässig. 

zentral+: Ein Blick zurück auf Ihre letzte Legislatur. Wo mussten Sie Niederlagen einstecken? 

Graber: Eine Niederlage war es nicht direkt, aber mir fällt zum Beispiel die Diskussion rund um die Gotthardröhre ein. Ich habe mich gegen den Bau einer zweiten Röhre am Gotthard gewehrt. Das Parlament hat aber anders entschieden. Ich bin in dieser Frage auch heute noch anderer Meinung als meine Partei und Bundesrätin. Ich weiss dabei aber auch gute Argumente auf meiner Seite. Schliesslich war ich in der Kommission, die dieses Geschäft intensiv vorberaten hat. Ich bin nach wie vor überzeugt: Weder die Schweiz noch der Kanton Luzern brauchen eine zweite Gotthardröhre. Es ist naiv zu glauben, eine zweite Gotthardröhre werde nur einspurig befahren werden. Kommt dazu, dass Anfang Juni nächsten Jahres die NEAT eröffnet wird.

 

Ich Reich der Mitte: Das politische Profil von Ständerat Konrad Graber.

Ich Reich der Mitte: Das politische Profil von Ständerat Konrad Graber.

zentral+: Und wo sahen Sie sich bei den Siegern?  

Graber: Auf ein einzelnes Projekt könnte ich das nicht beziehen. Ich glaube, dass alles in allem die Fabi-Botschaft ganz gut gelungen ist, also die neue Finanzierung der Bahninfrastruktur. Ich habe wesentlich dazu beigetragen. Es war schon erfreulich, dass der Ständerat die Vorlage einstimmig angenommen hatte und schlussendlich auch das Volk ja sagte. Und dies, obwohl die Mehrwertsteuer ein wenig erhöht wurde. 

zentral+: Sie stehen als Politiker fast nie in der Kritik. Sind Sie der perfekte Saubermann? 

Graber: Nein, das bin ich nicht. Aber ich suche nicht unnötig Konfrontationen.  

zentral+: Wann werden Sie denn mal «schwierig»?

Graber: Wenn ich merke, dass sich eine Diskussion im Kreis dreht. Oder wenn ich merke, dass ich mit dem Gegenüber reden kann, was ich will, und er oder sie geht partout nicht auf meine Argumente ein. Wenn es also irgendwie plakativ wird und dann irgendwas in die Welt posaunt wird. In der Gotthard-Diskussion habe ich das teilweise so erlebt. Aber glücklicherweise gilt im Ständerat normalerweise die Devise: Wenn man keine Ahnung von etwas hat, dann soll man sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Man hält sich meistens daran. 

«Meine Mandate sind kein Problem.»

zentral+: Wie viel Geld geben Sie für den Wahlkampf aus? 

Graber: Das ist schwierig zu sagen. Was von meiner Person her zusammenkommt, wird sich so in der Grössenordnung um die 20’000 Franken bewegen. Dazu kommen Klein-Spenden von ca. 10’000 Franken. Die CVP unterstützt die Wahlen noch zusätzlich. 

zentral+: Apropos Geld: Sie arbeiten in hohen und lukrativen Positionen für die Emmi und für die Krankenkasse CSS. Als Verwaltungsrat von Emmi verdienen Sie 225’000 Franken. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing? Das muss Ihre politische Unabhängigkeit stark tangieren. 

Graber: Nein, da sehe ich gar kein Problem. Ich bin kein Mandatssammler. Ich übte diese Mandate schon bereits vor meinem Einzug in den Ständerat aus. Zudem sind es nicht Alibi-Jobs, bei denen man viel verdient und nichts dafür tun muss. Die Honorare gehen zudem nicht in meinen Sack, sondern vollumfänglich an meinen Arbeitgeber BDO, der mir im Gegenzug die erforderliche Zeit und Infrastruktur zur Verfügung stellt. Alle beruflichen Positionen, die ich auch heute inne habe, waren vor meiner Wahl bekannt.

zentral+: Konkret: Mit einem Verwaltungsratsmandat für die Krankenkasse, das 90’000 Franken einbringt, würden wohl die meisten Menschen gegen eine Einheitskasse stimmen. 

Graber: Auch dieses Honorar geht an BDO. Allfällige Interessenkonflikte als Ständerat müssen zudem immer offen gelegt werden. Dies gilt bei jedem Votum oder bei jedem Vorstoss. Häufig wollen Parlamentskollegen eben wissen, wie es in den Branchen funktioniert und Fachkenntnisse werden geschätzt. So funktioniert unser Milizsystem. Sonst regiert die Verwaltung. Übrigens ist mein Nein zur Einheitskasse nicht besonders aufgefallen. Es wurde schliesslich von einer deutlichen Mehrheit der unabhängigen Stimmberechtigten bestätigt.

 

Ständerat Konrad Graber nimmt zu zwölf heiss diskutierten Fragen Stellung 

Sind Sie für die Homo-Ehe?

Nein. Ich bin für die eingetragene Partnerschaft. 

Sind Sie für die Legalisierung von Cannabis?

Nein. 

Sind Sie für ein neues Rahmenabkommen mit der EU?

Ja. 

Sind Sie für eine zweite Gotthardröhre?

Nein.

Sind Sie für den Lehrplan21?

Ja.

Sind Sie für eine Beschränkung der Zuwanderung?

Ja. Wir haben eine Initiative umzusetzen. Die Frage, wie dies geschehen soll, ist noch nicht beantwortet. 

Sind Sie für mehr Geld zugunsten der Armee? 

Ja, aber nicht so viel wie die Sicherheitspolitische Kommission fordert.

Sind Sie für eine Erhöhung des Rentenalters?

Ja, bei Frauen auf 65. 

Sind Sie für die Energiestrategie 2050?

Ja. 

Sind Sie für die Aufnahme zusätzlicher Asylbewerber?

Ja, falls sie wirklich Schutz brauchen.  

Sind Sie für die Förderung von externer Kinderbetreuung?

Ja.

Soll der Bund die Kulturförderung abschaffen?

Nein.

 

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Bereits erschienen in der Interview-Reihe:

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