Wie Luzern ins Brunnennetz investiert

Teure Erfrischung: Trinkwasser aus 225 Brunnen

Immer im Fluss: Die Luzerner Brunnen – hier der restaurierte Zeughausbrunnen – sprudeln rund um die Uhr – und verursachen entsprechend hohe Kosten. (Bild: cha)

Der Sommer macht durstig. Neben dem hauseigenen Wasserhahn kann man seinen Durst in der Stadt an 225 Brunnen löschen. zentral+ weiss, was die Brunnen mit dem Internet verbindet, wo das Wasser herkommt, warum sie im Katastrophenfall so wichtig sind — und aus welchem Brunnen man besser nicht trinken sollte.

Luzern ist vom Wasser geprägt – einst Fischerdorf, dann Handelsort und heute weltbekannte Tourismusdestination. Wer sich in Luzern auf die Suche nach Brunnen macht, wird schnell einmal fündig – eine erfrischende Nachricht, besonders in diesen heissen Sommertagen (zentral+ berichtete).

Rund 225 Brunnen stehen laut Stadtverwaltung auf Stadtgebiet, 166 davon sind öffentlich zugänglich, wovon wiederum 79 auch auf öffentlichem Grund stehen. 59 Brunnen sind ausschliesslich privat. Primitiv bis prachtvoll – das Aussehen der Wasserstellen ist so unterschiedlich wie ihre Verteilung.

Nur ein Teil der rund 225 Brunnen in der Stadt Luzern: Kartenausschnitt aus der neuen Brunnen-App.

Nur ein Teil der rund 225 Brunnen in der Stadt Luzern: Kartenausschnitt aus der neuen Brunnen-App.

(Bild: Lucerne Water Guide)

Prachtvolle Zeugen alter Bildhauerkunst findet man auf repräsentativen Plätzen der Altstadt. So etwa den Fritschibrunnen auf dem Kapellplatz oder den Barfüsserbrunnen auf dem Franziskanerplatz. Einfach, aber nicht weniger erfrischend, wirken die kleineren und versteckten Quartierbrunnen in den engen Gassen und Winkeln Luzerns Altstadt.

Manchmal sorgen die Zeugen der Vergangenheit sogar für Aufsehen. So wie 2014 der Zeughausbrunnen an der unteren Pfistergasse: Dort war ein Mann beim Herumklettern vom Brunnen gestürzt und hatte sich tödliche Verletzungen zugezogen. Auch der Brunnen hatte dabei Schaden genommen und musste anschliessend aufwendig saniert werden (zentral+ berichtete).

Enormer Wasserverbrauch

Die Luzerner Brunnen führen allesamt Trinkwasser. «Im Jahr fliessen durch unsere Brunnen rund 650‘000 Kubikmeter Trinkwasser. Das entspricht einer Menge von 650 Millionen Liter», weiss Claudio Ganassi, Leiter Betrieb Trinkwasser beim ewl. Das sei eine horrende Zahl, welche man aber im Verhältnis zu den vielen Brunnen sehen müsse. 

Schnelle Erfrischung Brunnen-App

Schnell zum bestem Durstlöscher: Dabei hilft neu der «Lucerne Water Guide», Luzerns erster online-Brunnenführer. Auf einen Klick erscheinen auf der digitalen Karte über 50 Brunnen der Stadt Luzern, die jederzeit und erst noch gratis frisches Trinkwasser spenden. Weiter werden die nächstgelegenen öffentlichen Toiletten angezeigt. Entwickelt wurde die Gratis-App von der Schweizerischen Umweltstiftung in Luzern und der Swiss Toilet Organisation aus Willisau.

Ganassi erklärt, wo das Wasser herkommt. Die meisten grossen Brunnen der Altstadt werden vom alten Brunnennetz gespeist, jene in den neueren Stadtteilen sind am normalen Drucknetz angeschlossen. «Das Wasser des alten Netzes wird noch heute am Fuss des Pilatus gefasst und entlang dem Krienbach von Kriens in die Stadt geleitet», betont Ganassi. Das alte Brunnennetz sei aber nicht schlechter als das neue. «Das ist genau gleich in Schuss.» Die Trinkwasserqualität, die ständig überprüft werde, sei bei allen öffentlichen Brunnen einwandfrei. Zudem werde das Wasser des alten Brunnennetzes mit ultravioletten Strahlen behandelt, um mögliche vorhandene Keime abzutöten.

Einzig das Wasser aus dem Wagenbachbrunnen ist zum Trinken ungeeignet. Laut Ganassi wird der beliebte Springbrunnen auf dem Europaplatz vor dem KKL mit ungefiltertem Seewasser betrieben. «Die Herkunft des Wassers ist dabei eigentlich weniger problematisch, denn der Vierwaldstättersee ist sehr sauber», sagt er. Allerdings fliesse das Wasser, wenn es einmal im Brunnen ist, im Kreislauf und werde nur sporadisch gewechselt. «Bei allen andern öffentlichen Brunnen kann man seinen Durst bedenkenlos stillen», hält Ganassi fest.

Über 500’000 Franken Kosten

Dass das so bleibt, darum kümmern sich Angestellte des Strasseninspektorats. Sie kontrollieren und reinigen periodisch jeden einzelnen Brunnen und melden Schäden der Denkmalpflege. «Seifen und Waschmittel sind besonders problematisch», sagt Rolf Stocker, Leiter Unterhalt und Betrieb beim Strasseninspektorat der Stadt Luzern. Dies komme aber selten vor. Normalerweise beschränke sich der Unterhalt auf die Reinigung des Brunnentrogs wegen Staub- und Dreckablagerungen.

«Moos und Algen gedeihen während der heissen Jahreszeit bestens.»

Rolf Stocker, Strasseninspektorat Stadt Luzern

«Im Sommer geben die Brunnen wegen dem wärmeren Wasser viel mehr zu tun», erwähnt Stocker. Moos und Algen würden während der heissen Jahreszeit bestens gedeihen,m weil der Brunnentrog sich schnell erwärmt. Alle zwei bis drei Wochen wird jeder der 79 öffentlichen Brunnen mit Hochdruckreiniger und Bürste gesäubert. «Auf den Einsatz von Chemikalien verzichten wir», hält Stocker fest. Alleine die Reinigung koste die Stadt pro Jahr rund 30’000 Franken. «Das sind etwa 400 Franken pro Brunnen». Beim Springbrunnen vor dem KKL müsse die Stadt zudem den Strom für die Umwälzpumpe berappen. «Das sind nochmals 15’000 Franken jährlich.»

Massiv teurer als Betrieb und Reinigung ist allerdings das Wasser selbst. Eine gute halbe Million Franken blättert die Stadt für das hübsche Plätschern hin – jedes Jahr. Wird denn das Brunnenwasser überhaupt noch genutzt? «Ja, zum Beispiel als Trinkwasserquelle für unterwegs», rechtfertigt Stocker den hohen und teuren Wasserverbrauch. Nicht nur Einheimische, sondern vor allem auch Touristen wüssten das zu schätzen. Neuerdings gibt es sogar eine App, die durstigen Stadtgängern den Weg zu den Brunnen-Oasen zeigt (siehe Box).

«Der Brunnen ist aber mehr als nur ein Wasserhahn. Er ist ein Kulturgut», unterstreicht Stocker die Bedeutung der Anlagen. Auch wenn das möglich wäre, man könne den Hahn nicht einfach zudrehen. «Für die Trinkwasserqualität ist es wichtig, dass das Wasser immer im Fluss ist», so Stocker. Gerade bei den alten Brunnen mit ihren Speiern sei das wichtig, besonders im Winter. Selbstverständlich aber könne man die Durchflussmenge bei jedem Brunnen regulieren. «Damit der Wasserstrahl gleichmässig und am richtigen Ort ist.»

Backup im Notfall

Auch wenn der Betrieb eines Brunnennetzes heute nicht mehr zeitgemäss scheine, meint Rolf Stocker, würden die Brunnen durchs Band sehr geschätzt – und das nicht nur als idyllisches Fotomotiv. Regelmässig bescheren die Luzerner Brunnen Passanten aus Nah und Fern Glücksmomente. «Manchmal werden Münzen hineingeworfen», so Stocker. Das sei überdies auch nicht verboten. «Es kommt ab und zu auch noch vor, dass Leute im Brunnen baden.» Das sei aber mehr in den heissen Sommermonaten der Fall. «Für die Körperpflege nutzen die Leute dann aber schon ihr Badezimmer», lacht Stocker.

Gegenüber dem neueren Drucknetz hat das rund 18 Kilometer lange alte Brunnennetz noch einen anderen, entscheidenden Vorteil, wie Claudio Ganassi vom ewl erläutert. «Zur Produktion und Bereitstellung des Trinkwassers für das Drucknetz wird elektrische Energie für die Pumpen benötigt.» Diese könnten jedoch ausfallen, womit die städtische Wasserversorgung stark eingeschränkt würde. «In diesem Szenario würde das alte Brunnennetz die Wasserversorgung Luzerns vorübergehend sicherstellen», so Ganassi.

Brunnentratsch und Wassergeschichten

Die öffentlichen Brunnen wurden an leicht zugänglichen Stellen errichtet und waren bis zur Einführung des Leitungswassers Treffpunkte für Mensch und Tier. Ohne einen weiten Weg zu gehen, konnten sich alle mit Trink- und Brauchwasser eindecken. Das gesellschaftliche Leben spielte sich um den Brunnen ab. Hausfrauen und Dienstboten plauderten und tauschten Neuigkeiten aus, währenddem sich der mitgebrachte Kessel langsam mit Wasser füllte. Die Bezeichnung «Brunnentratsch» verrät noch heute diese wichtige soziale Funktion, die mit der Zeit an Bedeutung verlor. 

Zuerst aus Holz

Mit dem Aufkommen von Wasserleitungen, die das Nutzwasser direkt in die Haushalte brachte, verschwanden die Entnahme- und Waschbrunnen im öffentlichen Raum. Heute stehen die meisten historischen Brunnenanlagen unter Denkmalschutz und gelten – so zum Beispiel der berühmte Fritschibrunnen – als Sehenswürdigkeit. Deshalb sind Brunnenanlagen auch heute noch ein Anziehungspunkt im öffentlichen Raum.

Viele der Luzerner Brunnentröge waren ursprünglich aus Holz, im 14. und 15. Jahrhundert wurden sie dann aus Stein geschlagen. Welches der älteste Brunnen in Luzern ist, ist nicht genau bekannt. Historisch verbürgt ist allerdings, dass am Weinmarkt schon ein Brunnen existierte, als Luzern 1332 in den Bund der Eidgenossen eintrat.

Ein bedenkenloser Genuss

Das städtische Trinkwasser setzt sich aus mehreren Quellen zusammen: Seewasser aus dem Luzerner Seebecken ist darin genauso enthalten wie Grundwasser aus dem Tal der Kleinen Emme und Quellwasser vom Nordhang des Pilatus. Seewasser enthält im Vergleich zum Nass aus der Tiefe weniger Mineralien. Es wird im Falle Luzerns aus 42 Metern Tiefe heraufgepumpt, mehrstufig aufbereitet und ins Druckleitungsnetz eingespiesen.

Täglich überprüfen Angestellte des ewl die Wasserqualität nach Massgabe des Lebensmittelgesetzes. Diese ist einwandfrei. Grundsätzlich kann aus allen öffentlich zugänglichen Brunnen Wasser getrunken werden, sogar, wenn das Trinkwasser-Schild fehlt. Ein solches ist in Luzern nämlich nicht vorgeschrieben und wird teilweise an privaten Brunnen montiert. 

Mehr Bilder von den Luzerner Brunnen sehen Sie hier in unserer Slideshow:

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Judith Stamm
    Judith Stamm, 11.07.2015, 18:29 Uhr

    Der Artikel über Luzerner Brunnen ist informativ und gut geschrieben. Er ist auch nützlich. Erst kürzlich haben wir im Bekanntenkreis darüber diskutiert, wie privilegiert wir mit unserer Situation, Trinkwasser aus jedem Brunnen, in Luzern sind.

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