Luzerner Strassenmusiker hat Bussen satt

«Lieber gehe ich in den Knast»

Der Strassenmusiker «Cello Inferno» bei der Arbeit. (Bild: zvg)

Gegen die 1’500 Franken: So viel hat der Strassenmusiker «Cello Inferno» bisher an Bussen bezahlt. Nachdem der Luzerner innert kürzester Zeit zwei weitere Geldstrafen aufgebrummt bekam, hat er genug – und zieht sogar ein paar Tage Gefängnis in Betracht.

Bewaffnet mit Gitarre, einem kleinen Verstärker und seinem Markenzeichen – der feuerspuckenden Kaffeekanne – macht sich Marcello Palermo, wie «Cello Inferno» mit bürgerlichem Namen heisst, immer wieder auf in die Schweizer Städte. Der Luzerner Strassenmusiker verdient sein täglich Brot mit seinem unkonventionellen Auftreten und seiner ebenso unkonventionellen Musik. Das freut die Touristen, Städter und alle anderen, die Zeit finden, dem «Country Blues Trasher» zumindest ein paar Minuten zuzuhören.

Keine Freude an seiner Strassenmusik hat allerdings die Berner Polizei. Kürzlich veröffentlichte Marcello Palermo auf Facebook zwei von der Berner Polizei ausgestellte Bussen in der Höhe von je 120 Franken. Der Grund: Wiederholtes Musizieren mit Verstärker. Nun hat der Strassenmusiker genug. Zumal er als Musiker auf den Verstärker mit einer Ausgangsleistung von zweimal 2,5 Watt angewiesen sei, wehrt er sich dagegen. Die Bussen zu bezahlen, kommt für ihn nicht in Frage. «Lieber gehe ich in den Knast», schreibt Palermo auf Facebook.

Strassenmusik in Luzern

Strassenmusik, Strassenartistik oder Strassenmalerei ist unter folgenden Bedingungen erlaubt:

  • Montag bis Samstag, ab 17-21.30 Uhr (Januar bis November)
  • Maximal 30 Minuten am gleichen Standort pro Tag
  • Maximal vier Tage pro Monat
  • Einzelperson oder Gruppen bis sieben Personen
  • Ausserhalb der Hörweite von anderen Darbietungen (Abstand von mindestens 50 Metern)
  • Der Mindestabstand darf unmittelbar bei Betrieben unterschritten werden, sofern deren Management damit einverstanden ist.
  • Passanten müssen frei zirkulieren können

Solidarität auf Facebook

Dies, obwohl ihm eine Welle der Solidarität entgegen kam. Auf die erhaltenen Bussen kamen Kommentare, wie: «Von mir gibt’s auch nen 20ger, freie Vögel gehören nicht in den Knast..!» Auch weitere Personen erklärten sich bereit, dem Strassenmusiker eine 20er-Note an die Bussen zu zahlen.

Bern ist, was das Reglement für Strassenmusik betrifft, liberaler als Luzern (siehe Box). Insbesondere die «Viermal pro Monat» bedeutet eine enorme Einschränkung für die Strassenmusiker. Für «Cello Inferno», wie Marcello Palermo als Künstler heisst, ist das Hauptproblem das Verbot des Musizierens mit Verstärkern. «Das ist extrem lächerlich», gibt er sogleich zu verstehen. Der Luzerner Strassenmusiker ist wütend. Sein Frust ist während des Gesprächs im Parterre durchaus zu spüren.

 

Vielen Dank an alle, die bereit sind, ein Teil der Busse zu übernehmen. Aber das löst das Problem nicht. Die nächste wird…

Posted by Cello Inferno on Dienstag, 25. August 2015

 

«Man muss als Strassenmusiker auffallen, wenn man etwas Geld damit verdienen will.»

Marcello Palermo alias «Cello Inferno»

«Die Strasse ist meine Bühne»

Mit einer Leistung von zweimal 2,5 Watt sei sein Verstärker, den er zwingend für seine Musik braucht, nicht lauter als beispielsweise eine Trompete. «Schliesslich braucht man als Strassenmusiker auch Präsenz. Man muss auffallen, wenn man etwas Geld damit verdienen will», sagt Palermo und er fügt an: «Die Strasse ist meine Bühne.» Seit fünf Jahren ist Marcello Palermo bereits unter dem Pseudonym «Cello Inferno» in den Schweizer Städten, unter anderem eben in Bern, Basel, Biel, Neuenburg, oder auch in Luzern, unterwegs. Zusätzlich verdient er sein Geld mit mittlerweile vier bis fünf gebuchten Auftritten pro Monat.

Während die Passanten und Touristen seine Kunst zu schätzen wüssten, ist er der Berner Polizei ein Dorn im Auge. «Es sind immer dieselben Polizisten. Die haben mich einfach satt», sagt Palermo und kann trotz seines Frusts auch darüber schmunzeln. Der Grund: «Ich war mal etwas frech, aber nie beleidigend», fügt Palermo an. «Die Polizisten wollten meinen Ausweis, worauf ich mit nein geantwortet habe.» Anschliessend sei er sofort notiert gewesen.

 

Die Blues Wurst!!!

Posted by Cello Inferno on Donnerstag, 16. Juli 2015

Ermessen jedes Polizisten

Nur schlechte Erfahrungen habe er mit den Ordnungshütern nicht gemacht. Schliesslich ist die Umsetzung des Gesetzes Ermessungssache. «Ich habe auch schon Polizisten erlebt, die kulant waren und mir gesagt haben, ich solle meinen Verstärker einfach nicht lauter machen. Dabei war der schon auf das Maximum eingestellt», sagt Palermo und lacht.

«Ich will Zähne zeigen.»

Marcello Palermo

Bisher knapp 1’500 Franken an Bussen

Die vielen «Stammfans» in den verschiedenen Städten und die monatlichen Gigs seien eine Bestätigung für ihn und seine Musik. «Deshalb macht es für mich keinen Sinn, einfach immer wieder die Bussen zu bezahlen. Denn neue werden sowieso wieder hinzu kommen», so der Strassenmusiker. Schätzungsweise 1’000 bis 1’500 Franken hat er bereits für Bussen liegen lassen. «Da gehe ich lieber zwei bis drei Tage in den Knast.»

Es solle ein Zeichen sein. «Ich will Zähne zeigen und mich nicht einfach widerstandslos ständig büssen lassen.» Allerdings versucht Marcello Palermo es noch auf formellem Weg, die Bussen abzuwenden. Dazu hat er einen Einsprachebrief an das Berner Polizeiinspektorat verfasst. Marcello Palermo beruft sich dabei auf die Wirtschafts- und Kunstfreiheit. «Allzu grosse Hoffnungen mache ich mir damit jedoch nicht», gibt Palermo zu.

Ihm sei durchaus bewusst, dass nicht allen seine Musik gefalle. «Es geht mir auch nicht darum, einfach die Polizei nur schlecht zu machen. Aber das Gesetz könnte schon individueller angewendet werden», betont Marcello Palermo.

Sicherheitspolizei macht Meldung

Die Luzerner Polizei sagt dazu: «Grundsätzlich ist es schwierig, die Strassenmusiker zu kontrollieren. Die Beamten stehen nicht mit der Stoppuhr daneben und schauen, dass ein Musiker ja nicht zu lange spielt», erklärt Kurt Graf, Mediensprecher der Luzerner Polizei, auf Anfrage. Die Sicherheitspolizei der Stadt kontrolliere diese und mache bei Missachtung eines Gesetzes Meldung an die Dienststelle «Stadtraum und Veranstaltung».

«In den meisten Fällen kam es zur Anzeige, weil mit Verstärkern musiziert wurde.»

Dominique Steiner, Orts- und Gewerbepolizei Stadt Bern

Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen der Stadt Luzern, erklärt: «Wenn wir eine Missachtung des Reglements gemeldet bekommen, erstatten wir Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft. Während im Jahr 2014 lediglich neun Strafanzeigen im Zusammenhang mit Strassenmusik erstellt wurden, waren es dieses Jahr bisher 27. «Rund ein Dutzend Anzeigen davon betreffen ein und dieselbe Person, die sich nicht für die geltenden Regeln zu interessieren scheint», fügt Lütolf an. Allerdings sei die Zahl nicht ganz vollständig, da die Anzahl der Wegweisungen darin nicht enthalten sind, so Lütolf.

Stadt Bern: 48 Anzeigen bisher

Auch bei der Berner Polizei waren es so einige Anzeigen bisher im 2015, was auf den schönen Sommer zurück zu führen sei. «48 Anzeigen haben wir im Zusammenhang mit Strassenmusik in diesem Jahr ausgestellt», sagt Dominique Steiner, stellvertretende Leiterin der Orts- und Gewerbepolizei der Stadt Bern, auf Anfrage. «In den meisten Fällen kam es zur Anzeige, weil mit Verstärkern musiziert wurde.» Zur Kritik von Marcello Palermo sagt Steiner: «Die Lautstärke ist vom Empfinden her nicht messbar. Wir laufen nicht mit Dezibel-Messern herum und überprüfen alle Strassenmusiker.» Man könne schliesslich keine Gesetze machen, die man in der Praxis nicht umsetzen könne.

Unfaires Gesetz oder notwendige Beschränkung? Was halten Sie davon, dass mit Verstärkern auf den Strassen nicht musiziert werden darf? Schreiben Sie Ihre Meinung als Community-Mitglied ins Kommentarfeld.

Bern als Goldgrube für Strassenmusiker

Nebst dem, dass in der Stadt Bern die Regeln für Strassenmusiker liberaler sind als in Luzern, gilt Bern als Goldgrube für Strassenmusiker. «120 Franken Verdienst pro Stunde sind in Bern gut möglich», sagt Marcello Palermo. Zu Spitzenzeiten habe er auch schon 300 Franken die Stunde eingespielt. Die Regeln in Bern:

  • Sieben Stunden pro Tag darf gespielt werden
  • Strassenmusik ist in der Spital- und Marktgasse erlaubt
  • Die Bahnhofsunterführung ist für Strassenmusiker tabu
  • Sonntag ist Ruhetag
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marina
    Marina, 05.09.2015, 14:23 Uhr

    Ich persönlich mag Strassenmusiker, wenn sie etwas können und man merkt, dass musizieren für sie primär eine Leidenschaft und nicht ein Erwerbseinkommen ist. Die bandenmässigen Handorgelspieler ohne Können braucht es allerdings in keiner Stadt…

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