Sie spülen den Stadttunnel runter

Feiern und trauern bei Bier und Wein

Sie strahlen wie die Maikäfer: Die Gegner des Stadttunnels feiern einen grossen Tag. v.l.n.r. Barbara Beck, Andreas Lustenberger, Astrid Estermann, Tabea Zimmermann (Bild: zentral+)

Der Stadttunnel ist am Sonntag vom Volk zu Grabe getragen worden. Der Adrenalinspiegel der Zuger Politiker dürfte sich aber langsam wieder gesenkt haben. Wenn nicht von selber, dann spätestens mit Hilfe eines Biers unter Gleichgesinnten. Und jetzt kommen die guten Ideen dazu, wie es denn ohne Tunnel weitergehen könnte.

Im Centro Italiano gibt es allen Grund zum Feiern. Hier nämlich versammeln sich die Gegner des Stadttunnels, der vom Volk klar – mit 62,79 Prozent – abgelehnt wurde (zentral+ berichtete). Entsprechend ist die Stimmung ausgelassen bis euphorisch. Man klopft sich gegenseitig auf die Schultern, hier ein «Guet gmacht», da ein «Prost» und dort ein «Auf den Anfang des Umdenkens».

Ein Bäumchen als Symbol des Siegs

Der Moment will festgehalten werden. Zu diesem Zweck haben die Gegner ein Bäumchen parat. Darüber, ob es sich um Linde oder Haselnuss handelt, wird demokratisch abgestimmt. Die Pflanze wird gleich neben dem Centro Italiano, beim Wäldchen nahe dem Hotel City Garden, eingepflanzt: ein symbolischer Akt. Dort, wo bei einem Ja zum Tunnel einer der Hauptzugänge während der Bauphase hingekommen wäre.

«Wir feiern quasi die Geburtsstunde der innovativen Mobilitätsplanung», erklärt Dieter Nussbaum, der sich während der Debatte die Finger wund geschrieben und Dutzende Leserbriefe verfasst hatte. Arbeit, die sich nun auszahlt. «Es ist, wie wenn die Schweiz bei der Fussball-WM gewonnen hätte. Ein grosser Tag.» Dennoch sei er nicht überrascht gewesen über das Nein. Einzig, dass das Resultat so klar ausgefallen sei, habe ihn schon erstaunt. «Das zeigt, dass der Stadttunnel nicht das geeignete Projekt ist, um den verkehrstechnischen Handlungsbedarf zu decken.»

Heute Freude und morgen Plan B

Es wird also gefeiert, parteiübergreifend, von Jung über Alt, die Erleichterung ist gross. Auch bei SP-Kantonsrat Rupan Sivaganesan. «Dass wirklich alle Gemeinden so klar Nein gesagt haben, hat mich schon überrascht. Ich habe gedacht, es werde knapp.» Die Freude ist schön und gut. Und für heute ist es den Gegnern auch gestattet, sich nur zu freuen.

«Es wäre doch toll, wenn wir jedem Einwohner Zugs ein Elektrovelo schenken könnten.»

Rupan Sivaganesan, Zuger SP-Kantonsrat

Doch wie sieht es morgen aus? Das Verkehrsproblem ist ja nun nicht behoben. «Wir haben jetzt das Geld um andere Massnahmen umzusetzen. Die Baudirektion hat ja viel Vorarbeit geleistet, hat X Analysen gemacht und wir werden gemeinsam herausfinden, was wir aus diesen Zahlen machen können.» Rupan erläutert auch gleich, was denn für ihn die Wunschlösung wäre. «Es wäre doch toll, wenn wir jedem Einwohner von Zug ein Elektrovelo schenken könnten.» Er lacht. Wie die meisten hier.

Bis in alle Nacht

Der grüne Kantonsrat Andreas Lustenberger, das Aushängeschild des Komitees gegen den Zuger Stadttunnel, empfindet vor allem eines: «Genugtuung.» Im Gegensatz zu CVP-Kantonsrat Heini Schmid, der zwar Tunnelgegner ist, doch gleichzeitig auch etwas Mitleid zeigt mit Tännler und Co., die so klar verloren haben, sagt Lustenberger: «Von mir aus hätten wir auch mit 70 Prozent gewinnen können.»

«Eine wilde Idee wäre es doch, während des Sommers die Strasse unten am See für den Verkehr zu sperren.»

Andreas Lustenberger, Zuger Kantonsrat Grüne-die Alternative

Und auch in seinem Kopf geistern bereits Post-Stadttunnel-Ideen herum. «Eine wilde Idee wäre es doch, während des Sommers die Strasse unten am See für den Verkehr zu sperren und dafür die Bahnhofsstrasse in eine Strasse mit Gegenverkehr zu verwandeln.» Denn, ob die Bahnhofsstrasse nun verkehrsfrei sei oder nicht, das schere nun wirklich niemanden. Nun wird aber zuerst einmal gefeiert. «Bis in alle Nacht», bestätigt Lustenberger. «Glücklicherweise steht morgen geschäftlich ein Betriebsausflug auf dem Programm.»

Wunden lecken im Swisshotel

Weniger fröhlich geht es im Swisshotel zu und her. Dort versammeln sich nach der Verkündung der Resultate die Befürworter des Tunnels. «Das Leben geht weiter», sagt der ehemalige Alternative Kantonsrat Martin Stuber zur versammelten Stadttunnel-Befürworterschaft – und trifft damit den Nerv der Abstimmungs-Verlierer. Sie hatten während der letzten Wochen intensiv für den Stadttunnel gekämpft, jetzt treffen sie sich zum letzten Mal im Swisshotel, bei Philipp C. Brunner, und lecken ihre Wunden.

«Das Volk hat Ja gesagt zum Status Quo, Ja zum Verkehrsproblem, zum Transit durch die Stadt, zu den Problemen mit dem ÖV.»

SVP-Kantonsrat und Tunnel-Befürworter Philip C. Brunner

«Es ist ein historischer Entscheid», sagt Brunner, «ein Fanal. Das Volk hat Ja gesagt zum Status Quo, Ja zum Verkehrsproblem, zum Transit durch die Stadt, zu den Problemen mit dem ÖV. Und es hat Ja gesagt, dazu, dass Velofahrer und Fussgänger vor der Verkehrslawine flüchten müssen.» Es sei ein Sieg der destruktiven Kräfte im Kanton, urteilt Brunner, und er nimmt das auch persönlich: «Es ist auch eine Niederlage für unseren Baudirektor und für die SVP. Man hat ihm den Erfolg nicht gegönnt.»

Wie weiter? «Gute Frage, es geht wohl weiter damit, dass sich diese Kräfte jetzt wieder zersplittern, und dass wir, statt über eine grosse Lösung, wieder über mehr oder weniger Parkplätze diskutieren werden.» Sagt er und wird gleich parteipolitisch: «Die Frage ist, welche Rolle die CVP im Kanton spielen will. Ist es die der ewigen Verhinderer oder die der konstruktiven Kraft?»

23 Jahre für die Katz

Stuber sieht nach der Medienkonferenz beim Treffen der Befürworter schon fast entspannt aus. 23 Jahre lang hat er sich für den Stadttunnel eingesetzt, die ganze Arbeit hat sich heute in Luft aufgelöst. Wie geht er damit um? «Gefasst», sagt Stuber, allerdings sieht er schwarz für die Zukunft. «Einen grossen Wurf wird es nicht mehr geben. Die Frage ist, ob es kleinere Würfe gibt, die vielleicht eine Chance haben.»

Für Stuber hat auch das Entlastungspaket eine Rolle gespielt. «Wenn wir den Tunnel zwei Jahre vorher vors Volk hätten bringen können, vielleicht hätten wir mehr Erfolg gehabt. Aber dann hätten wir nicht dieses Projekt vorlegen können.»

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